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Dreifaltigkeitssonntag

2. Juni 2012

Von Pater Gerhard Eberts, Augsburg

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Pater Gerhard Eberts MSF (Missionar von der Heiligen Familie), Augsburg
Pater Gerhard EbertsBild: Gerhard Eberts

„Ich provozierte, seit ich etwa fünfzehn geworden war, meinen Vater Tag für Tag. Ich trug die Haare lang, ich stand spät auf, ich wurde von einem Jahr aufs andre vom Klassenbesten zu einem Versetzungsgefährdeten  –  und ich tat dies alles nicht, weil ich ihn hasste, sondern weil ich irgendeine Reaktion von ihm verlangte. Weil ich wollte, dass er mich sah. Und weil ich nicht wollte, dass er schwieg.“

Dies schreibt der heute 53-jährige Chefredakteur der Wochenzeitung „DIE ZEIT“ Giovanni di Lorenzo über sein Verhältnis als 15-jähriger zu seinem Vater. Zu lesen in dem von ihm gemeinsam mit Axel Hacke verfassten Büchlein „Wofür stehst du?“

Hat der Vater die Provokation seines Sohnes richtig deuten können?  Hat er dieses Betteln um Anerkennung verstanden? Hat der das Gespräch mit ihm gesucht?  Nein! „Wenn der Vater den Mund aufgemacht hat, hat er nur über zwei Dinge geredet: über Politik und über Fußball. Sonst hat er geschwiegen“, schreibt Lorenzo.

Ich mache einen großen Gedankensprung.

Haben nicht Menschen durch die Jahrhunderte hindurch in ähnlicher Weise gebettelt, um von Gott gesehen zu werden? Sie haben sich Opfer auferlegt, in seinem Namen Kriege geführt und sich kasteit, nur, damit er das Gespräch mit ihnen aufnehme. Die Namen, die sie für diesen Gott fanden, waren oft von Angst und Furcht geprägt.

Und heute? Welches Gottesbild haben Menschen heute? Für viele ist Gott ein Single, einer, der für sich allein lebt, weil jeder Gleichrangige neben ihm seine Göttlichkeit in Frage stellen würde. Und schlimmer noch: Für viele zeigt Gott kein wirkliches Interesse am Menschen.

Die Bibel vermittelt uns ein anderes Gottesbild. Das Bild von einem mitgehenden, mitteilsamen, einfühlsamen Gott.  Dieser Gott, so verkündet das Neue Testament ist der eine und einzige Gott, der Vater Jesus Christi. Doch durch ihn, unseren Erlöser, wissen wir, dass der eine Gott in drei Personen existiert: als Vater und Sohn und Heiliger Geist.

Die frohe Botschaft des Neuen Testaments lässt uns dankbar erfahren, dass Gott als Vater die Welt erschaffen hat und dass er die Welt so sehr geliebt hat, dass er seinen einzigen Sohn für sie dahingab. Der Sohn Gottes hat die Welt durch seinen Tod und seine Auferstehung gerettet. Der Heilige Geist, der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht, wurde gesandt, damit er das Werk der Heiligung weiterführt und vollendet.

Einmal angenommen, wir glauben das. Wir glauben das sozusagen blind, weil wir Jesus und seinem Wort vertrauen!  Was haben wir davon? Ist das eine Denkaufgabe für Theologen? Ist das eine Belohnung für Mystiker? Aber was haben die Langhaarigen, die Kurzhaarigen, die Schulabbrecher davon, die protestieren, weil der leibliche Vater, aber auch der Gott-Vater, nicht mit ihnen spricht? 

Es ist eine Tatsache, dass auch die ernsthaft Glaubenden, die Gelehrten eingeschlossen, wenig vom Geheimnis der Dreifaltigkeit verstehen. Gottseidank ist das Neue Testament kein Buch theoretischer Abhandlungen, sondern ein Buch, das leidenschaftlich von der Geschichte Gottes mit den Menschen und der Geschichte der Menschen mit Gott berichtet. Der Jesuit und Märtyrer Pater Alfred Delp bringt es auf den Punkt, wenn er aus dem Nazi- Gefängnis schreibt: „Wir können dem Leben trauen, weil wir es nicht allein zu leben haben, sondern weil Gott es mit uns lebt.“

Menschen, die davon überzeugt sind, dass Gott das Leben mit ihnen teilt, werden den Mut und die Leidenschaft haben, Gemeinschaft untereinander zu stiften. Der Glaube an den einen Gott, der in drei Personen existiert, ist ein starkes Motiv, sich um mehr Gemeinsamkeit zu kümmern.  

Wie schreibt Giovanni di Lorenzo? „Ich habe provoziert, weil ich wollte, dass mein Vater mich sah.“ Jesus erzählt auch von einem Sohn, der seinen Vater provoziert, der aber dann, als er im Elend sitzt und nicht mehr ein noch aus weiß, reumütig zu diesem Vater zurückgeht. Sie kennen die Geschichte vom verlorenen Sohn, die wir richtiger eine Geschichte vom barmherzigen Vater nennen?  Was tut der Vater? Er hat den Sohn schon sehnsüchtig erwartet. Er läuft ihm entgegen und schließt ihn in die Arme.

Die redaktionelle Verantwortung für die Sendung hat Frau Dr. Silvia Becker.