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Druck auf VW-Chef Winterkorn wächst

21. September 2015

Die Empörung über den Abgas-Skandal lässt den Stuhl von VW-Chef Winterkorn wackeln. Das Aufsichtsratspräsidium kommt vermutlich am Mittwoch zusammen. In den USA drohen jetzt auch strafrechtliche Konsequenzen.

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VW-Chef Martin Winterkorn (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/J. Lübke

Die Affäre um manipulierte VW-Abgaswerte in den USA belastet zunehmend auch Konzernchef Martin Winterkorn (Artikelbild) - und sie wirft Fragen nach seiner Verantwortung auf. Unter dem Druck allseitiger Forderungen nach Aufklärung sagte Winterkorn im Gespräch mit Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt zu, sämtliche Dieselmodelle des Autobauers auf dem deutschen Markt zu überprüfen. Dobrindt werde das Kraftfahrtbundesamt anweisen, bei den VW-Dieselmodellen "jetzt umgehend strenge spezifische Nachprüfungen durch unabhängige Gutachter zu veranlassen", sagte ein Ministeriumsprecher. Winterkorn habe für die Tests seine "absolute Unterstützung" zugesagt.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, der dem Präsidium des VW-Aufsichtsrats angehört, hatte zuvor erklärt, eine Manipulation von Emissionstests sei "völlig inakzeptabel und durch nichts zu rechtfertigen". Niedersachsen ist der zweitgrößte Anteilseigner des Wolfsburger Autobauers.

Bloomberg: US-Justizministerium ermittelt

VW drohen in den Vereinigten Staaten Milliarden-Strafzahlungen. Laut einem Bericht der Agentur Bloomberg ermittelt inzwischen auch das US-Justizministerium: Es prüfe, ob dem Konzern kriminelle Machenschaften vorzuwerfen seien, so Bloomberg unter Berufung auf zwei mit der Untersuchung vertraute Personen. VW war bisher nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Die US-Umweltbehörde EPA wirft Volkswagen vor, Schadstoffmessungen bei Dieselfahrzeugen manipuliert zu haben. Das Unternehmen hat das Fehlverhalten bereits eingeräumt und versprochen, mit der Behörde zu kooperieren. Laut EPA geht es um fast eine halbe Million Autos. Inzwischen hat die EPA nach eigenen Angaben auch die Dieselfahrzeuge anderer Autobauer im Visier. Gemeinsam mit der kalifornischen Partnerbehörde Carb würden die Modelle weiterer Hersteller auf mögliche "Abschalteinrichtungen" überprüft, die den Schadstoffausstoß bei offiziellen Emissionstests verringern.

Die Umweltschutzbehörde teilte nicht mit, welche Autohersteller hiervon betroffen sind. Auf dem US-Markt sind auch die deutschen Konzerne Daimler und BMW mit Dieselfahrzeugen vertreten. Die Unternehmen hatten in den vergangenen Jahren für die sogenannte "Clean Diesel"-Technologie geworben und US-Autokäufern den Motorentyp als sparsame und umweltfreundliche Alternative präsentiert.

Einen formalen Rückruf von VW-Fahrzeugen habe es noch nicht gegeben, stellte die EPA allerdings klar. Zunächst müsse VW in einem "angemessenen Zeitraum" einen Plan für die Umrüstung der beanstandeten Modelle entwickeln. Die Besitzer würden über den Rückruf informiert, sobald die EPA dem Plan zugestimmt habe. Dieses Verfahren könnte laut EPA "bis zu einem Jahr dauern".

VW-Aktie bricht an der Börse ein

Winterkorn hatte sich am Wochenende für den Verstoß entschuldigt und eine externe Untersuchung angekündigt. VW stoppte unterdessen den Verkauf von Dieselfahrzeugen in den USA. An der Börse in Frankfurt brach die Aktie des Unternehmens dramatisch ein. Schlimmer als der Kursrutsch wiegt Beobachtern zufolge der Imageschaden durch die Manipulation.

Das oberste Kontrollorgan von VW kommt Insidern zufolge am Mittwoch zusammen, um über die Affäre zu beraten. Das Präsidium des Aufsichtsrats wird sich demnach mit den Vorwürfen befassen. Die Enthüllungen kommen für Winterkorn zur Unzeit. Sein Vertrag soll eigentlich auf der Aufsichtsratssitzung am Freitag vorzeitig um zwei Jahre bis Ende 2018 verlängert werden. Der 68-Jährige soll nach ursprünglicher Planung den von ihm angestoßenen Konzernumbau begleiten. Doch nun mehren sich die Stimmen, die seinen Rückzug von der Spitze von Europas größtem Autobauer verlangen.

VW-Produktion in Zwickau (Foto: dpa)
VW droht neben einer Milliardenstrafe auch ein schwerer ImageschadenBild: picture-alliance/dpa

Rücktrittsforderungen

"Es wird Zeit, dass Winterkorn seinen Hut nimmt und jemand Neues kommt, der das Unternehmen durchkehrt", sagte der ehemalige Telekom-Vorstand und frühere Continental-Manager Thomas Sattelberger den Zeitungen der "Funke Mediengruppe". Winterkorns Konzern habe Verbraucher und Politik "betrogen".

Zuvor hatte bereits der Duisburger Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer dem VW-Chef einen Rücktritt nahegelegt. Als direkter Verantwortlicher für Forschung und Entwicklung habe der Vorstandsvorsitzende entweder von den Manipulationen gewusst, oder er sei ahnungslos und habe seinen Geschäftsbereich nicht im Griff, sagte Dudenhöffer der "Frankfurter Rundschau". "In beiden Fällen würde ich sagen, dass Winterkorn an der Konzernspitze nicht mehr tragbar ist." Der einflussreiche VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh betonte dagegen, dass er zu Winterkorn stehe. Falls herauskommen sollte, dass Winterkorn persönlich an dem Abgas-Skandal beteiligt sei, würde der Vorstandschef von sich aus zurücktreten, so Osterloh.

ago/jj/uh (rtr, dpa, afp)