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Dr. Florin Popescu, USA

Florin Popescu stammt aus den USA. Dort hat er Ingenieurswissenschaften studiert, jetzt arbeitet er als Hirnforscher am Fraunhofer-Institut für Rechnerarchitektur und Softwaretechnik FIRST in Berlin.

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Bild: DW-TV

In seiner Forschung geht es um das sogenannte "maschinelle Lernen". Was sich dahinter verbirgt, könnte eines Tages zum Segen für viele Menschen werden: für Querschnittsgelähmte, die vom Hals abwärts gelähmt sind, wie der Physiker Stephen Hawking oder der Schauspieler Christopher Reeve. Außer Sprache, Augenbewegungen und normalen Hirnaktivitäten haben sie keine Möglichkeiten, mit denen sie z.B. eine Prothese steuern könnten.

Mit seine Team will Florin Popescu eine Lösung für diese Menschen entwickeln: eine Verbindung zwischen Hirn und Computer. Wenn die Patienten daran denken, ihre Hand zu bewegen, registrieren Elektroden die Hirnsignale und leiten sie an den Computer weiter. Und der steuert dann einen Roboter, der es den Patienten wieder möglich macht, sich zu bewegen und mit Gegenständen zu hantieren.

Florin Popescu ist Stipendiat des Marie-Curie-Programms der Europäischen Union.

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Florin Popescu im Interview bei Projekt Zukunft:

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Bild: DW-TV

Sorry, aber ein wenig klingt das alles schon nach science fiction, oder?

Ja, in der Tat, das ganze Projekt hat etwas von einem science-fiction-ähnlichen Ansatz. Aber es ist ein sehr praktischer Ansatz, der konkreteste, den wir heute entwickeln können, um diesen Patienten zu helfen. Und diese Hilfe ist wirklich notwendig, es gibt viele Patienten, die sie brauchen. Wir sprechen von mehr als einer halben Million Menschen in Nordamerika und Europa. Das Projekt ist finanzierbar, und es kann jetzt gemacht werden - nicht wie andere Forschungsvorhaben, die vielleicht in 10 oder 20 Jahren eine Lösung liefern.

Wie ist Ihr Zeitplan?

Wir hoffen, dass wir in wenigen Jahren nicht nur ein Labormodell und ein Vorführgerät haben, sondern ein Gerät, dass die Leute mit nach Hause nehmen und benutzen können. Was mich an der Forschung motiviert: Es geht nicht nur um ein ehrgeiziges Ziel und natürlich um Spitzentechnologie - die Arbeit wird auch einen direkten praktischen Nutzen haben und sich auf das Alltagsleben vieler Menschen auswirken.

Und Roboter werden dabei eine wichtige Rolle spielen?

Ich glaube, die Methoden, die ich benutze, werden auch auf anderen Forschungsgebieten Auswirkungen haben: Datenanalyse oder Roboterforschung oder Hirnforschung. Roboter werden dann nicht nur behinderten Menschen helfen können. Auch den Nichtbehinderten können sie körperliche Arbeit abnehmen, dafür sind sie da.

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Bild: DW-TV

Wir möchten gerne mehr über den Forscher selbst erfahren: Erzählen Sie uns doch etwas über Ihren Werdegang.

Ich habe in den USA ein Ingenieursstudium absolviert und mich auf Neurophysiologie spezialisiert. Für meine Doktorarbeit habe ich in einer Rehabilitationsklinik in Chicage gearbeitet - da wird fächerübergreifend geforscht: Ingenieurswissenschaften, Physiologie und Orthopädie versuchen zusammen, Menschen mit schweren körperlichen Behinderungen zu helfen.

Ich habe damals Grundlagenforschumng gemacht - ich wollte mehr darüber wissen, wie Menschen ihre Arme bewegen. Das war gut, aber Körper und Gehirn bilden ein ziemlich komplexes System, und ich hätte jahrelang Grundlagenforschung machen können. Aber ich wollte was Praktisches tun, das Menschen auch sofort weiterhelfen sollte.

Kann man sagen, Neurologie und Hirnforschung brauchen ein großes Spektrum an Spezialisten? Ihr Erfahrungen wären ein gutes Beispiel dafür.

Diese Forschung braucht grundsätzlich einen interdisziplinären Ansatz, mit einer langen Einarbeitungszeit. Und das ist im Rahmen einer normalen Hochschulausbildung nicht möglich. Mein Ingenieursstudium hat mir die Tür zu den Labors der neurophysiologischen Reha-Forschung geöffnet. Normalerweise werden sie von Medizinern geleitet, aber die brauchen das Fachwissen der Ingenieure. Und umgekehrt bekommt man von diesen Ärzten und Physiologen dann eine Art medizinischen Zusatzausbildung.

Wir haben auch Kontakte zu körperlich behinderten Menschen: zu Wissenschaftlern mit Querschnittslähmung. Sie sind natürlich eine große Hilfe für uns, und wir hoffen, dass unsere Zusammenarbeit nicht nur ihnen persönlich hilft, sondern auch ihren Patienten.

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Bild: DW-TV

Was zieht einen amerikanischen Wissenschaftler nach Deutschland?

Ich bin in Europa geboren. Als ich 10 Jahre war, bin ich mit meinen Eltern nach Amerika ausgewandert. Da habe ich dann meine Ausbildung bekommen, da habe ich gearbeitet, und da hätte ich auch bleiben können. Aber ich wollte zurück nach Europa, vor allem aus kulturellen Gründen.

Das war ein schwieriger Schritt, der mich ziemlich beschäftigt hat: Denn was die Forschung angeht, haben die USA eine bessere Infrastruktur, die jungen Wissenschaftlern können leichter Karriere machen, es gibt mehr Möglichkeiten, Fördergelder aufzutreiben, und es gibt viel mehr Positionen an den Universitäten. Dort ist man immer auf der Suche nach jungen Mitarbeitern. Viele europäische Forscher gehen ja auch dorthin und machen Karriere.

Erstaunlicherweise denken die Leute in den USA, dass es in Deutschland diese gute Infrastruktur für junge Wissenschaftler nicht gibt. Das ist zwar richtig für Europa im Allgemeinen, aber in Deutschland - und speziell hier in Berlin mit 4 großen Unis und vielen privaten Instituten wie Fraunhofer - gibt es eine erstaunlich gute Infrastruktur, die den Leuten helfen, zu bleiben und Karriere zu machen.

Haben Sie das Ihren amerikanischen Kollegen schon erzählt?

Klar, ich habe noch zu vielen meiner Mit-Doktoranden Kontakt. Die sind jetzt junge Professoren oder Chefs von kleinen Labors in den USA. Ich würde sagen: amerikanische Wissenschaftler haben ziemlich wenig Ahnung von den Möglichkeiten, die es in Deutschland gibt. Zum Teil, weil die verschiedenen Länder in Europa sehr unterschiedlich sind: Die Situation ist schon sehr anders, wenn man Deutschland mit Frankreich, Italien oder Spanien vergleicht.

Als ich die USA verließ, um nach Europa zu gehen, haben mich alle für verrückt erklärt, ich würde meine Karriere zerstören. Aber dann habe ich die Gelder bekommen, die ich für meine Arbeit brauchte: für interessante Projekte, an denen ich jetzt forschen kann, wie ich es in den USA villeicht nicht hätte tun können.

War es schwer, sich in einer fremden Kultur einzufühlen?

Bevor ich nach Deutschland kam, hatte ich bereits 4 Jahre lang als Forscher in Italien gearbeitet. Meine Forschung wurde im Wesentlichen durch ein Marie-Curie-Stipendium der Europäischen Gemeinschaft unterstützt. Da muss man beweglich sein und in verschiedene Länder ziehen und für ein paar Jahre ein neues Leben starten. Als ich dann nach Deutschland kam, war ich das Wechseln also schon gewohnt. Ich muss sagen: meine Erfahrungen hier in Berlin und in Deutschland waren positiv, und es war relativ leicht, sich einzuleben.

Wie finden Sie die Deutschen?

Ich kann nicht sagen, dass die Deutschen die freundlichsten Menschen sind - oder unbedingt die glücklichsten Menschen, mit denen ich je zu tun hatte. Aber es wäre auch eine Übertreibung zu sagen, sie wären unfreundlich oder die Behörden würden nicht professionell arbeiten und würden einem nicht helfen. Meine Erfahrung war positiv. Ich würde sagen: Bis jetzt hatte ich keine Probleme - es sei denn, ich musste die verschlungenen Pfade der Bürokratie erkunden.

Es gibt in Deutschland eine Menge Regeln. Aber sie sind ziemlich klar. Und wenn man richtig damit umgeht, hat man auch keine Probleme. Aber man muss jemanden um Hilfe bitten, der sich auskennt. Ich habe Probleme erwartet, ich hatte Angst, Probleme zu bekommen, und am Ende hatte ich kein einziges Problem.

In Berlin eine Wohnung zu finden, das ist eine echte Herausforderung, auch wenn angeblich 10 Prozent leerstehen. Man muss eine Menge Energie dafür investieren. Aber ich hatte Glück: ein Kollege zog nach Schottland und hat mir sein Apartment überlassen.

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Bild: DW-TV

Bleibt Ihnen noch Zeit für Hobbys?

Ich arbeite den größten Teil des Tages. Aber in den restlichen Stunden, da gibt es keinen Mangel an Möglichkeiten, in einer Stadt wie Berlin. Ich bin relativ jung, und Berlin ist ein Ort für junge Leute, die aus anderen Teilen Deutschlands und Europas kommen - normalerweise nicht, um Wissenschaft zu treiben.

Ausgehen macht Spaß und ist einfach. Es gibt gute öffentliche Verkehrsmitteln. Und für jemanden, der mindestens 10 Euro pro Nacht ausgeben kann, bietet Berlin Gelegenheiten noch und noch.

Ich mag Musik - elektronische und normale Musik, fast alle möglichen Stilarten - nur keine Schlager. Ich habe in verschiedenen Ländern gelebt, und ich brauche immer Zeit, um mich an die schwerverdaulichen Teile einer Kultur zu gewöhnen. Aber nach 20 Jahren in den USA habe ich sogar gelernt, Country Musik zu mögen. Also vielleicht besteht ja noch eine Hoffnung, was den Schlager angeht...

Ja, und ausserdem habe ich noch eine zweite Karriere: eine Amateurlaufbahn als Journalist. Ich schreibe eher allgemeine Artikel, über Kultur und Politik.

Keine Wissenschaft?

Nein, ich finde, Wissenschaftsjournalismus soll man am besten den Profis überlassen. Anders als die Kultur: Darüber können genausogut Amateure berichten.

Unterm Strich: Wie lebt es sich in Deutschland?

Als ich nach Deutschland kam, war mein erster Eindruck: Oh Gott, es ist kalt und regnet. Aber dann, nach 6 Monaten, kam der Sommer nach Berlin, und ich fand es eine sehr fröhliche und schöne Stadt zum Leben.

Was ich am meisten bei den Deutschen mag, ist ihre direkte Art und ihr Verantwortungsbewußtsein - etwas, das es erstaunlich selten in der Welt gibt.

Ich bin jetzt seit mehreren Monaten in Berlin. Und alles was ich sagen kann, ist: Nach einem Kurztrip nach Italien bin ich am Flughafen Berlin-Tegel gelandet. Und da habe ich gemerkt, jetzt bin ich zu Hause.

Mein Forschungsprojekt wird dreieinhalb Jahre dauern. Danach bin ich offen für andere Möglichkeiten. Aber es ist möglich, dass ich eine permanente Stelle an einer der Unis hier im Berliner Raum bekomme. Ich könnte mir vorstellen, hier zu bleiben, auch für den Rest meines Lebens.