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Droht China eine "harte Landung"?

Andreas Landwehr (dpa)3. März 2014

Li Keqiang steckt in einem Dilemma. Chinas Wirtschaft ist süchtig nach Krediten, aber neue Triebkräfte sind schwer zu finden. Der Premier wird dem Volkskongress seine Pläne vorstellen: Wie schmerzhaft wird die Wende?

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Textilfabrik in China Foto: Newscom picture alliance
Bild: picture alliance / Newscom

China muss eine Balance zwischen notwendigen Reformen und anhaltendem Wachstum finden. Auf der diesjährigen Tagung des Volkskongresses wird Regierungschef Li Keqiang ein Wachstumsziel von 7,0 oder 7,5 Prozent für 2014 vorgeben. "Unsere Wirtschaft ist mit einer Reihe tief sitzender und struktureller Probleme konfrontiert", gab der neue Premier kürzlich eine Vorschau auf seine Pläne, die er zum Auftakt der neuntägigen Sitzung am Mittwoch den rund 3000 Delegierten vorstellen wird. "Es kann keine nachhaltige Entwicklung ohne wirtschaftliche Transformation geben", mahnte der Premier.

Also Reform ja, aber wie? Die zweitgrößte Volkswirtschaft muss ihre Abhängigkeit von Exporten, Infrastrukturinvestitionen und vor allem von allzu großzügiger Kreditvergabe verringern. Im Mittelpunkt der geplanten Reformen stehen die Marktkräfte, denen nach dem Beschluss des dritten Plenums der Partei im November eine größere Rolle eingeräumt wird. Gleichzeitig wird aber die Macht der Staatsbetriebe nicht beschnitten. Kein Wunder. Denn die Profite der monopolistischen Unternehmen sind hoch. Auch dienen sie der Führung als Werkzeuge für die Umsetzung ihrer Politik und sind unverzichtbarer Teil der Machthierarchie, so dass sie sich nichts so leicht wegnehmen lassen.

Der Finanzsektor muss reformiert werden

Es gibt aber zwei Kernprobleme: Erstens, die Stagnation des Produktivitätswachstums, die auf den aufgeblähten und ineffizienten Staatssektor zurückzuführen ist. Zweitens, der gigantische Schuldenberg örtlicher Regierungen und der mit ihnen verwobenen Staatsunternehmen, der die finanzielle Stabilität gefährdet. "Chinas Reformen haben jetzt tiefes Wasser erreicht", sagte Li Keqiang vieldeutig. "Reformen werden im Haushalt, in den Finanzen, der Preisgestaltung und im Unternehmensbereich fortgesetzt."

Li Keqiang Foto: Jochen Zick - Pool/Getty Images
Chinas Premier Li Keqiang muss Reformen umsetzenBild: Getty Images/Jochen Zick

Dringend ist die Reform des Finanzsektors. Seit Ausbruch der weltweiten Finanzkrise 2008 hat Peking den Kredithahn aufgedreht, so dass die Schuldenlast von 150 auf 210 Prozent der Wirtschaftsleistung gestiegen ist. Viel Geld ist in unproduktive, verschwenderische Investitionen, in Überkapazitäten oder die Immobilienblase geflossen. Erst im Januar hat das Kreditwachstum wieder kräftig angezogen. Die faulen Kredite erreichten im vierten Quartal den höchsten Stand seit 2008. Alte Kredite werden jetzt mit neuen abgelöst.

"Es gibt nur eine geringe Chance, dass China dieser falschen Verteilung von Krediten und Ressourcen schmerzfrei entkommen kann", warnt Wei Yao vom französischen Bankhaus Société Générale. "Die Frage ist, wann die Luft aus der Kreditblase entweicht und mit welcher Geschwindigkeit."Strauchelnde Treuhandfonds, dubiose Anlageprodukte und immer neue Liquiditätsengpässe am Finanzmarkt wecken die Furcht vor einer Kettenreaktion.

Größe Risiken durch Schattenbankensystem

Die Schulden örtlicher Regierungen sind zwischen Ende 2010 und Mitte 2013 um 67 Prozent auf 18 Billionen Yuan (zwei Billionen Euro) gestiegen. Große Risiken birgt das gigantische Schattenbankensystem, das eng mit den Staatsbanken verwoben ist. Einzelne Pleiten will die Zentralbank zwar hinnehmen, aber wenn eine große Bank involviert ist, "sind wir heute schon bei "too big to fail", wie ein ausländischer Banker in Peking sagte. Also bei der Frage, ob eine Pleite - wie 2008 bei der Lehmann-Bank - das ganze System mit sich reißen könnte.

China Banknote
Die örtlichen Regierungen sind hochverschuldet.Bild: picture-alliance/dpa

Tritt die Regierung beim Kreditwachstum allzu stark auf die Bremse, droht eine "harte Landung", die das Wirtschaftswachstum sogar auf zwei Prozent fallen lassen könnte, wie die Société Générale warnt. "Investoren unterschätzen das Risiko."Wie auch immer, alle sind sich einig, dass sich das Wachstum in jedem Fall weiter abschwächen wird. Schon 2012 und 2013 war mit 7,7 Prozent der niedrigste Zuwachs seit 1999 verzeichnet worden. Im Vergleich zu Europa erscheint das zwar viel, aber für ein Schwellenland mit großem Nachholbedarf und vielen Entwicklungsproblemen ist es wenig. Premier Li Keqiang selbst soll sieben Prozent als Untergrenze ansehen.