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Donna Leon: Die dunkle Stunde der Serenissima

Hanno Murena25. November 2005

Verborgene Schatzkammern, Sammler, Agenten und üble Machenschaften: Commissario Brunetti nimmt es in seinem elften Fall mit gefährlichen Gegnern auf, und die Schatten der Vergangenheit sind länger als er ahnt.

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Auf einen neuen Fall des venezianischen Kriminalkommissars Brunetti wartet die Fan-Gemeinde der aus Amerika stammenden Wahlitalienerin Donna Leon ebenso gespannt wie die Liebhaber der literarischen Zauberkunst auf einen neuen Harry Potter. Und noch eines haben ja beide gemeinsam: Kaum auf dem Buchmarkt, stürmen sie den Gipfel der Bestsellerliste.

Buchcover: Leon - Die dunkle Stunde der Serenissima

Unbewältigte Vergangenheit

Brunettis neuer Fall ist zunächst eigentlich eine Angelegenheit seiner uns seit vielen Jahren vertrauten Ehefrau Paola, der aus bester venezianischer Gesellschaft stammenden linksintellektuellen Professoressa für englische Literatur. Ihr vertraut sich die Studentin Claudia Leonardo mit der heiklen Frage an, ob der dunkle Fleck in der Vergangenheit ihres Großvaters reinzuwaschen sei.

Doch dieser dunkle Fleck in der Familiengeschichte erweist sich bald als Teil der dunklen Stunde der Serenissima Venedig. Als Paola ihren Mann, den Commissario, vermittelnd in die Angelegenheit einbezieht, öffnet sich ein Abgrund: die unbewältigte Vergangenheit des Faschismus in der Ära Mussolini. Lesen können wir das alles in vielen Übersetzungen - nicht allerdings auf Italienisch, denn ihr englischsprachiges Original lässt die Autorin bewusst nicht in diese Sprache am Ort des Geschehens übertragen.

Vom Florett zum Säbel

Gesellschaftskritisch waren auch die bisherigen zehn venezianische Kriminalromane Donna Leons. Vor der malerischen Kulisse der traditionsreichen Lagunenstadt überwogen dabei allerdings die leichtere Stimmung, die feinere Ironie und die melancholische Resignation vor der Macht der italienischen Verhältnisse, die wenigstens im Kleinen zu bekämpfen Commissario Brunetti immer wieder anhebt.

Donna Leon
Die Schriftstellerin Donna LeonBild: dpa

Diesmal wechselt die Autorin vom Florett zum Säbel. Der Kriminalfall führt auf die Spur eines viel größeren Falls, in den die Gesellschaft an sich verwickelt ist. Als die Studentin Claudia Leonardo ermordet wird, führen die Ermittlungen der Polizei weit über die familiäre Tragödie hinaus. Donna Leon verquickt die unglückselige Familiengeschichte mit den unsauberen Machenschaften während der Zeit des zweiten Weltkrieges: Auch aus Italien mussten Juden und Ausländer fliehen, wurden von profitgierigen Händlern und Vermittlern zu Billigstpreisen um ihr Hab und Gut, - auch und gerade um wertvolle Kunstschätze - gebracht. Und das ist der Dreh- und Angelpunkt dieses elften Falls von Commissario Brunetti. "Die dunkle Stunde der Serenissima" ist Kriminalroman und schwerer Vorwurf zugleich.

Vergnüglich und nachdenklich

Donna Leon legt den Finger in die offene Wunde italienischer Geschichte. Sie tut es, ohne den literarischen Charme ihrer Romane zu verraten. Auch diesmal begegnen wir allen uns vertrauten Akteuren: Chiara und Raffi, den Kindern der Brunettis, dem ebenso einfältigen wie eitlen Chef Brunettis, Vice-Questore Patta, der Sekretärin Signorina Elettra, die eigentlich ein eigenes kleines Kommissariat führt, dem treuen Polizeigefährten Vianello und natürlich dem Conte Orazio, dem Schwiegervater des Kommissars.

Für etliche Stunden vergnüglichen, diesmal aber auch sehr nachdenklichen Lesens sind wir wieder einmal zu Besuch in Venedig, bei ihr, der unvergleichlichen Serenissima.


Donna Leon
Die dunkle Stunde der Serenissima
Diogenes, 2004
ISBN 3-257-23448-1
EUR 9,90