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Dresdener gedachten und protestierten

Bernd Gräßler14. Februar 2005

In Dresden haben zehntausende Menschen der Bombardierung der Stadt durch die Alliierten vor 60 Jahren gedacht. Sie demonstrierten auch gegen eine Neonazi-Veranstaltung am gleichen Tag.

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Kerzen zum GedenkenBild: AP

Es sollte ein würdevolles, stilles Gedenken werden, doch schließlich holte die Auseinandersetzung um den Rechtsradikalismus in Deutschland auch die Dresdner ein. Während sie in Gottesdiensten, bei Gedenkkundgebungen, Lesungen und in Konzertsälen der vermutlich 35.000 Toten der Bombardierung vom Februar 1945 gedachten, war auf den Straßen die Polizei im Großeinsatz, um Gewalt zwischen rechten und linken Demonstranten zu verhindern. Zunächst hatten am frühen Sonntagmorgen (13.2.2005) viele Bürger die Kreuzkirche besucht.

NPD-Kranz niedergelegt

Gedenken auf dem Heidefriedhof in Dresden, junge Leute mit weißen Rosen
Auf dem Heidefriedhof: Junge Dresdener mit weißen Rosen - Symbol des Widerstandes gegen NazisBild: dpa

Doch schon die traditionelle Kranzniederlegung auf dem Heidefriedhof, wo die Asche tausender Opfer begraben liegt, war anders als sonst. Neben Ministerpräsident, Dresdner Oberbürgermeister, demokratischen Parteien und den Botschaftern aus den USA, Großbritannien und Frankreich, legte auch die neuerdings im sächsischen Landtag vertretene rechtsextreme NPD einen Kranz nieder.

Am Mittag versammelten sich hinter der Dresdner Semperoper etwa 5000 Rechtsradikale aus ganz Deutschland zu einem genehmigten Trauermarsch gegen, wie es hieß, "alliierten Bombenterror". Einige der überwiegend jungen und kurz geschorenen Demonstranten gaben ihr Weltbild zum Besten.

Beklemmung und Fassungslosigkeit

Linksautonome Gegendemonstranten versuchten mit Trillerpfeifen und Sprechchören die Rechten zu übertönen, vereinzelt kam es zu Rangeleien. Die Polizei hatte den Rechtsradikalen das Tragen von Springerstiefeln, das Mitführen der Reichskriegsflagge verboten, auch Gleichschritt war untersagt. Trotzdem gab es bei vielen Dresdnern und Touristen Beklemmung bis zu Fassungslosigkeit über den Aufmarsch.

Trauermarsch der NPD in Dresden
Holger Apfel, Fraktionsvorsitzender der NPD im sächsischen Landtag, Gerhard Frey, Bundesvorsitzender der DVU und Udo Voigt, Bundesvorsitzender der NPD (Hintergrund von links) am Sonntag in Dresden.Bild: AP

"Es ist fürchterlich und abscheulich, ich verachte es. Und aus diesem Grunde trage ich auch die weiße Rose. Mein Vater war selber Opfer des Krieges geworden, und ich kämpfe dafür, dass sich das nicht wiederholt", sagte ein Mann. Eine Frau ergänzte: "Es muss einfach nicht sein. Die Leute haben einfach nichts gelernt aus der Geschichte. Ich weiß nicht, wo das hinführen soll. Man sieht ja, dass die immer mehr Anhänger kriegen wieder."

Britisch-deutsche Versöhnungsarbeit

Am späteren Sonntagnachmittag erteilten dann mit einer Gegendemonstration 50.000 Menschen den Rechtsradikalen eine Absage. Und in hellen Scharen pilgerten sie zur wieder aufgebauten Frauenkirche, deren Ruine über Jahrzehnte das Wahrzeichen der Zerstörung Dresdens war. Dort nahm Pfarrer Stephan Fritz vom Domprobst John Irvine aus Coventry ein Nagelkreuz in Empfang, Anerkennung für die jahrzehntelange britisch-deutsche Versöhnungsarbeit.

"Damit wird die freundschaftliche Verbundenheit, die seit langem zu unserer Partnerstadt Coventry und insbesondere zu seiner Kathedrale besteht, in aller Form besiegelt. Wir Christen, obwohl es uns schwer fällt, sagen Nein zu Vergeltung, und ja zur Vergebung", sagte Pfarrer Fritz am Sonntag. Erstmals öffnete die Frauenkirche an diesem Tag für Besucher, die Einweihung ist Ende Oktober vorgesehen. Die Kirche entstand neu mit Spenden aus aller Welt, das goldene Kreuz über der Kuppel fertigte der Sohn eines früheren britischen Bomberpiloten.