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Don Quichotte der EU

Alexander Kudascheff2. April 2003

Er ist einer der großen politischen Verlierer des Irakkrieges: Javier Solana, Europas Chefdiplomat. Politisch weggespült von der Irak-Krise - meint DW-Korrespondent Alexander Kudascheff.

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Solana verkörpert ja eigentlich den Anspruch auf eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik. Er verfügt über jene ebenso berühmte wie ominöse Telefonnummer der Europäer, die schon vor mehr als 30 Jahren Henry Kissinger fast verzweifelt gefordert hatte. Er soll die unterschiedlichen Interessen, die unterschiedlichen Vorstellungen der noch 15 EU-Länder koordinieren und auf einen gemeinsamen Nenner bringen, der natürlich meistens der kleinste gemeinsame Nenner ist.

Doch die Irakkrise hat Solana politisch weggespült. Er ist nur noch ein Don Quichotte der europäischen Außenpolitik, ein Ritter der traurigen Gestalt, ein Mann im Kampf gegen die nationalen Windmühlen aus 15 europäischen Hauptstädten. Solana ist vereinsamt - und von der politischen und diplomatischen Bühne verschwunden. Kein Wunder, denn niemand braucht ihn, niemand ruft ihn, niemand hört auf ihn. In einer existenziellen Krise - wie dem Irakkrieg und seinem Vorlauf - regiert in Europa der nationale Egoismus: das gilt explizit für die Großen unter den Europäern, für London wie für Berlin, für Paris wie für Madrid oder Rom.

Einsam, traurig und verbittert

Keiner ist bereit, sich erst abzustimmen und dann zu handeln, sondern alle entscheiden erst allein, handeln allein - und sind erstaunt, daß die anderen nicht mitziehen. Dann kommt es zum großen Krisengipfel, manchmal sogar zu einer gemeinsamen Erklärung, die aber selten das Papier wert ist, auf dem sie steht - und zum Schluss zum Versprechen, beim nächsten Mal wird alles anders. Die politische Dynamik und Wucht des amerikanischen Unilateralismus hätte dabei fast konsequent eine gemeinsame europäische Antwort erfordert - doch Europa blieb quasi atomisiert, jeder schaute und hörte nur auf sich selbst. Und am Wegrand blieb ein einsamer, ein trauriger, ein wohl auch verbitterter Javier Solana zurück.

Dabei war der stolze Spanier, der schon ein erfolgreicher NATO-Generalsekretär gewesen war, mit großen Vorschußlorbeeren gestartet. Wer, wenn nicht Solana, sollte die diplomatischen Primadonnen auf Kurs und Tanzlinie bringen, so dachte man in Brüssel. Und eine ganze Zeit sah es auch so aus, als gelänge es Solana, die auseinanderstrebenden europäischen Fliehkräfte zu bändigen. Doch die Wirklichkeit war deprimierend. Immer wenn es ernst wurde, wurde Solana ausgeschaltet.

Vom Erfolgsweg ins Abseits

Dabei verfügt der Spanier über all die Tugenden, die man für seinen Job braucht. Er ist charmant und diplomatisch gewandt, er ist erfahren auf dem rutschigen diplomatischen Parkett der Weltpolitik, er hat ein exzellentes Netzwerk an Verbindungen aufgebaut, er ist ein sportlich zäher Unterhändler, der Geschmeidigkeit mit Härte zu kombinieren weiß, er kennt die Abstimmungsmechanismen in der europäischen Union gut genug, um nicht über sie zu stolpern, er hat die Unterstützung der großen und auch der kleinen Länder, er wird respektiert und er kennt die Konflikte, mit denen er sich zu beschäftigen hat - gerade im Nahen Osten - sehr gut. Und er hatte Erfolge: er hat die NATO durch den Kosovokrieg geführt, er hat den Ausbruch eines Bürgerkriegs in Mazedonien verhindert, doch all das nützt ihm zur Stunde nichts.

Solana steht im politischen Abseits, ein Verlierer des Irakkriegs - wie ein anderer in Brüssel, Lord Robertson, der NATO-Generalsekretär, der allerdings schon die Konsequenzen aus seiner Ohnmacht gezogen: er wird seinen Vertrag nicht verlängern, ihn zieht es heim - nach Schottland.