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Was kommt nach Doha?

3. Februar 2012

Globale Handelsströme zu regeln - das war das Ziel der internationalen Staatengemeinschaft seit 2001. Das jüngste WTO-Ministertreffen im Dezember in Genf endete ergebnislos.

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Knoten, Kreuzknoten. Erstellung: 27.01.2012 © U. Hardberck - Fotolia.com
Bild: U. Hardberck/Fotolia

Die Mitgliedsländer der Welthandelsorganisation hatten große Pläne, als sie sich 2001 in Katars Hauptstadt Doha darauf verständigten, eine neue Verhandlungsrunde zu beginnen. Durch den Abbau von Zöllen und anderen Handelshemmnissen sollte der internationale Handel gestärkt werden und allen mehr Wohlstand bringen. Mehrere hundert Milliarden Euro pro Jahr sollte das bringen, so zahlreiche Schätzungen. Vor allem Entwicklungsländer würden davon profitieren, hieß es, und so wurde die anstehenden Verhandlungen auch "Doha-Entwicklungsrunde" genannt.

Inzwischen haben sich die Träume von einst in Luft aufgelöst, die Doha-Runde ist vorerst gescheitert. In zehnjährigen Verhandlungen ist es nicht gelungen, in 20 Themenfeldern rund um den internationalen Handel eine Einigung zu erzielen – einstimmig, so wollen es die WTO-Regeln. Erst, wenn auch beim letzten Punkt Konsens herrscht, können die Ergebnisse in Kraft treten.

Erst Landwirtschaft, dann Industrie

Größter Streitpunkt war lange die Landwirtschaft. Müssen die reichen, westlichen Länder ihre Milliarden-Subventionen für die Landwirtschaft streichen? Und dürfen die armen Länder des Südens ihre Bauern vor der übermächtigen Konkurrenz schützen, indem sie Zölle auf Importe erheben? An Fragen wie diesen scheiterte 2003 im mexikanischen Cancún die Ministerkonferenz, das höchste Organ der WTO, zu dem sich alle zwei Jahre die Handels- und Wirtschaftsminister der Mitgliedsländer treffen. Doch es wurde weiter verhandelt und später so mancher Kompromiss erzielt.

Doha-Runde von 2008 - Eröffnungszeremonie (Foto: DPA)
Doha-Forum in KatarBild: picture-alliance/dpa

Im Laufe der Jahre trat dann ein neuer Konflikte in den Vordergrund, der die anderen überschattete. "Wir wissen, welches der 20 Themen den Abschluss blockiert", sagte WTO-Generaldirektor Pascal Lamy vor der letzten Ministerkonferenz im Dezember 2011 in Genf, die ohne Ergebnis zu Ende ging. "Es geht um die Reduzierung von Zöllen auf Industriegüter. Bei diesem Thema gibt es unüberbrückbare Differenzen zwischen den USA auf der einen und den Schwellenländern auf der anderen Seite.

Dieser Streit ist Ausdruck einer sich rasch verändernden Weltwirtschaft. Denn lange gab es nur zwei Gruppen von Ländern: die reichen Industrienationen und die ärmeren Entwicklungsländer. Das rasante Wachstum in China, Indien oder Brasilien hat inzwischen eine dritte Gruppe hervorgebracht: Schwellenländer, die den Industrieländern zum Beispiel bei Autos, Maschinen und Technologie Konkurrenz machen.

Oxfam Aktivisten mit Fieberglasköpfen der Staatschefs liegen vor dem Swimmingpool und halten sich die Ohren zu. Portest vor dem WTO Treffen am 14. September in Cancun/Mexiko. (Foto: AP)
WTO-Gegner protestieren beim Gifpel in Cancún gegen die geplante Liberalisierung des WelthandelsBild: AP

Gleiche Regeln für alle?

"Das Argument der USA ist nun: Die Schwellenländer stehen mit uns im Wettbewerb, deshalb müssen für sie dieselben Regeln gelten", so Pascal Lamy. Mit anderen Worten: China und Indien sollen ihre Industrie nicht stärker vor der Konkurrenz schützen dürfen als die USA.

Die Antwort der Schwellenländer: "Wir akzeptieren, dass wir mehr Verpflichtungen haben als ärmere Länder", so Lamy. Allerdings weigerten sie sich, dieselben Regeln zu akzeptieren, die für Industrieländer gelten. "Dafür gibt es viele Gründe, einige sind rein politisch. Würden China, Indien, Brasilien oder Indonesien akzeptieren, dass sie wie die Industrieländer sind, dann hätte das auch Konsequenzen bei den Verhandlungen über den Klimawandel."

Bei den Verhandlungen über die Reduzierung klimaschädlicher Emissionen, die zwar nicht im Rahmen der WTO aber in der UN geführt werden, wehren sich die Schwellenländer gegen die strengere Auflagen. Ihre Argument: Das würde ihr Wachstum gefährden. Außerdem sind die Industrieländer, pro Kopf gerechnet, immer noch die größeren Klimasünder.

Die Angst der USA

Der Konfrontationskurs der USA bei den WTO-Verhandlungen hat seine Gründe. Die USA haben im Lauf der Jahre zahlreiche Industriearbeitsplätze verloren und ein gewaltiges Handelsdefizit. Die angeschlagene Supermacht sieht sich daher eher als Opfer der Globalisierung. Mit dem Einsatz für eine Liberalisierung des Welthandels lassen sich momentan keine Wahlen gewinnen.

Ein Mann in China vor einem WTO-Slogen: China ist seit 2001 WTO-Mitlgied: Billigware aus dem Reich der MItte überschwemmt den Weltmarkt (Foto: DPA)
China ist seit 2001 WTO-Mitlgied: Billigware aus dem Reich der MItte überschwemmt seitdem den WeltmarktBild: AP

Die Lobby der Industrie, aber auch Gewerkschaften in den USA hätten ein großes Interesse am Scheitern der Doha-Runde, glaubt Jagdish Bhagwati, Ökonom an der New Yorker Columbia University und ein prominenter Fürsprecher der Globalisierung. Denn für einzelne Branchen heißt ein Abbau von Handelsschranken vor allem: härterer Wettbewerb.

"Präsident Obama ist sehr zögerlich beim Thema Handel. Ich glaube, er hat das Wort Doha im letzten Jahr nicht einmal in den Mund genommen", so Bhagwati. Das sei tragisch, denn der US-Präsident hätte ein Scheitern der Doha-Runde verhindern können. "Er hätte sagen können: Lasst uns die Runde abschließen mit dem, was wir erreicht haben. Die noch offenen Punkte lagern wir in eine neue Runde aus und fangen auch gleich mit den Verhandlungen an. Dann wäre ein Abschluss möglich gewesen."

Das aber, so Bhagwati, habe Obama nicht gewollt, wohl auch, weil es ihm an handelsfreundlichen Beratern mangele. "Die Obama-Regierung ist voll von Leuten, die beim Thema Handel sehr ängstlich sind."

Renaissance der Freihandelsabkommen

Weil in der WTO kein Abschluss für alle erzielt werden konnte, wird es nun wieder mehr bilaterale Freihandelsabkommen geben. Dabei verständigen sich nur zwei Länder oder Regionen auf neue Handelsregeln. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sagte beim Weltwirtschaftsforum Ende Januar in Davos, auch die Europäische Union sei sehr an Freihandelsabkommen interessiert. "Wir haben das mit Südkorea gemacht, wir arbeiten an einem mit Japan. Und ich glaube, auch im transatlantischen Bereich haben wir noch sehr viele Möglichkeiten, eine Freihandelszone zu schaffen."

WTO-Direktor General Pascal Lamy (Foto: AP)
WTO-Direktor General Pascal LamyBild: AP

Wirtschaftsmächten wie der EU oder den USA fällt es in direkten Verhandlungen mit Ländern wie Südkorea oder Indien leichter, ihre Interessen durchzusetzen, wenden Kritiker ein. Auch wird die Welt so zu einem Flickenteppich mit zahlreichen Verträgen, deren Regeln nicht global gelten. Angela Merkel hält den Weg bilateraler Abkommen daher auch "nicht für den besten". Der Handelsbeauftragte der USA, Ron Kirk, verteidigt ihn dagegen als Alternative zu WTO-Verhandlungen. "Wir sollten uns nicht dadurch selbst schwächen, etwas nur über einen Weg erreichen zu wollen."

Eine weitere Alternative zu bilateralen Verträgen sind Gruppen-Abkommen innerhalb der WTO. So einigten sich im Dezember nur 42 der 156 WTO-Mitglieder auf eine Öffnung der Märkte im öffentlichen Beschaffungswesen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem Weltwirtschaftsforum 2012 in Davos (Foto:AP)
Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem Weltwirtschaftsforum 2012 in DavosBild: dapd

Abkommen, die wirklich für alle gelten, sind nach dem Scheitern der Doha-Runde vorerst in weite Ferne gerückt. Auch werden zukünftige Verhandlungen nicht leichter, seit mit Russland im Dezember ein weiteres Schwellenland der WTO beigetreten ist. WTO-Chef Lamy weigert sich trotzdem, die Runde für tot zu erklären: "Internationale Verhandlungen sind keine Tiere oder Pflanzen, und die Erfahrung lehrt uns, dass sie niemals sterben." Die Verhandlungen über ein Abkommen zur Beschränkung des Walfangs, fügt Lamy hinzu, dauerten schließlich auch schon mehr als 45 Jahre.

Autor: Andreas Becker
Redaktion: Ulrike Mast-Kirschning