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Doha-Runde ausgesetzt

24. Juli 2006

Nach fast fünf Jahren zäher Verhandlungen sind die Welthandelsgespräche zur Liberalisierung der globalen Märkte vorerst gescheitert. Die EU gab den USA die Schuld für das Scheitern.

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Pascal Lamy bedauert das ScheiternBild: AP

Der Generaldirektor der Welthandelsorganisation (WTO), Pascal Lamy, empfahl den Mitgliedsländern am Montag (24.7.2006) in Genf eine "Aussetzung" der Runde auf unbestimmte Zeit. "Lassen Sie mich das klarstellen", sagte Lamy. "Heute gibt es keine Gewinner und keine Verlierer in dieser Runde, sondern es gibt nur Verlierer." Auf die Frage, wann die Gespräche wieder aufgenommen werden könnten, sagte der WTO-Chef, die Zeit sei gekommen, wenn die WTO-Mitglieder so weit seien. Wann das sei, könne er nicht sagen. "Der Ball liegt jetzt auf ihrer Seite."

Die so genannte Gruppe der Sechs (G6) - USA, EU, Indien, Brasilien, Japan und Australien - scheiterten am Montag in Genf nach einer nächtlichen Marathonrunde, sich auf Eckpunkte eines neuen Handelsabkommens zu einigen. Beim Treffen der sieben führenden Industriestaaten und Russlands (G8) vor einer Woche in St. Petersburg hatte US-Präsident George W. Bush zugestimmt, dass möglichst bis Mitte August ein Grundsatzabkommen der so genannten Doha-Runde festgeschrieben wird.

USA in der Kritik

In Doha, der Hauptstadt von Katar, hatten die Verhandlungen im November 2001 begonnen. Die Runde soll vor allem den ärmsten Staaten der Erde zu Gute kommen. Vor allem Markteintrittsbarrieren für die Entwicklungs- und Schwellenländer sollten beseitigt werden. Die Industriestaaten verlangten allerdings im Gegenzug für den Abbau ihrer Exportsubventionen, ihrer direkten Agrarbeihilfen und Zölle, dass die ärmeren Länder ihre Märkte stärker für Industrieprodukte des Nordens öffnen. Zum Schluss waren insbesondere die USA nicht bereit, ihre Schutzmechanismen für bestimmte Agrarprodukte zu lockern.

Die EU gab den USA die Schuld an dem Scheitern. "Wir haben auf der Autobahn die letzte Ausfahrt verpasst", sagte EU-Handelskommissar Peter Mandelson, der für die EU-Mitgliedsstaaten am Verhandlungstisch saß. Er zeigte sich von den USA tief enttäuscht. Alle hätten sich bewegt, nur die USA nicht. "Die Vereinigten Staaten waren unwillig, diese Flexibilität zu akzeptieren oder wenigstens anzuerkennen. Das steht dem Geist des G8-Gipfels vollkommen entgegen", sagte Mandelson, der die Gespräche mit den anderen Mitgliedern der G6 ausdrücklich als konstruktiv lobte. Der Greenpeace-Handelsexperte Daniel Mittler erklärte, das Verhalten der USA sei "eine Ungeheuerlichkeit".

Neuer Anlauf

Mandelson warnte davor, dass die Aussetzung der Gespräche auch die Zukunft der Welthandelsorganisation (WTO) gefährde. "Wir riskieren, die WTO zu schwächen", sagte er. "Damit das klar ist: es gibt bei einem Scheitern nicht nur wirtschaftlichen Schaden, sondern auch gewaltigen politischen Schaden." Deshalb werde die EU die Welthandelsrunde auch noch nicht aufgeben. "Wir sind bereit, da weiterzumachen, wo wir aufgehört haben."

US-Landwirtschaftsminister Mike Johanns verteidigte die Haltung seiner Delegation. Man habe keine Verbesserungen erkennen können. Die Vorschläge für eine Marktöffnung seien nicht weit genug gegangen. Die US-Handelsbeauftragte Susan Schwab sprach von einem "ernsthaften Fehlschlag". Ihr Land sei aber willens, sich weiter zu engagieren. Das Verhandlungsmandat der US-Regierung läuft im nächsten Jahr aus. Der australische Handelsminister, Mark Vaile, meinte, "Doha ist nicht tot. Es ist noch am Leben, auch wenn es am seidenen Faden hängt".

Verlierer Afrika

Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) warf der internationalen Gemeinschaft schwerwiegendes Versagen vor. Ein fairer Kompromiss sei für die Menschen in den Entwicklungsländern lebensnotwendig. Experten schließen nun nicht aus, dass die schon sichtbaren Tendenzen zum Schutz der einheimischen Wirtschaft sich beiderseits des Atlantiks verstärken. Die Weltbank hatte 2005 geschätzt, dass durch eine Liberalisierung des Welthandels 66 Millionen Menschen aus der Armut geholt werden könnten. (stl)