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EU-Korruptionsaffäre

28. März 2007

Nach Razzien bei der EU haben die Behörden drei Italiener festgenommen. Einem Beamten der EU-Kommission, dem Referenten eines Europaabgeordneten und einem Unternehmer wird schwere Korruption vorgeworfen.

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Heimlich, still und leise: EU-Angestellte haben offenbar Millionen in die eigene Tasche gesteckt
Heimlich, still und leise: EU-Angestellte haben offenbar Millionen in die eigene Tasche gestecktBild: picture-alliance/ dpa

Die drei Italiener werden verdächtigt, über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren mehrere Millionen Euro veruntreut zu haben, wie der Sprecher der Brüsseler Staatsanwaltschaft, Jos Colpin, am Mittwoch (28.3.07) mitteilte. "Während mehr als zehn Jahren flossen millionenschwere Bestechungsgelder", sagte er.

Die EU-Kommission bestätigte, dass einer ihrer Mitarbeiter im Visier der Ermittler stehe. Details wollte sie nicht nennen. Bei der Affäre geht es um zwielichtige Aufträge zur Unterbringung von EU-Delegationen in Immobilien in Drittstaaten und um Verträge für die Gebäudesicherheit. "Wir reden über Verträge von Dutzenden Millionen Euro", sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Finnischer Unternehmer musste für Auftrag zahlen

Den drei Italienern mit Wohnsitz in Brüssel werden in diesem Zusammenhang Bestechlichkeit, Urkundenfälschung, Betrug und Bandenbildung vorgeworfen. Die Mailänder Zeitung "Corriere della Sera" berichtete, die Ermittlungen gingen auf die Beschwerde eines finnischen Unternehmers zurück. Er habe 345.000 Euro Schmiergeld zahlen müssen, um den Auftrag für den Bau des EU-Sitzes in Indien zu bekommen.

Nicht der erste Korruptionsfall: Die EU-Kommission in Brüssel
Nicht der erste Korruptionsfall: Die EU-Kommission in BrüsselBild: AP

Die Identität der drei Italiener wurde nicht enthüllt. Der Kommissionsbeamte soll 46 Jahre alt sein und arbeitet nach Angaben der Behörde in der Generaldirektion Außenbeziehungen. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft ist er dort im Bereich K/3 beschäftigt, der die Infrastruktur für die Delegationen verwaltet. Der Assistent des Europaabgeordneten ist demnach 60 Jahre alt. Der 39-jährige Unternehmer leitet ein Immobilien-Konsortium.

Großrazzia in vier EU-Staaten

Die Polizei hatte am Dienstag nach dreijährigen Korruptionsermittlungen in einer Großrazzia Büros der EU-Kommission und Privat- und Geschäftshäuser in Belgien, Frankreich, Italien und Luxemburg durchsucht. Die Ermittler stellten Dokumente sicher und befragten mehrere Personen. Die Ermittlungen gehen auf die EU-Anti-Korruptionsbehörde OLAF zurück, die die belgische Justiz am 30. Juni 2004 informierte.

Die EU-Kommission stieß nach eigenen Angaben die Untersuchungen bei OLAF mit an. Die Behörde verfolge eine Politik von 'Null Toleranz' gegenüber Korruption, unterstrich ihr Chefsprecher Johannes Laitenberger: "Sobald sich ein Verdachtsmoment einstellt, handelt die Kommission." Auch spätere Disziplinarmaßnahmen gegen den betroffenen Mitarbeiter seien nicht ausgeschlossen.

EU-Kommission sieht sich als Opfer

Null Toleranz: Johannes Laitenberger, Sprecher der EU-Kommission
Null Toleranz: Johannes Laitenberger, Sprecher der EU-KommissionBild: European Community, 2006

Laitenberger stellte die Behörde als "Opfer" dar, die sich deshalb zu den Inhalten der Vorwürfe nicht äußern könne. Offensichtlich wurden aber Kosten zu Lasten der Kommission künstlich in die Höhe getrieben. Es gehe darum, "bis zu welchem Grad die Preise aufgebläht wurden", sagte der Sprecher.

Die betroffene Generaldirektion Außenbeziehungen betreut nach Angaben einer Kommissionssprecherin 132 EU-Delegationen im Ausland. Sie hat ein Jahresbudget von 500 Millionen Euro, wovon 56 Millionen für die Miete und Unterhaltung von Gebäuden bestimmt sind und 20 Millionen Euro für Sicherheit. Es gebe aber ein "sehr rigoroses System zur Überwachung der Verträge", unterstrich sie. Unter der letzten Kommission seien die Vorschriften noch verschärft worden.

Erinnerungen an den Fall Cresson

Der Fall weckt Erinnerungen an den Sturz der Kommission unter ihrem Präsidenten Jacques Santer im März 1999. Auch damals lautete der Vorwurf Korruption. Die Französin Edith Cresson wurde zwar sieben Jahre später als eine der Verantwortlichen wegen "Günstlingswirtschaft" vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) schuldig gesprochen, eine Geldstrafe blieb jedoch aus. (tos)