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Doping im Fußball: Lange ein Tabuthema

Jonathan Sachse9. August 2013

Über Doping im Fußball wurde bisher kaum gesprochen. Das hat sich in den letzten Tagen geändert. Ein Blick auf die Dopinggeschichte des Fußballs zeigt: Es gibt eine Menge aufzuklären - auch im deutschen Fußball.

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Dopingkontrolleur mit DFB-Logo auf der Weste. Foto: dpa
Bild: picture-alliance/dpa

Als Joachim Löw am Donnerstag (08.08.2013) mit einer Pressekonferenz die neue Länderspiel-Saison einläutet, muss er Fragen beantworten, die selten im elitären Kreis der Nationalmannschaft gestellt werden. Seit der Teil-Veröffentlichung der Studie über Doping in Westdeutschland müssen sich auch die Aktiven im Fußball mit Dopingfragen auseinandersetzen.

"Transparenz und Offenheit. Wir wollen alle einen sauberen Sport. Dafür stehen wir hier auch beim DFB“, sagt der Bundestrainer. Seine Nationalspieler seien manchmal "morgens halb sechs“ in Trainingslagern zur Kontrolle gebeten worden, erinnert er sich und fügt eilig hinzu: "Das finde ich absolut positiv, wenn mit großer Sorgfalt und großer Nachhaltigkeit immer wieder getestet wird.“

Transparenz. Offenheit. Sorgfalt. Nachhaltigkeit. Jogi Löw verwendet starke Begriffe, um das Vorgehen seines Arbeitgebers gegen Doping zu beschreiben. Er lobt die Arbeit seines Verbandes, obwohl der Deutsche Fußball-Bund (DFB) in der Vergangenheit wenig Interesse signalisierte, die Dopingvorwürfe in der eigenen Historie ernsthaft aufzuklären.

Forscher verweisen auf Doping bei der WM 1954 und 1966

Vor sieben Jahren veröffentlichte der Historiker Erik Eggers einen Aufsatz über die "Helden von Bern". Jahrelang hatt er über das deutsche Weltmeisterteam von 1954 recherchiert. Sein Fazit: Viele Spieler der Weltmeistermannschaft haben Injektionen erhalten, sehr wahrscheinlich mit Pervitin. Einem Aufputschmittel, das im Zweiten Weltkrieg an müde Soldaten und Piloten verteilt wurde.

Die Weltmeister von 1954 um Kapitän Fritz Walter werden von den Fans gefeiert. Foto: dpa-pa
War bei den "Helden von Bern" 1954 auch Doping im Spiel?Bild: picture-alliance/dpa

Der Sporthistoriker Eggers forschte weiter. Als Mitarbeiter der aktuell heiß diskutierten Studie "Doping in Deutschland von 1950 bis heute“ entdeckte er einen Schriftwechsel zwischen dem Weltfußball-Verband FIFA und dem Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) aus dem Jahr 1966. Nachdem bei der Weltmeisterschaft in England die ersten Dopingkontrollen eingeführt worden waren, hätten die Untersuchungen bei drei Spielern der deutschen Mannschaft Spuren von Ephedrin gezeigt, schrieb die FIFA damals. Die Einnahme von Ephedrin war verboten, führte jedoch nicht zu einer Sperre.

DFB-Archive blieben verschlossen

Der DFB reagierte, beauftragte mit Martin Nolte einen Gutachter, der keinen Verstoß gegen die damaligen Anti-Doping-Regeln attestierte. Seine vollständige Argumentation wird vom DFB nicht veröffentlicht, was Historiker Eggers ärgert. "Einfach Erklärungen abzuliefern, wonach irgendwelche Gutachter das Gegenteil erklärt hätten, reicht nicht“, sagt Eggers im Gespräch mit der DW. Weitere Zeitdokumente hätten einen Beitrag zur Aufklärung liefern können. Doch der DFB knüpfte den Zugang zu den eigenen Archiven für das Forscherteam um Eggers an strenge Auflagen für eine Veröffentlichung. Das lehnten die Wissenschaftler ab. Der Zugang zu den Archiven blieb versperrt.

Bei der Weltmeisterschaft in England 1966 betrat der erst 20-jährige Franz Beckenbauer die große Fußballbühne. Auch er äußerte sich dieser Tage zu den Dopingvorwürfen rund um sein WM-Debüt: "Ich war dabei. Man wusste gar nicht, was Doping ist. Man kannte das Wort auch gar nicht." Diese Aussage verwundert, wurde Franz Beckenbauer eben bei diesem Turnier doch für mindestens eine Dopingkontrolle ausgelost. Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtete während des Turniers in seiner Ausgabe vom 18. Juli 1966, dass Beckenbauer und Siegfried Held nach dem ersten Spiel ihren "Urin in Reagenzgläser“ ablassen mussten.

Franz Beckenbauer. Foto: dpa
Beckenbauer: Kannten nicht mal das WortBild: picture-alliance/dpa

Erst Schumachers Buch brachte die Wende

Bei Länderspiel-Einsätzen gehörten Dopingkontrollen seit 1966 zum gängigen Prozedere. Im deutschen Fußball weigerten sich die Funktionäre jedoch auch in den Folgejahren, Kontrollen einzuführen. "Es liegen Dokumente vor, aus denen hervorgeht, dass der damalige DFB-Generalsekretär [Anm. der Redaktion: Hans Passlack] 1979 dem Deutschen Sportbund einfach erklärt hat, dass man sich an dessen Bestimmungen in Sachen Doping nicht halten werde“, sagt Erik Eggers.

Erst Toni Schumachers Buch "Anpfiff" brachte die Wende. Sein Einblick in die Medikamentenschränke während der WM 1986 sorgte für Schlagzeilen. Den Torhüter Schumacher kostete diese Veröffentlichung seine Jobs in der Nationalmannschaft und beim 1. FC Köln.

Nationaltorwart Toni Schumacher bejubelt einen Treffer bei der WM 1986 in Mexiko. Foto: dpa
Karriereknick nach DopingenthüllungBild: picture-alliance/dpa

Unter öffentlichem Druck schloss sich der DFB 1988 nach jahrelanger Verweigerung dem Anti-Doping-Reglement des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) an und begann, in seinen eigenen Wettbewerben zu kontrollieren. Erst 1995 folgten erste Trainingskontrollen. Ab dieser Saison will der DFB auch das Blut der Profis von der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) im Training kontrollieren lassen. Wachstumshormone oder Blutdoping können nur mit einer Blutanalyse, nicht mittels Urinproben nachgewiesen werden.

Nachlässige Dopingkontrollen

Wie wenig ernst der Anti-Doping-Kampf im Fußball teilweise genommen wurde, verdeutlicht eine Szene aus Sönke Wortmanns preisgekröntem Film "Deutschland. Ein Sommermärchen“ über die WM 2006: Nach dem letzten Gruppenspiel der deutschen Nationalmannschaft wird Oliver Neuville zur Dopingkontrolle gebeten. Ein "Chaperons", ein Mitarbeiter der Dopingkontrolleure, möchte ihn auf die Toilette begleiten. Neuville sucht das Gespräch: "Wenn da jemand ist, kann ich nicht.“ Tatsächlich lässt der Kontrolleur den Nationalspieler gewähren und wartet vor halb geöffneter Tür auf den Urinbecher. Unbeobachtet hätte Neuville in dieser Situation genügend Gelegenheit gehabt, seinen Urin zu manipulieren.

Auch Maradona wurde positiv getestet

Seit Beginn der Kontrollen sind 20 Dopingfälle im deutschen Fußball erfasst - trotz der lückenhaften Kontrollmechanismen. Auch international ist die Dopingweste des Fußballs alles andere als weiß. Im April 2013 bestätigte der spanische Dopingarzt Eufemiano Fuentes vor Gericht: "Ich habe Sportler aus vielen Bereichen betreut: Fußballer, Boxer, Leichtathleten." Der FC Barcelona, Real Madrid, Real Sociedad San Sebastian - nur drei Mannschaften, die zum Kundenkreis von Fuentes gehört haben sollen. Ein weiterer Dopingdoktor wird mit dem FC Barcelona in Verbindung gebracht: Luis del Moral, früher Teamarzt im Radrennstall von Dopingsünder Lance Armstrong, betreute nach seiner Radsportkarriere als "medizinischer Berater“ verschiedene Fußballclubs.

Der argentinische Superstar Diego Armando Maradona wurde bei der Weltmeisterschaft 1994 bei einer Dopingkontrolle positiv getestet, unter anderem auf Ephedrin, und aus dem Turnier ausgeschlossen. Zwei Jahre später gewann Juventus Turin nach Erkenntnissen italienischer Drogenfahnder mit einem erheblichen Einsatz von Medikamenten die Champions League. 40.000 Seiten Akten trug die Staatanwaltschaft zusammen. Darin taucht auch der Name des dreimaligen Weltfußballers Zinedine Zidane im Zusammenhang mit dem Blutdopingmittel EPO auf. Der Franzose Didier Deschamps musste zuletzt vor dem französischen Senat zu Dopingvorwürfen rund um die Nationalmannschaft Stellung nehmen, die er als Kapitän 1998 zum Weltmeistertitel geführt hatte. Die Liste an Dopingvergehen ließe sich fortführen. Die Geschichte lehrt: Doping gehört auch zum Milliardengeschäft Fußball dazu.

Maradona bei einer Presskonferenz 2013 in Neapel. Foto: Reuters
Maradona wurde 1994 des Dopings überführtBild: Reuters

Autor Jonathan Sachse recherchiert regelmäßig zum Thema Doping im Fußball. Mehr Infos unter fussballdoping.de.