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Dopingfreie Zone

28. Juli 2012

Über die sportliche Dimension des Glaubens - Von Dr. Katharina Klöcker, Münster

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Dr. Katharina Klöcker, Münster
Dr. Katharina Klöcker, MünsterBild: Silvia Becker

Momentan ist wieder ein besonders ansteckendes Virus im Umlauf. Die Infektionsquelle befindet sich in London. Es besteht ebenso Ansteckungsgefahr für Einheimische wie für Fremde. Der Erreger ist aber auch durch das Fernsehen übertragbar. Dabei ist das Virus selbst schon uralt. Hat es sie auch schon gepackt? Das Olympiafieber? Bis zum 12. August wird wieder leidenschaftlich geboxt, gefochten und gelaufen, geritten, geschwommen und gerudert. Nicht nur der Stolz, dabei sein zu dürfen, treibt die Athleten an. Vor allem träumen sie davon, Bester, Erster, Schnellster, Stärkster zu sein. Bei der Medaillenjagd wird es an dramatischen Momenten nicht mangeln, und gebannt werden Zuschauer in aller Welt die Wettkämpfe verfolgen.

Fasziniert haben sportliche Wettkämpfe schon immer. Diese Tatsache hat sich auch einer der cleversten und charismatischsten Prediger in der Geschichte des Christentums zunutze gemacht: der Heidenmissionar Paulus: „Wisst ihr nicht, dass die Läufer im Stadion zwar alle laufen, dass aber nur einer den Preis gewinnt? Lauft so, dass ihr ihn gewinnt!“ Diese Aufforderung findet sich im ersten Brief des Apostels an die Korinther. Paulus will den Griechen in der kleinasiatischen Hafenstadt verdeutlichen, was es bedeutet, an Jesus Christus zu glauben, ihm nachzufolgen. Alle zwei Jahre finden in Korinth die Isthmischen Spiele statt, ein sportliches Großereignis, ähnlich wie die damals auch schon ausgetragenen Olympischen Spiele. So ist das Bild vom Wettlauf den sportbegeisterten Korinthern mehr als geläufig. Der gewiefte Prediger beherrscht sein Handwerk. Was im Sport zählt, gilt auch für den Glauben: Der Christ muss laufen. Doch nicht nur das. Er muss sogar gewinnen wollen.

Aber was soll das eigentlich? Das Christentum als Religion von Gewinnern? Die letzten werden die ersten sein, heißt es doch beim Evangelisten Matthäus, Schlägt Paulus hier also nicht ganz und gar unchristliche Töne an? Klar ist, dass es ihm um etwas ganz bestimmtes geht: Gewinnen kann nämlich nur, wer sich dem Wettlauf ganz und gar verschreibt, wer sich bedingungslos einsetzt, wer sein Ziel unbeirrbar verfolgt. Ein solcher Sprinter ist wahrer Christus-Nachfolger. Der Heidenmissionar macht es vor. Im Hebräerbrief heißt es: „Lasst uns mit Ausdauer in dem Wettkampf laufen, der uns aufgetragen ist, und dabei auf Jesus blicken, den Urheber und Vollender des Glaubens.“ Die Ziellinie immer vor Augen, mit Ausdauer und Energie darauf zulaufen – der Glaube ist eine durch und durch sportliche Angelegenheit, und da geht es nun mal ums Gewinnen.

Nur: Spricht das auch uns noch an? Verstehen auch wir Couchathleten, die wir in den nächsten Wochen die Olympischen Sommerspiele vor dem Fernseher verfolgen, dass Glauben Anstrengung erfordert? Dass Nachfolge etwas mit unbedingter Zielgerichtetheit zu tun hat? Ich denke schon. Der Vergleich des Apostels Paulus ist einfach unglaublich eingängig. Sieht man die Olympioniken in ihrem Element, werden sogar noch andere Eigenschaften sichtbar, die Sport und Glauben verbinden: Leidenschaftlichkeit, Ausdauer, Teamgeist.

Allerdings fallen vielen sicher auch andere Momente ein, und zwar die Schattenseiten des faszinierenden Hochleistungssports. Doping an erster Stelle. Wer dopt, der akzeptiert seine Grenzen nicht. Wer Amphetamine einnimmt, will Leistung erbringen über das menschlich mögliche Maß hinaus. Mit voller Wucht offenbart Doping die leibfeindliche, lebensfeindliche und zerstörerische Dimension von Sport – und das unter dem Deckmäntelchen besonders beeindruckender Sportlichkeit. Bis zu dem Moment, in dem die Blutprobe positiv ausfällt.

Wer wie seinerzeit Paulus auch heute noch Glauben mit einem sportlichen Wettkampf vergleichen will, kommt um Gedanken an Doping kaum herum. So gilt: Auch der Glauben kann zerstörerische Dimensionen annehmen – manchmal unter dem Deckmäntelchen ganz besonderer Frömmigkeit. Von den Konsequenzen eines solchen leib- und lebensfeindlichen Glaubens hat jede Religion traurige Geschichten zu erzählen. Hoffen wir auf dopingfreie Olympische Spiele.

Redaktionelle Verantwortung: Dr. Silvia Becker, Katholische Hörfunkbeauftragte