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Dokumentarfilm über das ungeschönte Europa

23. November 2009

Dass das Leben in Europa für Afrikaner ein Traum sei – von dieser Illusion will ein Ugander seine Landsleute befreien. Er hat eine aufrüttelnde Dokumentation gedreht.

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Ein Leben hinter Gittern statt Wohlstand - der Traum von Europa ist schnell zu EndeBild: dpa

Es ist dunkel im Theater in der ugandischen Hauptstadt Kampala. Alle Stühle in dem kleinen Kinosaal sind voll besetzt. Gespannt schauen die Zuschauer auf die Leinwand. Ein außergewöhnlicher Film hat Premiere: "Surprising Europe - Überraschendes Europa“ heißt er. Eine Dokumentation über das Leben illegaler Einwanderer aus Afrika in Europa.

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Viele Afrikaner glauben, in Europa warte ein gutes Leben auf sieBild: AP

Europa ist ein Alptraum

Filmemacher Sssuna Golooba versteckt sich in der letzten Reihe des Kinosaals. Der Ugander ist verunsichert. Zum ersten Mal führt er seinen Film vor. Noch dazu in seinem Heimatland. Sssuna Golooba hat vier Jahre lang als illegaler Einwanderer in Europa gelebt und ist vor einigen Wochen in seine Heimat zurückgekehrt. Er brachte keinen Cent Geld, keinen Computer oder teure Kleidung mit zurück nach Afrika. Im Gepäck hatte er die schockierende Wahrheit über sein Leben in Europa: ein armseliges, erniedrigendes, illegales Leben. Ein Leben voller geplatzter Träume und falschen Erwartungen, erzählt Golooba.

Die Wahrheit kommt hart und spät

"Bevor ich Uganda verließ, hatte ich Freunde, die schon lange in Europa lebten" erzählt Golooba. "Wenn sie Uganda besuchten, dann haben sie mit Geld um sich geschmissen. Sie waren dick und fett, nicht mehr dünn und mager. Das bedeutet in unserer Kultur viel. Aber sie haben nie erzählt, wie sie an das Geld gekommen sind. Das hat dazu beigetragen, dass viele Ugander in Europa leiden. Die Wahrheit erfährt man erst, wenn man dort ankommt."

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Die glanzvolle Zukunft in Europa - sie erfüllt sich meist nichtBild: AP

"Ich wäre am Liebsten sofort zurück nach Uganda!"

Der Traum auf einen guten Job lockte Golooba vor vier Jahren nach Europa. Um sich ein Flugticket zu leisten, gab er vor seiner Abreise alles auf: Er verkaufte sein Haus, sein Auto, alles, was er hatte. Er ließ seine kleine Tochter im Stich. Der damals 26-Jährige hatte hohe Erwartungen: Er wollte in Holland studieren. Er hoffte, seine Familie aus der Armut zu retten. Doch alles kam ganz anders. "Es war am ersten Tag in Holland. Ich kam bei einer Uganderin an, erzählte ihr meine Geschichte", erzählt Golooba rückblickend. "Sie lachte mich aus, als ich ihr erzählte, dass ich nach einem Job suche. Sie fragte: Hast du denn eine Arbeitserlaubnis? Selbst die Holländer hätten keine Arbeit. Ich zog in den Tagen von einem Bekannten zum anderen. Ich schlief auf deren Sofa, wusch deren Geschirr, putzte die Toilette. Aber ich musste schnell feststellen, das Leben in Europa ist nichts für mich. Ich wäre am liebsten sofort nach Uganda zurückgekehrt."

Er traute sich nicht, von der Wirklichkeit in Europa ehrlich zu erzählen

Doch Golooba traute sich nicht, zurückzukehren. Er fühlte sich seiner Familie gegenüber verpflichtet. Seine Mutter rief immer wieder an und erzählte von Problemen. Er solle Geld für Medikamente schicken. Golooba war verzweifelt und er hatte Angst – Angst vor Polizeikontrollen, Angst davor, abgeschoben zu werden. Aber auch Angst davor, nach Uganda zurückzukehren und zugeben zu müssen, versagt zu haben. Dann sah er eines Tages im Fernsehen, wie am Flughafen in Maastricht illegale Einwanderer in einem Feuer starben. "Ich nahm mir vor, endlich das Schweigen über dieses Leid zu brechen", sagt der Afrikaner. "Ich musste endlich zugeben: Es ist nicht das Europa, von dem ich geträumt habe. Ich erzählte meiner Mutter am Telefon die Wahrheit, ich weinte. Freunde aus Uganda riefen an und wollten auch nach Europa kommen. Ich sagte: Kommt nicht! Hier gibt es keine Jobs und kein Geld."

Schluss mit den Märchen vom Land der Träume

Golooba wollte seinen Landsleuten keine Märchen mehr vom Land der Träume und Reichtümer erzählen. Er wollte einen Film drehen und ihn den Jugendlichen in Afrika zeigen. Eine Produktionsfirma reagierte auf seine Filmidee begeistert. Gemeinsam mit Golooba entstand ein Kinofilm und sieben kürzere Fernseh-Filme über Afrikaner in Europa. Mit diesen Streifen im Gepäck kam Golooba nach vier Jahren Aufenthalt in Europa nun in seine Heimat zurück. Er will wieder in Uganda leben. Zuschauer wie Peggy Mbeyu sind begeistert. "Ich fand den Film sehr interessant. Endlich erzählen uns Afrikaner die Wahrheit über Europa. Das ist ein gutes Projekt."

Autorin: Simone Schlindwein

Redaktion: Silke Ballweg