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Documenta 12: <br>Global, aber überschaubar

Das Gespräch führte Jens Krepela11. Dezember 2003

Roger-Martin Buergel ist der künstlerische Leiter der Documenta 12 im Jahr 2007. DW-WORLD sprach mit dem Wahl-Wiener über seine Pläne für die weltgrößte Schau für moderne Kunst.

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Neuer Mann am Ruder: <br>Roger-Martin BuergelBild: dpa

DW-WORLD: Sie haben angekündigt die Documenta 12 werde wieder politscher als ihre Vorgänger. Wie kann eine Kunstausstellung "politischer" werden?



Roger-Martin Buergel: Auf zwei Arten: Die Documenta hat ohnehin den Ruf eine politische Ausstellung zu sein, ganz einfach weil sie eine paradigmatische und zweifellos die wichtigste Ausstellung von Gegenwartskunst ist. Eine Ausstellung die in gewisser Weise bestimmt, wo Gegenwartskunst steht. Politisch heißt für mich nicht primär das die Künstler politische Sujets abhandeln. Dass ist meinetwegen bei Arbeiten der Fall, die die Grenze zwischen den USA und Mexiko thematisieren. Politisch heißt für mich auch, dass die Besucher in die kompositorische Aktivität mit eingebunden werden, also dass sie nicht nur durch die Ausstellung geschleust werden, sondern dass sie sich tatsächlich als "Weltmachende" verstehen.

Es soll wieder Kunst aus der ganzen Welt in Kassel gezeigt werden, welche Regionen sind für Sie dabei von besonderer Bedeutung?

Es gibt einfach Regionen die in der bisherigen Documenta wie Stiefkinder behandelt worden sind, beispielsweise die Oststaaten, also der gesamte post-sowjetische Raum. Andererseits habe ich kein besonderes Interesse daran die Künstler darauf festzulegen, dass sie ihre geopolitische Identität repräsentieren. So wird zum Beispiel von einem libanesischen Künstler im Kunstbetrieb heutzutage erwartet, dass er mit Autobomben arbeitet. Aber es gibt auch europäische Künstler, die sich mit afrikanischen Themen beschäftigen. Zugleich gibt es afrikanische Künstler, die ihren Blick nicht nach New York, London oder Johannesburg gerichtet haben. Einerseits geht es mir sehr stark darum mit Regionalismen zu arbeiten, die noch nicht vom Markt zugerichtet sind. Andererseits möchte ich andere Traditionslinien der Moderne, solche die man im Westen nicht kennt, darzustellen. Was wir brauchen ist eine Rückbindung an die deutsche und europäische Situation heute. Meiner Meinung nach ist Europa ein politisch immer noch ungelöstes Problem und ich denke dass wir das mehr adressieren müssen als das bisher der Fall war.

Werden Sie als Chefkurator viel durch die Welt reisen auf der Suche nach Künstlern und Arbeiten für die Documenta?

Ich stelle mir das nicht so vor, dass ich durch die Welt tingle, Künstlerinnen und Künstler wie exotische Vögel einsammle und in Kassel zu Schau stelle. Vielmehr möchte ich mit Gruppen oder Kollektiven arbeiten, die irgendwo etwas entwickelt haben, in Zagreb, in Dakar, oder anderswo. Man muss auf deren Vorstellungen Rücksicht nehmen. Nicht alle wollen unbedingt ausgestellt werden. Da muss man dann gemeinsam eine Form finden, mit der man auf der einen Seite diese regionalen Existenzen stärkt und andererseits eine adäquate Präsentation in Kassel auf die Beine stellt, also die Sache nicht nur stumpf einkauft.

An den letzten beiden Documentas gab es Kritik: Sie hätten einen zu globalen Anspruch gehabt. Was wollen Sie anders oder besser machen?



Ich möchte spezifischer arbeiten. Ich sehe die Documenta nicht im Sinne von universal, weltumspannend, enzyklopädisch. Das ist auch einer der Gründe warum ich die Ausstellung extrem reduzieren werde. Die Zahl der Künstlerinnen und Künstler wird sich drastisch verringern. Das ist das Eine. Zum Zweiten gilt, dass es eine subjektive Ausstellung bleiben wird. Ich werde mir migratorische Biografien von Künstlern herausgreifen, abseits der ausgetretenen Handelswege, die ich dann tatsächlich auch zu verantworten habe. Die Documenta wird nicht den Anspruch haben alles darzustellen. Außerdem wird es fünf Jahre später wieder eine Documenta geben, die das Verpasste korrigieren kann.