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Dschibuti: Der Krisengewinner

Dirk Bathe2. Oktober 2006

Klein aber fein – das erinnert nicht ganz zu Unrecht an das Image der Schweiz. Auch wenn der Kleinstaat Dschibuti wirtschaftlich weit von europäischen Verhältnissen entfernt ist, pflegt er eine neutrale Politik.

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Ein dschibutischer Soldat schaut auf die deutsche Fregatte "Köln" an der Küste des LandesBild: AP

Mit rund 640.000 Einwohnern leben in Dschibuti gerade einmal so viele Menschen wie in Frankfurt am Main. Trotzdem ist der Kleinstaat noch eines der bekannteren unter den Ländern am Horn von Afrika. Vor allem, weil hier die Basis der deutschen Flotte in der Anti-Terror-Operation "Enduring Freedom" ist. Seit 2002 versuchen von hier aus deutsche Marineeinheiten den Schmuggel von Waffen zu verhindern. In Dschibuti ist außerdem seit 2003 das Hauptquartier der US-Armee am Horn von Afrika – was nicht nur der politischen Bedeutung des Landes einen gewaltigen Schub verpasst hat, sondern auch der Wirtschaft. Die amerikanische Hilfsorganisation USAID hat ihr Büro wiedereröffnet und investiert jährlich 25 Millionen Dollar in Gesundheits- und Erziehungsprojekte. Auch der Europäische Entwicklungsfond unterstützt Dschibuti mit 29 Millionen Euro jährlich, dazu kommen noch Hilfen aus der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich. Warum aber ist Dschibuti so beliebt?

Aufschwung Ost

Dass Dschibuti für Militärs so überaus attraktiv ist, liegt an seiner geostrategischen Position. Dschibuti ist ein Küstenland im Nordosten des Horns von Afrika. Von der Küste aus kann die Schifffahrt im Roten Meer und im Golf Aden kontrolliert werden, der Jemen liegt gegenüber der Stadt Khor Angar fast in Rufweite, getrennt nur durch einige Kilometer Salzwasser. Dass Dschibuti aber auch in der internationalen Diplomatie einen Guten Ruf hat, lässt sich auf die politische Entwicklung seit Ende der 1990er Jahre zurückführen.

Flüchtlinge in Somalia
Flüchtlinge aus Somalia bilden ein großes Problem für die wirtschaftliche Entwicklung in DschibutiBild: AP

Seit Mai 1999 ist Ismail Guelleh Präsident der Republik. Und mit Guelleh entwickelte Dschibuti eine klare innen- und außenpolitische Linie. Nach Innen: Überbrückung ethnischer Konflikte, dezentralisierte Machtverteilung (etwa durch neu eingeführte Regionalwahlen) und eine deutliche Verbesserung der Menschenrechtslage. Noch immer bleiben wichtige Kritikpunkte offen, etwa die Lage der Frauen und ein schwaches Justizwesen. Aber anders als etwa in Somalia oder Äthiopien konnten die grundsätzlichen Probleme – das Denken in und Handeln nach ethnischen Kategorien weitgehend gelöst werden.

Positive Neutralität

Außenpolitisch ist der Zwerg am Horn von Afrika ein Riese. Geprägt von Slogans wie "gute Nachbarschaft", "neue Wirtschaftsordnung" und "positive Neutralität" versucht die Regierung unter Präsident Guelleh, eine aktive Rolle im Ausgleich zwischen den verfeindeten Nachbarstaaten zu übernehmen. Mit Äthiopien, der Hegemonialmacht in der Region, verbinden Dschibuti starke wirtschaftliche und politische Bande. Ein Beispiel: 85 Prozent des äthiopischen Außenhandels werden über den Hafen Dschibuti abgewickelt.

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Der Hafen von DschibutiBild: dpa

Auch das Verhältnis zu Eritrea – dem Erzfeind Äthiopiens – hat sich in den vergangenen Jahren wieder gebessert. Das eröffnet Möglichkeiten des Vermittelns, die von Dschibuti auch genutzt werden. In Somalia bemüht sich Dschibuti um eine aktive Versöhnungspolitik, das Land war aktiv an der Bildung der Übergangsregierung beteiligt. Außerdem gilt Dschibuti als Brückenkopf zwischen der arabischen und afrikanischen Welt – mit dem Effekt, dass reiche arabische Länder die Entwicklungsprozesse finanziell fördern.

Offen für Globalisierung

Dschibuti ist auch Sitz der IGAD, der regionalen Entwicklungsbehörde der Afrikanischen Union. Und in der Union ist das Land ein permanenter Störenfried – denn es verlangt mit Nachdruck eine mentale Erneuerung Afrikas auf wirtschaftlichem Gebiet. Unter dem Begriff "Neue Wirtschaftsordnung" unterstützt es eine liberale Marktordnung, mehr Eigenverantwortlichkeit und die Öffnung nach Außen – bei gleichzeitiger Wahrung religiöser und kultureller Traditionen. So gelingt Dschibuti das Kunststück, nicht nur bei Vertretern der USA und der EU auf positive Resonanz zu stoßen, sondern auch bei den islamischen Brüdern in der arabischen Welt.

Belastung durch Flüchtlinge

Gerade die Attraktivität des Landes sorgt auch für ein Problem: Etwa 50.000 Somalis sind vor den kriegerischen Auseinandersetzungen in ihrer Heimat nach Dschibuti geflohen, dazu kommen Wirtschaftsmigranten aus Äthiopien, die in Dschibuti bessere Perspektiven für sich sehen. Die Regierung begegnet dem Problem mit gelegentlichen Großaktionen wie 1993, als tausende Illegaler ausgewiesen wurden.