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Doppelwahlgang in Rumänien

22. November 2007

Die Rumänen wählen am 25.11. erstmals Abgeordnete für das Europaparlament. Zudem steht ein Referendum über ein neues Wahlgesetz an. Das neue Gesetz bewegt die Menschen – die Europa-Wahlen dagegen kaum.

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Gleich zweimal ist die Stimme der rumänischen Wähler gefragtBild: AP

In Rumänien finden an diesem Sonntag (25. November) zum ersten Mal Europa-Wahlen statt. Rund 550 Kandidaten aus einem Dutzend Parteien kämpfen um die 35 Sitze, die Rumänien im Europäischen Parlament zustehen. Ebenfalls am 25. November sollen sich die Wähler per Volksentscheid für oder gegen das Mehrheitswahlrecht aussprechen.

Hintergrund für diesen Doppelwahlgang in Rumänien ist der andauernde Streit zwischen Staatspräsident Traian Basescu und Premierminister Calin Popescu Tariceanu. Gegenwärtig gilt in Rumänien ein reines Listenwahlrecht. Die Einführung des Mehrheitswahlrechts ist sowohl bei der liberalen Regierung als auch bei der sozial-demokratischen Opposition unumstritten. Per Eilverordnung hat die Minderheits-Regierung Tariceanus ein neues Wahlgesetz auf den Weg gebracht, das eine Kombination aus Listen- und Mehrheitswahlrecht vorsieht.

Positionskampf

Präsident Basescu geht die Reform nicht weit genug. Er will ein reines Mehrheitswahlrecht durchsetzen und hat deshalb das Referendum ausgeschrieben. Mehr noch: Er weigerte sich, das neue Wahlgesetz zu unterzeichnen und schickte es zur Überprüfung an das Verfassungsgericht. Basescu argumentiert: "Das reine Mehrheitswahlrecht ist eine Garantie für die Verbesserung des politischen Systems. Eine Garantie dafür, dass die Parteien sich um Persönlichkeiten, um verdienstvolle Menschen bemühen werden. Zurzeit sind die Parteien geschlossen, nur die Listen interessieren sie, ältere oder neuere Seilschaften werden auf Listen gesetzt. Das Mehrheitswahlrecht schließt praktisch die Möglichkeit aus, dass Menschen mit zweifelhaftem Ruf gewählt werden können."

Tariceanus Wahlgesetz sieht zwar auch die Direktwahl eines Teils der Kandidaten vor, ein Teil der Sitze im Parlament soll aber über landesweite Listen vergeben werden. Der Premierminister verteidigt sein Projekt: "Ich unterstütze das Mehrheitswahlrecht. Unser Projekt ist ganz klar: Wir wollen, dass sich alle politischen Optionen der Rumänen im Parlament wiederfinden. Und sollte das Referendum scheitern, ist die Variante, die von der Regierung vorgeschlagen wurde, die einzige, die angewendet werden kann."

Brüssel ist weit weg

Die Debatte um das Mehrheitswahlrecht erhitzt die Gemüter in Rumänien und lässt die Europa-Wahlen fast in die Bedeutungslosigkeit abdriften. Daran tragen auch die Parteien einen Großteil der Schuld: Alle Kandidaten-Listen werden von bekannten Politikern angeführt – und danach folgen völlig unbekannte Gesichter. Der Wahlkampf läuft träge über die verschiedenen TV-Kanäle und die Rumänen scheinen eher am Outfit der Kandidatinnen und Kandidaten interessiert zu sein als an den politischen Botschaften. Straßburg und Brüssel sind weit und in Umfragen liegt die erwartete Wahlbeteiligung bei 30 Prozent.

Doch Basescus Referendum könnte die Wähler verstärkt zu den Urnen rufen. Der Präsident hat eine Telefon-Hotline eingerichtet und erklärt den Anrufern persönlich (vom Band), was sie von einem Mehrheitswahlrecht erwarten können: Die "Kernsanierung" der politischen Klasse. Mit ähnlichen populistischen Slogans ist es ihm bisher immer gelungen, seine Wählerschaft zu überzeugen. Sollte die Wahlbeteiligung über 50 Prozent liegen, hätte Basescu gleich zweimal gewonnen: Erstens wäre das Referendum gültig, zweitens hätte die Demokratische Partei, die ihn unterstützt, große Chancen, mehr Abgeordnete als die Liberalen oder die Sozialdemokraten ins Europaparlament zu schicken.

Schwierige Integration

Ein Sieg Basescus und der Demokraten wäre zudem auch eine solide Ausgangsbasis für sie bei den Parlamentswahlen 2008. Vor diesem Hintergrund wäre es dann nur noch eine Frage der Zeit, wie lange sich die Liberalen der Unterstützung der Sozialdemokraten im Parlament erfreuen könnten. Hinzu kommt, dass der Stillstand der Reformen, vor allem in Justiz und Landwirtschaft, seit dem EU-Beitritt zum 1. Januar 2007 Konsequenzen hat: Die EU-Kommission hat für beide Bereiche die Aktivierung von Sicherheitsklauseln angedroht. Und das bedeutet im Klartext: Weniger EU-Gelder für ein Land, dessen tatsächliche Integration sich schwieriger gestaltet als die Vorbereitung zum Beitritt.

Robert Schwartz, DW-Rumänisch