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22 Mal Berlinale

Jochen Kürten
4. Februar 2010

Das Geburtstagskind bekommt ein Geschenk. Die Berliner Filmfestspiele werden 60 und sind nun auch auf DVD zu sehen. Zumindest viele Filme aus der Vergangenheit des Festivals.

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Roman Polanski zeigt bei Dreharbeiten mit dem Finger in eine Richtung (Foto: Bernd Wüstneck dpa/lmv/lbn)
Roman Polanski bei den Dreharbeiten zu "Ghost Writer"Bild: dpa

Als ein junger polnischer Regisseur im Sommer des Jahres 1965 seinen zweiten Spielfilm im Wettbewerb der Berlinale vorstellte, da ahnte noch kaum jemand etwas vom kommenden Welterfolg dieses Filmemachers. Und auch die blutjunge Hauptdarstellerin war gerade erst auf dem Weg zum Starruhm in ihrer Heimat Frankreich. Der Regisseur hieß Roman Polanski, die Schauspielerin Catherine Deneuve und der Film "Ekel" ("Repulsion") und gewann zum Abschluss der Festspiele einen Silbernen Bären.

22 Filme aus 60 Jahren

Der auch heute noch erschütternde Film ist einer von 22 Wettbewerbsbeiträgen aus sechs Jahrzehnten Festivalgeschichte. Verpackt in einem schicken Schuber wird die DVD-Edition von der "Süddeutschen Zeitung" rechtzeitig zur 60. Berlinale auf den Markt gebracht. Bei soviel Auswahl - jeweils über 20 Filme wurden Jahr für Jahr im Wettbewerb um den Goldenen und die Silbernen Bären gezeigt - musste die Auswahl schwer fallen. So hat man bei den 22 Filmen auf Nummer Sicher gesetzt. Große Überraschungen sind nicht dabei, die einzelnen Filme sind in der Regel schon vorher auf DVD erschienen.

Cover der DVD "Ekel" mit Foto Catherine Deneuve (SZ)
"Ekel" von Polanski

Trotzdem hat es einen ganz eigenen Reiz das wichtigste deutsche Filmfestival in einer solchen Form noch einmal Revue passieren zu lassen. Auch wenn die Berlinale meist im Schatten des hochkarätigen Cannes stand, die nun vorliegenden Filme können sich sehen lassen. Große Regisseure wie Francois Truffaut ("Der Mann, der die Frauen liebte"), Martin Scorsese ("Die Farbe des Geldes") oder Milos Forman ("Larry Flynt - Die nackte Wahrheit") sind dabei, auch Programmkinohits neueren Datums wie "Erdbeer und Schokolade" oder "Italienisch für Anfänger".

Deutschland mit Wolf und Petzold

Der deutsche Film ist mit dem DDR-Erfolg "Solo Sunny" (Regie: Konrad Wolf) und Christian Petzolds "Gespenster" vertreten, ein Ost- und ein Weststreifen, was allerdings nur einen schwachen Eindruck davon gibt, wofür dieses Festival einmal stand. In Zeiten des Kalten Krieges war die Berlinale eine der wichtigsten Kulturbörsen der Welt. Lange Zeit konnten DDR-Bürger Berlinale-Filme im Westen sehen, viele Werke aus dem Osten wurden im Westteil der Stadt zum ersten Mal aufgeführt. Um manche Filme gab es scharfe Auseinandersetzungen, die Politik stand nicht selten im Mittelpunkt des Festivals.

Berlinale-Bär und Schuber mit 22 Filmen (SZ)
22 Berlinalefilme

Leider hat man bei der "Süddeutschen Zeitung" darauf verzichtet, diese Festivalvita auf DVD zu spiegeln. Spannend etwa wäre die Wiederbegegnung mit den zahlreichen hochinteressanten Filmen aus osteuropäischen Staaten und der Sowjetunion gewesen - aus den Zeiten, als die Mauer noch stand und die Botschaften der Filmemacher aus Prag, Budapest und Moskau höchst subtil zu den westlichen Zuschauern gelangten. Ebenso interessant wäre aber auch das Wiedersehen mit einigen Regisseuren aus dem Westen ausgefallen, die nicht die Popularität eines in der Edition nun vertretenen Oliver Stone oder eines Clint Eastwood haben.

Mode Gestern und Heute

Bei DVD-Anbietern ist das wohl auch immer eine Frage der (Lizenz-)Rechte, zu vermuten ist allerdings eher, dass man beim Verlag mit der "Berlinale-Edition" an frühere Verkaufserfolge in Sachen DVD anknüpfen wollte. Doch auch so kann man sich den einen oder anderen Film mit großem Gewinn anschauen. Verblüffend etwa wie "Die Farbe des Geldes" von US-Starregisseur Martin Scorsese (1986) bei aller Raffinesse der Regie und Kamera gealtert ist. Man muss sich nur die Frisur von Tom Cruise, die Brille von Paul Newman oder die Kleidung der weiblichen Hauptdarstellerin Mary Elisabeth Mastrantonio vor Augen führen, um festzustellen, dass ein Vierteljahrhundert für einen Film sehr lang sein kann. Mode und Design haben seitdem einen Quantensprung gemacht.

Cover der DVD "Die Farbe des Geldes" mit Foto Paul Neman, Tom Cruise und M.E. Mastroiani (SZ)
"Die Farbe des Geldes" von Scorsese

Ebenso verblüffend dagegen, wie der über 20 Jahre ältere Polanski-Film "Ekel" noch in die heutige Zeit passt. Das Swinging London der 1960er Jahre (Polanski drehte den Film in der britischen Hauptstadt) hat nichts von seiner Faszination auch für den heutigen Zuschauer eingebüßt. Die Anzüge der Darsteller wirken ebenso modern wie das Outfit der Deneuve, das Setting und die Ausstattung haben kaum Patina angesetzt. Das mag in dreißig Jahren möglicherweise anders sein, wenn uns die 1980er Jahre vielleicht wieder näher sind. Doch zumindest diese Momentaufnahme fällt faszinierend aus. Und in Sachen Polanski und Scorsese hat das Redaktionsteam der Süddeutschen Zeitung zudem eine gute Nase bewiesen. Beide Filmemacher zeigen ihre neusten Werke im Wettbewerb der Berlinale 2010, von Polanski ist sein in Deutschland gedrehter Thriller "Ghost Writer" zu sehen, Scorsese kommt mit seinem Gefängnisdrama "Shutter Island".

Die Edition der Süddeutschen Zeitung umfasst 22 Filme, pro Film 8 Euro.

Autor: Jochen Kürten

Redaktion: Manfred Götzke