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Dresden: Nach der Wahl ist vor der Wahl

19. September 2005

Rund 219.000 Dresdner können sich als Kanzlermacher fühlen - zumindest theoretisch. Im Wahlkreis 160 geht der Kampf um die Stimmen weiter.

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Wahlkreis 160 muss noch wartenBild: dpa

"Ich bin ziemlich verwirrt", gesteht Anette Paul ein. Die blonde Dresdnerin hat ihren Marktstand in der Nähe der berühmten Semperoper. Sie weiß genauso wenig wie alle anderen, wer Deutschland künftig regieren wird und auch nicht, welche Bedeutung ihr Wahlkreis dabei einnehmen wird. Wie viele andere aus dem Wahlkreis 160 in Dresden will sie nicht, dass ihre Stimmen nach der Bundestagswahl zum Zünglein an der Waage werden könnten: "Denn dann wird der Druck zu groß", sagt sie. "Egal wen wir wählen würden, ob Merkel oder Schröder, der Rest der Republik würde doch mit dem Finger auf uns zeigen".

Der Wahlkampf geht weiter

Im Wahlkreis 160 muss am 2. Oktober nachgewählt werden, weil die NPD-Direktkandidatin Kerstin Lorenz kurz vor der Wahl starb. Der Union können die Wähler die Position als stärkste Fraktion im Bundestag allerdings nicht mehr streitig machen: Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis verfügt die Union über 225 Sitze, die SPD kommt auf 222 Sitze. Um diese Differenz von drei Sitzen ginge es bei den Wahlen in Dresden gehen: Wenn die CDU um die 41.230 Zweitstimmen oder mehr erhält, verliert sie eines ihrer derzeit drei sächsischen Überhangmandate. Das Sitzverhältnis im Bundestag stünde dann 224 zu 222.

Komplizierte Rechenspiele

Damit die SPD einen weiteren Sitz zulegen kann, müßte sie einen Vorsprung von mindestens 40.000 Zweitstimmen vor den Grünen erreichen und könnten diesen somit ein Mandat abnehmen. Dies ergibt sich aus dem so genannten Niemeyer-Verfahren, mit dem die Sitzverteilung für den Bundestag ermittelt wird. In diesem komplizierten Rechenverfahren liegt die SPD mit ihrem Anspruch auf einen weiteren Sitz - nach ihren Stimmen in ganz Deutschland - noch etwa 40.000 Stimmen hinter den Grünen. Der Gewinn des Direktmandats würde der SPD in Dresden dagegen nicht helfen: Dieses würde mit ihrer Landesliste "verrechnet".

Die bestmögliche Konstellation wäre also für die SPD bei einem Einholen der Grünen ein Stimmenverhältnis von 223 zu 224. Um zur Patt-Situation zu kommen, müssten nach Einschätzung von Meinungsforschern die Sozialdemokraten fast alle Stimmen in Dresden gewinnen - was also nur eine theoretische Annahme ist. Dafür kann die CDU allerdings ihrerseits auch ihren Vorsprung noch ausbauen. Falls sie mit der Erststimme den Wahlkreis gewinnt und mit der Zweitstimme unter den etwa 41.230 Stimmen bleibt, würde die Union ein weiteres Überhangmandat gewinnen und hätte 226 Sitze im Bundestag.

Plakate schon bestellt

In Dresden bereiten sich die Parteien derweil auf eine neue Wahlkampfrunde vor. Der Zigarettenqualm auf den Wahlpartys und der nächtliche Bodennebel in Dresden waren noch nicht verflogen, da klebten die Anhänger schon wieder zusätzliche Plakate. Die CDU hat nach eigenem Bekunden "jede Menge Angebote" von Parteikollegen, die den Dresdnern Schützenhilfe leisten wollen. Die SPD wird mit drei roten Aktionsbussen kreuz und quer durch den Wahlkreis touren.

Der Kampf um das Direktmandat im Wahlkreis Dresden I wird sich zwischen dem CDU-Mann Andreas Lämmel, der SPD-Kandidatin Marlies Volkmer und Katja Kipping von der Linkspartei entscheiden. Im Gegensatz zu seinen Konkurrentinnen, die über einen Listenplatz abgesichert sind, kommt der 46-jährige Lämmel nur über das Direktmandat nach Berlin. Die sächsische CDU will deshalb alles geben, "um in Dresden den Wahlkreis zu holen", sagt Generalsekretär Michael Kretschmer. Für die verstorbene NPD-Kandidatin ist mittlerweile der Ex-Republikanerchef Franz Schönhuber eingesprungen. Damit wartet die rechtsextreme Partei zwar mit einem bundesweit bekannten Politiker auf, doch er gilt als chancenlos. (ina)

Umstrittenes Wahlplakat
Neue Plakate sind schon bestelltBild: dpa
Dresden als UNESCO-Welterbe
Dresden: keine KanzlermacherBild: AP