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Drama mit Happy-End

4. September 2009

Sie war der erste gesamtdeutsche Sportstar nach der Wiedervereinigung: Schwimmerin Franziska van Almsick. Vor 15 Jahren, am 6. September 1994, wurde sie in Rom Weltmeisterin: in einem denkwürdigen Wettbewerb.

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Franziska van Almsick wischt sich bei der Siegerehrung über die 200 Meter Freistil bei der Schwimm-Weltmeisterschaft 1994 in Rom die Tränen weg (Foto: dpa)
Tränen bei der SiegerehrungBild: dpa

Es ist eine Geschichte wie geschaffen für einen Hollywood-Film: In der Hauptrolle eine junge, hübsche Schwimmerin, die von den Medien als neuer Sportstar hofiert wird. Die vor ihrem ersten großen internationalen Triumph steht, aber dann kurz zuvor dramatisch zu scheitern droht. Die durch eine noble Geste ihrer Teamkollegin doch die Chance bekommt, zu zeigen, was in ihr steckt. Und am Ende tatsächlich ihren Traum verwirklicht. Kurzum: Ein Drama mit Happy End. Das alles ist nun 15 Jahre her.

5. September 1994: Bei den Schwimm-Weltmeisterschaften in Rom kämpfen die Schwimmerinnen beim Vorlauf um den Einzug ins Finale über 200 Meter Freistil. Klarer Favorit ist Deutschlands neuer Sportstar, Franziska van Almsick. Es ist ihre Paradestrecke. Doch dann das: In ihrem jugendlichem Leichtsinn bummelt die 16-Jährige - und schlägt nur als Neunte an. Damit ist sie nicht für das Finale qualifiziert.

"Eigene Doofheit"

ARD-Schwimmexpertin Franziska van Almsick steht bei der WM 2009 in Rom mit Schwimmer Paul Biedermann auf dre Tribüne (Foto: dpa)
2009, wieder WM in Rom: van Almsick als Fernseh-ExpertinBild: picture-alliance/ dpa

Ihre Erklärung für das Aus: Seit den olympischen Spielen in Barcelona 1992, wo sie Zweite wurde, schwimme sie ohne große Konkurrenz. "Ich habe mich einfach verpokert und habe das nicht ernst genug genommen. Ich habe ein bisschen gebadet und mich ein wenig warm geschwommen. Es war also meine eigene Doofheit." Ein Schock für Franziska van Almsick selbst, für den gesamten deutschen Schwimmsport und die deutschen Sportfans.

Die Olympia-Zweite ist also im Endlauf nicht dabei, ihre Mannschaftskollegin Dagmar Hase dagegen schon. Und die überrascht dann kurze Zeit später mit der Ankündigung: "Ich werde das Finale über 200 Meter nicht antreten." Das bedeutet: Franziska van Almsick würde als Neunte nachrücken und könnte so das Finale doch schwimmen. Eine Fair-Play-Geste von Hase, die es im Leistungssport nur selten gibt. "Ich hätte wahrscheinlich sowieso nicht in die Medaillen eingreifen können. Franziska dagegen ist auf ihrer Hausstrecke rausgeflogen und deshalb gebe ich ihr diese Chance." Vielleicht hätte es van Almsick anders herum genauso gemacht, wenn es über ihre Lieblingsstrecke gegangen wäre, fügt Dagmar Hase noch hinzu.

Hase ist die große Verliererin

Franziska van Almsick schwimmt bei der WM zu ihrem Titel (Foto: AP)
Gute TechnikerinBild: AP

Doch so selbstlos ist nicht jeder. Das muss Dagmar Hase kurz darauf schmerzlich erfahren. Denn die Olympiasiegerin von Barcelona wird über ihre Lieblingsstrecke, 400 Meter Freistil, im Vorlauf ebenfalls nur Neunte. Ihre qualifizierte Teamkollegin Jana Henke verzichtet nicht zugunsten von Dagmar Hase. Damit nimmt Hase weder im Endlauf über 200 Meter, noch über 400 Meter Freistil teil.

Franziska van Almsick dagegen bekommt am 6. September 1994 die Chance, um den Weltmeister-Titel zu schwimmen. Obwohl sie anfangs den frei gewordenen Platz nicht annehmen wollte. "Ich war sauer über mich selbst", erinnert sie sich später. "Außerdem wusste ich nicht, ob ich mich freuen würde, wenn ich eine Medaille hole, weil Dagmar für mich ihren Platz aufgegeben hatte."

Aber dann schwimmt sie doch. Und wie. Die 16-Jährige gewinnt das Duell gegen die chinesische Kraftmaschine Lu Bin und schlägt nach 1:56,78 Minuten an - Weltrekord. Es ist der erste große internationale Titel in Franziska van Almsicks Karriere - der nur möglich war, weil Dagmar Hase auf ihren Starplatz verzichtete. "Ich weiß, dass ich ihr sehr viel zu verdanken habe. Aber trotzdem bin ich sehr froh, dass ich diese Chance ergriffen habe und einfach alles gegeben habe. Denn jetzt bin ich Weltmeisterin."

Autorin: Sarah Faupel

Redaktion: Stefan Nestler