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Duldet Deutschland Kidnapping?

Udo Bauer25. Februar 2002

Deutsche Scheidungsrichter verbieten ausländischen Elternteilen immer wieder mal, ihre Kinder zu besuchen. DW-TV-Korrespondent Udo Bauer über ein zunehmendes Problem für die deutsch-amerikanischen Beziehungen.

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Deutsche Gerichte sind unabhängig - auch vom Willen eines Bundeskanzlers. Schröder ist Pragmatiker. Als solchen wird es ihn sicher ärgern, dass deutsche Richter weiterhin Sorgerechtsurteile fällen können, die dem gesunden Menschenverstand widersprechen.

Einige höchstrichterliche Sprüche sind in der Tat haarsträubend. Da ist zum Beispiel der Fall des Amerikaners Joseph Cooke. Er war verheiratet mit einer Deutschen, lebte mit ihr und zwei Kindern in den USA. Quasi über Nacht reiste die Frau mit ihren Kindern nach Deutschland, erlitt einen Nervenzusammenbruch, musste sich in psychiatrische Behandlung begeben. Doch statt die Kinder in die Obhut des (nicht geschiedenen!) Vaters zu geben, entschied ein deutsches Gericht, dass es besser sei, die Kinder zu Pflegeeltern zu geben. Cooke hat trotz jahrelanger Prozesse immer noch kein Besuchsrecht.

Auch die Kinder der Französin Catherine Meyer wurden vom deutschen Vater in die Bundesrepublik 'verschleppt'. Das war 1994. Seitdem hat Catherine Meyer, mittlerweile mit dem britischen Botschafter in Washington verheiratet, ihre Kinder insgesamt nur ein paar Stunden gesehen. Bis zum Jahr 2003 wurde ihr das Besuchsrecht verweigert. Oftmals geschieht dies mit der Begründung, die Kinder könnten durch den Besuch des Elternteils aus Übersee traumatisiert werden.

Profis versus Provinz

Amerikaner können - zurecht, wie ich finde - solche Urteile deutscher Richter nicht begreifen. Das US-Scheidungsrecht sieht in der Regel vor, dass sich Vater und Mutter zu gleichen Teilen um ihre Kinder kümmern dürfen. Die Aufstellung einer Besuchsregelung gelingt den geschiedenen Eltern (und nicht zuletzt deren Kindern) meistens ohne Einmischung eines Richters.

Zur Ehrenrettung deutscher Scheidungsrichter muss allerdings gesagt werden, dass sie sich die allermeisten, wie ihre amerikanischen Kollegen auch, darum bemühen, eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung zu finden. Doch die Frage ist: Muss wirklich jeder Provinzrichter über multinationale Scheidungsfälle entscheiden? Wäre es nicht sinnvoller, dass nur ein paar Richter, und zwar solche, die sich zu internationalen Experten fortbilden, über diese komplizierten Fälle richten dürfen? Und: Ist es so schwer, so etwas gesetzlich zu verankern?

'Terroristische Akte'

Nun zur Kehrseite der Diskussion: Sally Quinn ist Reporterin bei der 'Washington Post' und gleichzeitig im Vorstand einer Organisation, die sich mit internationalen Sorgerechtsfällen auseinandersetzt. Sie heißt sinngemäß übersetzt "Entführte Eltern und Kinder". In einem Kommentar beschrieb sie, offenbar in emotionaler Erregung, die oben geschilderten 'Horrorstories' als 'Kidnappings', als 'Menschenrechtsverletzungen' und schließlich gar als 'terroristische Handlungen'.

Starke Worte, die ein wenig übers Ziel hinausschießen, die aber eines zeigen: Die Situation der Betroffenen ist hochgradig emotional aufgeladen, und die Ungeduld über die deutsche Unfähigkeit, zumindest die Härtefälle zu lösen, wächst. Letzter Gedanke: Ist es nicht auch im deutschen Interesse eine Neuregelung zu finden? Man stelle sich einmal vor, was bei uns los wäre, wenn Kinder aus dem Land entführt würden und US-Richter sich so gerierten wie einige bei uns.