1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Edelweiß unterm Hakenkreuz

29. November 2011

Der Titel "Berg Heil!", den die Ausstellung im Alpinen Museum in München trägt, verrät viel über das nationalistische Gedankengut, das seit den 20er Jahren auch die Freizeit prägte.

https://p.dw.com/p/13IMn
Ausstellung "Berg Heil" des Alpenvereins in München: Ernst Grob auf dem Gipfel des Nepal Peak. Selbst hier durfte die Hankenkreuzfahne nicht fehlen. (Foto: Ludwig Schmaderer)
Ausstellung "Berg Heil"Bild: Ludwig Schmaderer/Archiv des Deutschen Alpenvereins,München

So unpolitisch uns heute eine Mitgliedschaft im DAV, dem Deutschen Alpenverein, erscheint, so wenig war sie das in den 20er Jahren und danach. Nationalsozialistisches Gedankengut und die Ziele der Bergsportler schienen sich perfekt zu ergänzen: Helden am Berg, die mit Ausdauer, Härte und Leistung Gipfel eroberten, hatten auch Vorbildcharakter für das Menschenbild, das Adolf Hitler formen wollte. Schon vor der Machtergreifung war der Alpenverein Teil einer nationalistischen Bewegung.

Berghütten "nur für Arier"

Der Alpenverein beschäftigt sich mit dem dunklen Kapitel der eigenen Vereinsgeschichte zwischen 1918 und 1945. Der Titel :"Berg Heil!", den die Ausstellung im Alpinen Museum in München trägt, verrät viel über das nationalistische Gedankengut, das ab den 20er Jahren auch die Freizeit prägte. Juden und Mitglieder des Vereins Donauland sind hier nicht erwünscht. Anschlag an Alpenvereinshütten in den 1920er Jahren, Archiv des Österreichischen Alpenvereins.
Anschlag an AlpenvereinshüttenBild: Archiv des Oesterreichischen Alpenvereins, Innsbruck

Die Aufnahmebestimmungen nicht weniger Vereinssektionen enthielten in den 20er Jahren Sätze wie diesen: "Die Aufnahme von Mitgliedern ist auf Alpenfreunde arischer Abstammung beschränkt." Und ergänzt wurde diese Vorgabe noch durch ein "Damen können nicht aufgenommen werden." Solche Kriterien führten zunächst dazu, dass die Sektion Donauland, die auch jüdische Bergfreunde und deren Sympathisanten aufnahm und die sich als Bastion gegen den antijüdischen Trend innerhalb des Vereins verstand, immer größer wurde. 1924 wurde die Sektion allerdings auf Druck der deutschvölkischen Sektionen und um eine Spaltung des Vereins zu verhindern aus der Organisation ausgeschlossen.

"Damit", so die Direktorin des Alpinen Museums in München, Friederike Kaiser, "hatte der Alpenverein seinen antisemitischen Stempel bekommen - lange Zeit vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten." Eine zeitgenössische Karikatur kommentiert dies bissig: Die Berghütte ist mit Hakenkreuz und Edelweiß geschmückt, die Gäste im zünftigen Bergsteiger-Look haben Eselsohren. Dazu die Textzeile: "So, jetzt sind wir endlich unter uns. Sittliche Kraft durch bergsteigerische Arbeit".

In der Ausstellung "Berg Heil!", die im Alpinen Museum die Geschichte des Alpenvereins von 1918 bis 1945 erzählt, versucht man mit Dokumenten, Geschichten und Bildern dieses dunkle Kapitel der eigenen Vergangenheit aufzuarbeiten. Es ist ein schwieriger Weg, denn der im 19. Jahrhundert gegründete Verein, der damals noch "Deutscher und Österreichischer Alpenverein" hieß und inzwischen seinen hundertsten Geburtstag feiert, ist nicht einfach ein Mitläufer gewesen in einer Gesellschaft, in der alle braun zu sein hatten. Die Ideale und Ideen einer Bergsteigergeneration zu Beginn des vorigen Jahrhunderts waren wegbereitend und auch Nährboden für die Nationalsozialisten und ihre Ideologie.

Die drei Alpenvereine in Deutschland, Österreich und Südtirol haben gemeinsam die Geschichte des damaligen "Deutschen und Österreichischen Alpenvereins" vom Ende des Ersten bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges wissenschaftlich bearbeitet. In der Ausstellung findet sich ein Schlüsselsatz, der beschreibt, dass der Bergsport in der Zwischenkriegszeit, nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg, mehr sein wollte als einfach eine Freizeitbeschäftigung. "Eines der wichtigsten Mittel, um die sittliche Kraft des deutschen Volkes wiederherzustellen, ist der Alpinismus und zwar in der Form der bergsteigerischen Arbeit." Das empfahl die Hauptversammlung des Alpenvereins, der damals noch staatenübergreifend war.

Extremkletterer und Freizeit-Alpinisten

Abenteuerliche Expeditionen, der Heldenepos von unerschrockenen Bergvagabunden oder die Nordwand-Erstbesteigungen, für die in den 1930er Jahren Goldmedaillen bei den Olympischen Spielen verliehen wurden, sind es, die das Bild alpiner Höchstleistungen in der damaligen Zeit prägen. Der Mythos vom ewigen Eis und von schier unbezwingbaren Wänden, die immer neue Herausforderer fanden, die sich todesmutig der Gefahr aussetzten und dafür als "Helden" gefeiert wurden, waren für Medien und Film Themen, die zur nationalsozialistischen Propaganda passten. Vor allem über die Expeditionen zum Himalaya-Achttausender Nanga Parbat, dem "deutschen Schicksalsberg", wurde ausführlich berichtet.

Anna Michaelis auf dem Gipfel der "Königsspitze", 1928 (Foto: Archiv des Deutschen Alpenvereins, München)
Auf dem Gipfel der "Königsspitze", 1928Bild: Archiv des Deutschen Alpenvereins

Parallel dazu wurde die Bergwelt der Alpen aber auch ein immer beliebteres Ausflugsziel. Bergsteiger und Wanderer fuhren mit dem Fahrrad oder dem Zug Richtung Berge. Auf der Alpenvereinshütte angekommen, kochte man die selbst mitgebrachten Kartoffeln oder Makkaroni. Ein erster Ansturm des Massentourismus auf die Alpen begann in den 1920er und 1930er Jahren und damit die Bemühungen des Alpenvereins, hier die Natur vor allzu großen Eingriffen wie dem Bau von Liften und Bergbahnen zu schützen.

Nicht zuletzt einige Kuriositäten am Rande erfährt der Besucher der Ausstellung: Südtirol und seinem Sonderstatus nach dem Ersten Weltkrieg ist dabei ein eigenes Kapitel gewidmet. Und auch die Grenze zwischen Deutschland und Österreich war keineswegs immer eine offene: 1933 bis 1936 wurde eine Einreisegebühr nach Österreich in Höhe von tausend Reichsmark erhoben. Für einige Jahre waren die Alpenvereinshütten im Nachbarland Österreich relativ leer, während die Häuser in Deutschland aus allen Nähten platzten.

Offener Umgang mit der eigenen Geschichte

Die Ausstellung "Berg Heil! Alpenverein und Bergsteigen von 1918 bis 1945" ist der nach außen sichtbare Teil des gleichnamigen mehrjährigen Forschungsprojekts, das die Alpenvereine in Deutschland, Österreich und Südtirol gemeinsam durchführten und für das sie die Vereinsarchive öffneten. Was bei den Recherchen ans Tageslicht kam, ist auch detailreich in einem mehr als 600 Seiten dicken und reich bebilderten Buch nachzulesen: die politische Geschichte des Alpenvereins und seine nationalsozialistische Prägung kommen darin ebenso vor wie die großen Expeditionen und berühmte Bergsteigerpersönlichkeiten.

Autorin: Renate Heilmeier
Redaktion: Gudrun Stegen