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Politik

Trumps zweites Amtsjahr: Fehler nicht ausgeschlossen

Michael Knigge Washington
23. Dezember 2017

Das erste Jahr der Trump-Administration verlief vergleichsweise glimpflich. Dass der US-Präsident aber die kommenden Herausforderungen meistert, ist keineswegs ausgemacht. Von Michael Knigge, Washington.

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USA - Präsident Trump - Jahresrückblick
Bild: Reuters/J. Ernst

Nicht so schlecht wie erwartet: Für einen neuen US-Präsidenten, der während des Wahlkampfs wiederholt mit autokratischen Herrschern aus Vergangenheit und Gegenwart verglichen wurde, kann ein solches Resümee seines ersten Amtsjahrs durchaus als Erfolg gelten.

"Ich würde sagen, das erste Jahr verlief schlecht - aber nicht so schlecht, wie wir es vor einem Jahr befürchtet hatten", sagte Joseph Nye, einflussreicher Politikwissenschaftler der Harvard University. "Diejenigen, die Trumps Wahl mit der Situation Italiens im Jahr 1922 oder Deutschlands 1933 verglichen, lagen völlig falsch. Der institutionelle Rahmen der USA hat sich als hinreichend starker Schutz gegen solche Entwicklungen erwiesen."

Die Diagnose, unter seiner Führung sei das Land immerhin nicht dem Faschismus verfallen, mag für einen Präsidenten der Vereinigten Staaten kein sonderlich schmeichelhaftes Lob sein. Doch vor einem Jahr gab es diese Ängste, und sie dienten keineswegs nur als Hintergrundmusik für seinen Amtsantritt im Januar 2017. Vielmehr bilden sie auch die Kulisse, vor der das Resümé der ersten zwölf Monate seiner Amtszeit zu ziehen ist.

Trumps Außenpolitik: Note Vier minus

Kori Schake, zusammen mit Verteidigungsminister James Mattis Herausgeberin des Buches "Warriors and Citizens" und unter der George-W.-Bush-Administration in leitenden sicherheitspolitischen Positionen tätig, gibt Trump für seine bisherige Außenpolitik trotzdem nur eine Vier minus.

Durchfallen lasse sie ihn nur darum nicht, weil Trump außenpolitische Schlüsselpositionen teils mit sehr erfahrenen Personen besetzt habe, so Schake. Von ihnen lasse er sich sogar zu Entscheidungen bewegen, die weder seinen Impulsen noch seinen Versprechen aus Wahlkampfzeiten entsprächen.

Symbolbild digitaler Populismus
Trumps Medium Nummer eins: TwitterBild: picture alliance/dpa/P. Pleul

Als Beispiel nennt Schake die Entsendung zusätzlicher Truppen nach Afghanistan. Und auch Trumps entschiedenes "Ja" zu Artikel 5 der NATO-Satzung, der eine gemeinsame Verteidigung vorsieht.

"Wenn ich ihm dennoch keine bessere Note als eine Vier minus gebe, dann deshalb, weil er offenbar grundlegende Dinge über das Wesen der internationalen Beziehungen nicht versteht. Ebenso scheint er nicht verstanden zu haben, wie die Vereinigten Staaten die derzeitige Weltordnung erfolgreich etablierten und sie zu einem Preis aufrechterhielten, der für die amerikanische Öffentlichkeit und unsere Verbündeten recht günstig ist", so Schake. "In allen diesen Fragen ist der Präsident höchst unsicher."

Trumps Populismus

James Jeffrey, ehemaliger stellvertretender nationaler Sicherheitsberater von Präsident George W. Bush, sieht in Donald Trump "die Verkörperung der populistischen Revolution, die in den letzten zehn Jahren durch die westlichen Industrieländer gegangen ist".

Trump führe in vielerlei Hinsicht den Stil von Obamas "relativ schwacher Außenpolitik" weiter. Dies tue er im Wesentlichen durch böse Twitter-Botschaften und explosive politische Äußerungen. Trump habe nicht genug getan, um die von den USA geführte internationale Ordnung gegen anhaltende externe Angriffe zu verteidigen, so Jeffrey. Eben das sei für Washington aber die primäre außenpolitische Herausforderung.

Erwartungen für das Jahr 2018

Donald Trumps erstes Jahr als Präsident sei ein guter Indikator dafür, was von ihm in Zukunft zu erwarten sei, sagen ehemalige nationale Sicherheitsbeamte. Alles in allem sollten sich nationale und internationale Beobachter auf denselben Kurs wie den des nun zu Ende gehenden Jahres einstellen. Auch das Jahr 2018 werde sich vor allem durch Trumps Unberechenbarkeit auszeichnen.

"Trumps Verhalten und Entscheidungen vorauszusehen, ist sehr schwierig, da er keine langfristige Strategie verfolgt", sagt Harvard-Professor Nye, unter Bill Clinton einst stellvertretender Verteidigungsminister und Vorsitzender des National Intelligence Council. "Man könnte meinen, er hat ein Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom: Er springt  von Thema zu Thema und stellt seine Position innerhalb von Tagen vom Kopf auf die Füße."

Innenpolitisch werde Trump aller Voraussicht nach weiterhin populistische und nationalistische Gefühle schüren, nimmt Jeffrey an. Schließlich glaube Trump selbst daran.  Zwar sei ihm 2017 nur eines seiner größeren Projekt  gelungen, nämlich die von den Republikanern vorangetriebene Steuerreform. Doch die könnte durchaus einen möglichen wirtschaftlichen Aufschwung anstoßen. Der könnte dafür sorgen, dass die Zwischenwahlen für Trump und seine Partei nicht allzu zu schlecht ausgingen, so Jeffrey.

Kori Schake hingegen möchte nicht ausschließen, dass Trumps konfrontativer Stil bereits 2018 zu einer innenpolitischen Abrechnung führen wird. "Wir haben in Virginia und Alabama gesehen, dass sich Trump moderaten Republikanern und Unabhängigen so sehr entfremdet hat, dass es außerordentlich schwierig werden dürfte, siegreiche Wahlbündnisse zu schmieden."

"Für mich und andere Konservative ist das wirklich eine Zeit der Herausforderung. Aber wir müssen diese Debatte gewinnen", sagt Schake. "Sowohl die über unsere politische Identität wie auch die über Amerikas Rolle in der Welt, die daraus folgt."

Präsident Trumps Leitspruch "America First" werde internationale Institutionen weiter schwächen, prognostiziert Nye - und zwar ungeachtet der Tatsache, dass sich die USA entgegen seinen Ankündigungen nicht aus internationalen Allianzen wie der NATO zurückzogen.

Schake geht nicht davon aus, dass die Trump-Regierung im kommenden Jahr eine kohärente außenpolitische Strategie entwickeln wird. Dem stünde die Vorliebe des Präsidenten für Melodrama und Unberechenbarkeit entgegen.

Ebenso wenig nimmt sie an, dass Trump sein Motto "Amerika zuerst" geändert hat oder verändern wird. "Ich glaube nicht, dass der Präsident in dieser Hinsicht milder geworden ist. Seine Ansichten zu Handel, Allianzen und Einwanderung hat er seit den 1980er Jahren nicht geändert. Selbst widersprüchliche Erfahrungen vermögen sein Selbstvertrauen bezüglich seiner Entscheidungen nicht zu erschüttern."

Herausforderung Nord-Korea

Das größte außenpolitischen Risiko, sind die Experten sich einig, sei eine mögliche militärische Konfrontation mit Nordkorea.

Die Situation sei "dramatisch", so Jeffrey, und das aus zwei Gründen: zum einen wegen der kontinuierlich sich entwickelnden militärischen Fähigkeiten wie auch der aggressiven Haltung Pjöngjangs. Zum anderen aber auch  aufgrund der Unfähigkeit der Trump-Regierung, dem asiatischen Land gegenüber eine kohärente Strategie zu entwickeln, die über das ständig wiederholte Mantra hinausgehe, man werde ein mit Atomwaffen gerüstetes Nordkorea nicht hinnehmen.

Nordkorea, Großmonument Mansudae in Pjöngjang
Größte Herausforderung im Jahr 2018: Das Regime in NordkoreaBild: DW/P.Depont

In China, so Nye, gehe man mit einer Wahrscheinlichkeit von eins zu vier davon aus, dass es im kommenden Jahr eine militärische Konfrontation mit Nordkorea gebe. "Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch."

"Wir sollten uns Gedanken darüber machen, wo die Trump-Regierung steht und wohin sie geht", sagt Schake in ihrer Analyse der größten außenpolitische Risiken des Jahres 2018. "Man scheint davon auszugehen, dass sich die nordkoreanische Führung durch nichts abschrecken lässt. Man nimmt offenbar an, es sei besser, einen Präventivkrieg zu führen als zu lernen, mit einem nuklear bewaffneten Nordkorea zu leben. "

Sollte die Trump-Administration ihre Einschätzung der Situation nicht ändern, könnte sie einen präventiven Krieg führen. "Dessen humane und politische Kosten werden sehr hoch sein."

"Hinsichtlich dieser internationalen Herausforderung hege ich die größten Befürchtungen, dass sie sie nicht richtig einschätzen. Hier hat der Präsident  außerdem den größten Handlungsspielraum. Den können weder der Kongress noch andere institutionellen Kräften einschränken."