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Doppelpass erschwert Kampf gegen Kriminelle

Marina Martinovic14. Mai 2013

Der mutmaßliche Drogen-Boss Naser Kelmendi wurde im Kosovo festgenommen. Doch seine Auslieferung an Bosnien - wo er wegen Verbrechen gesucht wird - ist problematisch: Kein Einzelfall auf dem Balkan.

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Polizisten in Sarajevo (Foto: Nedim Grabovica /Klix.ba)
Bild: Nedim Grabovica /Klix.ba

Beobachter in Südosteuropa sehen in Naser Kelmendi einen der größten Drogen-Bosse Europas: Zum Beispiel die Journalistin Milka Tadić-Mijović vom montenegrinischen Wochenblatt Monitor. Nach den Befunden der Polizei Bosnien-Herzegowinas könne man davon ausgehen, dass Kelmendi an der Spitze eines Drogenkartells stehe. "Kelmendi hat ja auch so viel Reichtum angehäuft und es fällt schwer zu glauben, dass er das mit legalen Geschäften geschafft hat", betont die Journalistin im Gespräch mit der DW.

Kelmendi auf Washingtons "Schwarzer Liste"

Kelmendi beteuert seine Unschuld: "Niemals in meinem Leben habe ich etwas mit Drogen gemacht, und es hat mich auch nicht interessiert", sagte er noch vor seiner Festnahme in einem Interview mit einem bosnisch-herzegowinischen Fernsehsender. Dennoch war er 2012 aus Bosnien-Herzegowina geflohen, als die dortigen Behörden eine Polizeiaktion namens "Lutka" (Puppe) gegen die organisierte Kriminalität durchführten. Zuflucht fand er im Kosovo, wo er geboren ist. Neben der bosnisch-herzegowinischen Staatsbürgerschaft besitzt er auch die kosovarische. Gefasst wurde der 55-Jährige nur, weil Bosnien-Herzegowina im September 2012 einen internationalen Haftbefehl gegen ihn erlassen und Washington ihn zuvor auf seine "Schwarze Liste“ der gefährlichsten Drogenbosse der Welt gesetzt hatte.

Porträt des mutmaßlichen Drogenbosses Naser Kelmendi (Foto: Youtube / Vijesti)
Naser Kelmendi im Interview mit der montenegrinischen Zeitung VijestiBild: Screenshot youtube/Vijesti

Die beiden Balkanstaaten ringen jetzt um Kelmendi. Bosnien-Herzegowina verlangt seine Auslieferung nach Sarajevo, damit dem mutmaßlichen Drogenboss dort der Prozess gemacht wird wegen organisierter Kriminalität, Drogengeschäften und versuchten Mordes. Das Kosovo sieht sich aber dazu nicht imstande, weil es nach dem Gesetz eigene Staatsbürger nicht an ein anderes Land ausliefern darf und Kelmendi neben dem bosnisch-herzegowinischen Pass auch den kosovarischen besitzt.

Wenn es ein bilaterales Abkommen über grenzübergreifende Ermittlungen und Auslieferungen geben würde, könnte es gar nicht zu solchen Problemen kommen. Doch Bosnien-Herzegowina kann kein bilaterales Abkommen mit dem Kosovo abschließen, weil es die Unabhängigkeit dieses jungen Staates nicht anerkennt.

Bilaterale Abkommen helfen nur bedingt

Eine Sackgasse also - wieder einmal. Denn solche Pattsituationen gab es in den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien schon mehrmals in den vergangenen Jahren. Dutzende Verurteilte aus dieser Region haben dank ihrer doppelten Staatsbürgerschaft Zuflucht in den Nachbarländern gefunden, meistens in Kroatien, Serbien, Bosnien-Herzegowina und Montenegro.

Der bekannteste Fall ist der des ehemaligen bosnisch-herzegowinischen Politikers und kroatischen Mitglieds des dreiköpfigen Staatspräsidiums in Bosnien-Herzegowina, Ante Jelavić. Er wurde dort zu zehn Jahren Haft wegen krimineller Handlungen in der Hercegovačka Bank verurteilt, floh allerdings nach Kroatien, da er auch die Staatsbürgerschaft dieses Landes besitzt. Bosnien-Herzegowina hat zwar letztes Jahr ein Abkommen mit Kroatien über die Auslieferung von verurteilten Verbrechern unterschrieben, doch dieses gilt nicht für Gerichtsurteile aus der Vergangenheit. Alle Verurteilten, die vor diesem Abkommen Zuflucht in Kroatien, oder umgekehrt in Bosnien-Herzegowina gefunden haben, sind also von der Auslieferung ausgeschlossen. Ähnliche bilaterale Abkommen hat Bosnien-Herzegowina auch mit den Nachbarstaaten Serbien und Montenegro abgeschlossen. Das hat in den vergangenen zwei bis drei Jahren zu einer verbesserten Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität in Südosteuropa beigetragen.

Bosnische Spezialkräfte im Kampf gegen organisierte Kriminalität(Foto: Klix.ba)
Kelmendi schaffte es, der Polizeiaktion "Lutka" zu entkommenBild: Klix.ba

Juristische Sackgasse

Der Fall Naser Kelmendi zeigt jedoch, dass es immer noch Probleme bei der Zusammenarbeit und in den Gesetzgebungen dieser Länder gibt. Vertreter des kosovarischen Justizministeriums erläuterten, dass man in diesem Fall wahrscheinlich die Vertreter der internationalen Gemeinschaft und der Europäischen Union im Kosovo zu Rate ziehen müsste.

Der Justizminister Bosnien-Herzegowinas, Bariša Čolak, behauptet allerdings, dass die Auslieferung Kelmendis an die bosnisch-herzegowinischen Behörden möglich sei, obwohl Sarajevo und Pristina keine diplomatischen Beziehungen unterhalten. Čolak hofft da auf die Zusammenarbeit mit der Rechtsstaatsmission der Europäischen Union im Kosovo, EULEX. Vertreter von EULEX gaben aber zu bedenken, dass die Mission durchaus assistieren könne beim Gesuch für die Auslieferung, sie aber kein Mandat habe, irgendeinen Bürger Kosovos an ein anderes Land auszuliefern.

Wie der Fall Naser Kelmendi weitergehen wird, hängt jetzt von der Kommunikation und der Zusammenarbeit von Sarajevo und Pristina ab - unter dem wachsamen Auge der Internationalen Gemeinschaft.