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"Druck auf die Ukraine"

Roman Goncharenko24. April 2012

Auch der zweite Prozess gegen die ehemalige ukrainische Regierungschefin Julia Timoschenko sei politisch motiviert, sagt der deutsche Menschenrechtsbeauftragte Markus Löning im Gespräch mit der Deutschen Welle.

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Markus Löning (Foto: DW)
Bild: DW

Deutsche Welle: Herr Löning, Julia Timoschenko wird Steuerhinterziehung und Veruntreuung vorgeworfen. Wie bewerten Sie den zweiten Prozess, der jetzt in Charkiw gegen die ehemalige ukrainische Premierministerin läuft?

Markus Löning: Zum einen ist es wichtig zu sehen, dass nicht nur gegen Frau Timoschenko, sondern auch gegen viele andere Mitglieder ihrer Regierung Prozesse laufen oder Urteile schon ausgesprochen sind. Das Gesamtbild ist ganz klar: Das sind politisch motivierte Prozesse, die die ehemalige Regierung abstrafen und politische Konkurrenten vor den nächsten Parlamentswahlen im Oktober aus dem Feld schlagen sollen. Ich halte von den Prozessen nichts, denn die ganze erste Reihe von Prozessen hat gezeigt, dass sie nicht fair gewesen sind. Die Angeklagten hatten keine Chance, sich angemessen zu verteidigen. Das waren Prozesse, die wir nicht anerkennen können. Deswegen fordere ich die Regierung in der Ukraine auf, alle diese Menschen auf freien Fuß zu setzen.

Die deutsche Bundesregierung verhandelt mit der Regierung in Kiew darüber, dass Frau Timoschenko zur medizinischen Behandlung nach Berlin gebracht wird. Wie ist der Stand der Gespräche?
Die Bundesregierung verhandelt nicht darüber. Das ist nicht unsere Sache. Deutschland ist ein freies Land. Wer in unser Land kommen will und sich medizinisch behandeln lassen möchte, ist hier willkommen. Es ist keine Sache, über die wir verhandeln, sondern es ist selbstverständlich: Wer krank ist, wer nach Deutschland kommen will, wer unsere Krankenhäuser benutzen will, kann das und ist dazu herzlich eingeladen.

Julia Timoschenko mit Tochter und Ehemann (Foto: dapd)
Julia Timoschenko mit Tochter Jewgenia und Ehemann Alexander beim ersten Prozess in Kiew 2011Bild: picture-alliance/dpa

Ist es wahrscheinlich, dass Frau Timoschenko zur Behandlung nach Deutschland kommt?

Das kann ich Ihnen nicht sagen. Da müssen Sie Frau Timoschenko fragen, ob sie das überhaupt will. Wichtig ist, dass Frau Timoschenko, aber auch Herr Luzenko (ehemaliger Innenminister) oder Herr Filiptschuk (ehemaliger Umweltminister) oder Herr Iwaschtschenko (ehemaliger Verteidigungsminister) angemessen medizinisch behandelt werden. Alle sind krank, alle brauchen angemessene medizinische Behandlung und keiner von ihnen hat sie bislang bekommen.

Frau Timoschenkos Tochter Jewgenia hat kürzlich während ihres Besuchs in Berlin die Bundesregierung aufgerufen, Sanktionen gegen die ukrainische Regierung zu verhängen. Was halten Sie davon?

Ich habe in der Ukraine gesehen, dass es eine sehr lebendige Zivilgesellschaft gibt, die die ukrainische Regierung unter Druck setzt. Ich sehe, dass die EU die ukrainische Regierung erheblich unter Druck setzt, dadurch, dass das Assoziierungsabkommen zurzeit eben nicht unterzeichnet wird. Ich sehe auch, dass die ukrainische Regierung sich der Tatsache bewusst wird, dass einige prominente Politiker die Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine vielleicht nicht besuchen werden oder bestimmte Spiele nicht besuchen werden, weil sie sagen: 'Ich kann mir nicht vorstellen, hier im Stadion in Charkiw zu sitzen, wenn nebenan Frau Timoschenko im Gefängnis sitzt'. Ich glaube, es gibt zurzeit eine Menge Druck auf die ukrainische Regierung. Da muss mehr Bewegung rein. Aber zunächst einmal sollten wir den Druck, so wie wir ihn zurzeit aufbauen, verstärken.

Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Fußball-EM in die Ukraine kommen sollte, würde sie sich dann mit dem ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch treffen? Halten sie das für möglich und würden Sie ihr dies empfehlen?

Das müssen Sie die Bundeskanzlerin fragen. Ich gebe der Bundeskanzlerin öffentlich keine Ratschläge.