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Berufsausbildung in der EU

Sabrina Pabst2. Juli 2013

Die Bildungssysteme in der EU sind unterschiedlich. Fachkräfte werden händeringend gesucht - gerade deshalb steht die Berufsbildung europaweit auf dem Prüfstand. Praxisbezug und Mobilität sollen gefördert werden.

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Dachdecker-Azubi mit Kollegen bei der Arbeit auf einem Hausdach (Foto: picture alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Die Bildungspolitik legt jedes einzelne Vertragsland der Europäischen Union selbst fest. Eine sogenannte duale Ausbildung gibt es beispielsweise in Deutschland, Österreich oder der Schweiz. Diese verbindet theoretisches Lernen in der Schule mit einer langen praktischen Phase in einem Unternehmen. Bei Ausbildungssystemen in Ost- oder Südeuropa hingegen bekommen junge Leute nur durch den schulischen Unterricht ein Berufszertifikat. In anderen Mitgliedsländern wiederum findet die Berufsausbildung in einem einzigen Betrieb statt. Das Problem hierbei: Viele betriebliche Ausbildungen sind zu spezifisch. Das Erlernte lässt sich dann oft schwer auf andere Arbeitsplätze übertragen.

Die unterschiedlichen Ausbildungssysteme verkomplizieren die EU-weite Suche nach qualifizierten Bewerbern. Für Unternehmen müssten die Inhalte der beruflichen Ausbildung und der Ausbildungsabschlüsse innerhalb der EU vergleichbar sein. Nur so kann dann ein junger Bürger überall in der EU arbeiten.

Theorie Note eins, Praxis sechs

"Deutsche Investoren sehen bei der schulischen Berufsausbildung in der EU Schwierigkeiten", berichtet Karl Brenk vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). "In der Tschechischen Republik stellt man fest, dass Jugendliche zwar einen Schulabschluss haben, in den Betrieben aber erst weiterqualifiziert werden müssen, damit sie ihren Job ausüben können." Das sei ein Nachteil für viele Untenehmer, die frisch ausgebildete Fachkräfte einstellen wollen: "Dadurch entstehen weitere Kosten für die Unternehmen." Im Interview mit der Deutschen Welle fordert Brenk, dass es auf der europäischen Ebene zu einer Verallgemeinerung der Berufsbildungspolitik kommen müsse. Ein stärkerer Praxisbezug sei dabei besonders wichtig. Doch so eine Reform sei nicht Aufgabe der EU. Jedes Land müsse sich schrittweise an EU-Standards annähern und länderspezifische Beschränkungen abbauen.

Schülerinnen und Schüler der Abteilung Informations-Technik an der Technischen Berufsschule Zürich (Foto: picture alliance/dpa)
Berufseinsteiger ohne eine praxisbezogene Ausbildung haben es auf dem Arbeitsmarkt schwerBild: picture-alliance/dpa

Die EU hat in Sachen Bildungspolitik keine gesetzgebende Kompetenz. Sie kann lediglich eine Annäherung der Ausbildungsinhalte herbeiführen oder die Voraussetzungen für Diplome oder Ausbildungsabschlüsse regeln.

"An die Bedürfnisse der Wirtschaft anpassen"

Steffen Bayer, Leiter des Berufsbildungsexports der Deutschen Industrie- und Handelskammer weiß, warum das duale Ausbildungssystem, das in Deutschland praktiziert wird, ein Exportschlager ist: "Es gibt in Deutschland eine gute Zusammenarbeit von Wirtschaft und Staat. Die Unternehmen nehmen selbst die Berufsausbildung in die Hand. Sie engagieren sich und werden damit in die Lage versetzt, Inhalte der Berufsbilder mitzugestalten." Die Vorteile dieser Zusammenarbeit seien eindeutig: "Die jungen Leute werden passgenau für die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes qualifiziert."

Dieses betrifft nicht nur den Lerninhalt, sondern auch die Anzahl der Auszubildenden. "Wenn Unternehmen in einem bestimmten Tätigkeitsbereich Fachkräfte brauchen, dann bieten sie Ausbildungsplätze an. Wo keine Nachfrage ist, da findet auch weniger betriebliche Ausbildung statt", so Steffen Bayer.

Steffen Bayer, Deutscher Industrie- und Handelskammertag (Foto: DIHK)
Steffen Bayer: "Aus der Praxis für die Praxis ausbilden"Bild: DIHK

Jugendarbeitslosigkeit: am Bedarf vorbei ausgebildet

Bei einer rein schulischen Ausbildung fernab von Betrieben könne dieser Bedarf nicht erkannt werden. Steffen Bayer sieht hier die Hauptursache für unterschiedlich hohe Arbeitslosenquoten: in den strukturellen Unterschieden zwischen dem vollzeitschulischen und dem dualen Ausbildungssystem. Auch vor Ausbruch der Krise in Südeuropa lag die Jugendarbeitslosigkeitsquote dort deutlich höher als in Deutschland. "Das sind strukturelle Herausforderungen. Unsere Empfehlung ist ganz klar, dass man die Unternehmen selbst die Berufsausbildung organisieren lässt." Der Staat habe die Aufgabe, die entsprechenden Rahmenbedingungen so zu setzen, dass Anreize für die Wirtschaft erzeugt würden.

Für eine Reform der nationalen Ausbildungssysteme müsse die Wirtschaftslage stabil sein, so Steffen Bayer im DW-Interview. "In Ländern, in denen die Unternehmen ums Überleben kämpfen und eigentlich Personal abbauen, wird es schwierig, sie dazu zu motivieren, zukunftsorientierte Berufsausbildung anzubieten." Das koste im Zweifel noch zusätzlich Geld, so Bayer.

Duale Ausbildung als Chance

Dass es vor allem Aufgabe der nationalen Regierungen sei, den Berufsstart von Jugendlichen zu verbessern, dem stimmt Karl Brenk vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung zu. Karl Brenk sieht in der dualen Ausbildung einen klaren Vorteil für Berufseinsteiger: "Wir haben hier einen gleitenden Übergang und den gibt es in vielen Ländern nicht. Dort kommen die Jugendlichen von der Schule und müssen mit älteren Personen konkurrieren, die schon in einem oder mehreren Betrieben gearbeitet haben."

Die hohe Jugendarbeitslosigkeit in der Europäischen Union zeige, dass selbst gut ausgebildete junge Erwachsene nicht ausreichend Chancen geboten werden, um sich auf dem internationalen Arbeitsmarkt durchsetzen zu können. Die praxisorientierte Ausbildung werde in der EU immer wichtiger, betont Steffen Bayer von der DIHK. In Portugal haben die Auslandshandelskammern, die dort mit deutschen Unternehmen duale Berufsaublidung anbieten, mit Berufsschulen vor Ort zusammengearbeitet. "Es war so erfolgreich, dass in Portugal 90-95 Prozent der Absolventen dieser Ausbildungsgänge in den Arbeitsmarkt übergingen", schwärmt Bayer.

Wirtschaftsforscher Karl Brenke (Foto: Anna Blancke, DIW Berlin)
Karl Brenke: "Die hohe Jugendarbeislosigkeit zeigt strukturelle Probleme im Ausbildungssektor"Bild: Anna Blancke, DIW Berlin

Karl Brenk kritisiert vor allem die fehlenden Angebote für eine berufliche Mobilität innerhalb der EU. Es gebe wenige Kooperationen, was die grenzüberschreitende Migration von Arbeitskräften betrifft. Hier solle die EU stärker Initiative ergreifen. Vor allem, um den Jugendlichen bessere Informationen zur Verfügung zu stellen: Wo sind Möglichkeiten für einen Job, der Zukunft hat? Wo kann man sich ausbilden lassen? Denn der gemeinsame wirtschaftliche Erfolg der Europäischen Union hängt vor allem von einer gut ausgebildeten Bevölkerung ab.