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Druck statt Schuldsuche

Peter Philipp31. März 2002

Die internationale Gemeinschaft muss Israelis und Palästinenser zwingen, die Gewalt zu beenden. Allein ist keine der beiden Seiten zum Einlenken fähig, betont Peter Philipp.

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Der Amtsvorgänger Ariel Scharons, der glücklose Ehud Barak, versichert, dass er in der gegenwärtigen Situation vielleicht noch härter durchgegriffen hätte als sein Nachfolger es tut. Und er spricht vermutlich vielen Israelis aus dem Herzen. Denn sie hatten in letzter Zeit mit wachsender Unruhe und Besorgnis miterlebt, wie es ihrem Regierungschef immer weniger gelang, sein Wahlversprechen von vor vierzehn Monaten einzulösen – nämlich Ruhe und Ordnung wiederherzustellen und allem voran: Sicherheit.

Aber mit Gefühlen allein darf auch im Nahen Osten nicht Politik betrieben werden. Es ist allen Beteiligten auf beiden Seiten doch im Grunde längst klar, dass Gewalt nur Gegengewalt erzeugt und den Frieden – wenn er denn überhaupt noch eine Option für das gottverlassene Heilige Land ist – in immer weitere Ferne schiebt.

Dabei hatte man vor der jüngsten Eskalation eigentlich einigen Grund zu vorsichtiger Hoffnung gehabt: Washington schien aus seiner Nahost-Lethargie zu erwachen und die Vermittlung zwischen Israelis und Palästinensern zu intensivieren und die Arabische Liga stellte Israel Frieden und Anerkennung für die Aufgabe der besetzten Gebiete in Aussicht.

Makulatur, noch bevor die Druckerschwärze getrocknet war: Denn es wurde weiter gebombt und weiter Vergeltung geübt. Tägliche Selbstmordanschläge schienen den Israelis zu beweisen, dass ihre Regierung das Friedensangebot der Arabischen Liga mit Recht nicht spontan begrüßt und akzeptiert hatte. Der Angriff auf das Hauptquartier Yasser Arafats und eine mögliche Ausweitung der militärischen Aktionen auf weitere Ziele können aber nicht die Antwort sein.

Arafat spielte sicher eine unrühmliche Rolle in den letzten Tagen: So vermied er es bis wenige Stunden vor dem israelischen Angriff, zum Waffenstillstand aufzurufen und so versuchte er, den Angriff auf sein Hauptquartier als Angriff auf das palästinensische Volk und sich selbst als Märtyrer darzustellen. Bis seinem Handy der Strom ausging und er wirklich zur tragischen Figur wurde: Umringt von israelischem Militär und unfähig, noch irgend etwas zu entscheiden oder zu bestimmen.

"Isoliert" hatte Scharon das genannt. Der israelische Premier ist gut im Erfinden neuer Schlagworte: Zunächst erklärt er Arafat zur "irrelevanten Person", jetzt zum "Feind", der "isoliert" werde. Was Scharon freilich nicht einfällt, das wäre eine Formel, wie man – mit oder ohne Arafat – mehr Sicherheit erlangen könnte. Im Gegenteil: Die Anschläge nehmen zu und werden in dieser schnelllebigen Welt rasch mit dem Vorgehen des Militärs entschuldigt oder auch mit der Besatzung.

Bisher wurde mit Recht immer gesagt, dass ein Frieden in Nahost zunächst einmal den guten Willen beider Seiten voraussetze. Solch guter Wille ist in diesen Tagen in keiner Weise zu erkennen und trotzdem - oder deswegen erst recht – muß etwas für den Frieden getan werden. Jetzt ist das Ausland aufgerufen: Zuerst die USA, dann die UNO, schließlich auch Europa und die Arabische Liga. Sie sind aufgerufen, beide Parteien zum Einhalt zu zwingen und sie dürfen sich nicht – wie so oft – darauf beschränken, nach Schuldigen zu suchen.

Schuldig nämlich sind beide Seiten. Jeder Tag, jede Stunde und jeder Tote – gleich auf welcher Seite – erhöht diese Schuld, nicht für den Frieden getan zu haben.