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Politik

Ehe für alle - ein Fall für Karlsruhe?

Christoph Ricking
3. Juli 2017

Die Ehe für alle ist beschlossen. Doch vor allem in der Union werden Stimmen laut, die die Gesetzesänderung für verfassungswidrig halten. Wie wahrscheinlich ist eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht?

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Deutschland Regenbogenfahne vor dem Brandenburger Tor in Berlin
Bild: picture-alliance/ZUMA Wire/O. Messinger

Es sind lediglich sieben Worte, doch für gleichgeschlechtliche Paare sind sie revolutionär. Im Eheparagraphen des Bürgerlichen Gesetzbuches hieß es bislang: "Die Ehe wird auf Lebenszeit geschlossen." Nachdem der Bundestag am Freitag die Ehe für alle beschlossen hat, wird daraus nun "Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen."

Doch reicht diese Ergänzung von §1353 BGB wirklich aus? Müsste nicht auch das Grundgesetz geändert werden? Die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Wer ist gegen die Ehe für alle?

Vor allem Politiker aus den Unionsparteien halten es nicht für ausreichend, das BGB zu ändern. Aus ihrer Sicht wäre eine Änderung von Artikel 6 des Grundgesetzes nötig. Darin heißt es: "Ehe und Familie stehen unter besonderem Schutze der staatliche Ordnung."

Insgesamt haben 225 Bundestagsabgeordnete von CDU und CSU gegen die Ehe für alle gestimmt, darunter auch einige Schwergewichte der Partei. Bundesinnenminister Thomas de Maizière etwa räumt einer Verfassungsklage gute Chancen ein. "Ich habe gegen dieses Gesetz gestimmt. Ein Grund dafür ist, dass wir aus meiner Sicht als Jurist dafür eine Verfassungsänderung gebraucht hätten", so der CDU-Politiker in der "Bild am Sonntag". Außerdem sei für ihn die Ehe "eine Verbindung zwischen Mann und Frau".

Thomas de Maizière Bundesinnenminister
Gibt einer Verfassungsklage gute Chancen: Innenminister Thomas de MaizièreBild: Getty Images/S. Loos

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, ebenfalls CDU, sieht das ähnlich. Angesichts der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei die Ehe eine Verbindung von Mann und Frau, sagte er dem Deutschlandfunk.

Auch Unionsfraktionschef Volker Kauder rechnet mit Beratungen der Verfassungsrichter in der Frage. Der Bundestag habe einen "recht unausgegorenen Gesetzentwurf" verabschiedet.

Wie sieht die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus?

Befürworter der Ehe für alle weisen darauf hin, dass im Grundgesetz nicht explizit von der Ehe als "Gemeinschaft von Mann und Frau" die Rede ist. Gegner wiederum verweisen auf die Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht. In seinen bisherigen Entscheidungen hat das Gericht deutlich gemacht, dass mit dem Begriff "Ehe" in Artikel 6 die Ehe zwischen Mann und Frau gemeint ist.

Ob das Verfassungsgericht die Ehe für alle deshalb kippt, ist allerdings fraglich. Die Karlsruher Richter haben in ihren bisherigen Urteilen immer wieder betont, dass der gesellschaftliche Wandel bei der Auslegung des Grundgesetzes berücksichtigt wird.

Was sagen Juristen?

Unter Juristen ist der Erfolg einer Verfassungsklage umstritten. Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, hält die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare für verfassungswidrig: "Wenn man die Ehe öffnen will, muss man das Grundgesetz ändern."

Die Karlsruher Richter hätten bis zuletzt in ihren Entscheidungen betont, dass eine Ehe im Sinne des Grundgesetzes nur die "Vereinigung eines Mannes mit einer Frau zu einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft ist". Der gewandelte Zeitgeist ändere dieses Verfassungsverständnis nicht, so Papier. Der frühere Präsident des Niedersächsischen Staatsgerichtshof Jörn Ipsen sieht das ähnlich. Mit dem Grundgesetzartikel 6 sei selbstverständlich die "Lebensgemeinschaft von Mann und Frau" gemeint.

Andere Juristen sehen dies anders. Joachim Wieland, Rektor der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer, ist der Ansicht, die Öffnung der Ehe durch eine einfache Gesetzesänderung verstoße nicht gegen die Verfassung. Das Grundgesetz definiere den Verfassungsbegriff der Ehe nicht.

Der Leipziger Staatsrechtler Christoph Degenhart bezweifelt, dass Karlsruhe "genug Standvermögen hat, sich dem gesellschaftlichen Trend zu widersetzen". Er halte es für vorstellbar, dass das Bundesverfassungsgericht "pragmatische Lösungen" suche. Das Gericht könne argumentieren, dass niemandem etwas genommen werde.

Deutschland Karlsruhe Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu NPD-Verbot
In der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht ist die Ehe eine Verbindung von Mann und FrauBild: Reuters/K. Pfaffenbach

Wer darf klagen?

Die Ehe für alle benachteiligt niemanden konkret, deshalb dürfen Privatpersonen nicht vor das Verfassungsgericht ziehen. Nur die Bundesregierung, ein Viertel der Bundestagsabgeordneten oder eine Landesregierung kann eine Überprüfung des Gesetzes in Karlsruhe beantragen. Für eine Verfassungsklage müssten also 158 Bundestagsabgeordnete klagen. Dies wäre denkbar, da 225 Abgeordnete gegen das Gesetz gestimmt haben. Denkbar wäre auch, dass eine der sieben unionsgeführten Landesregierungen in Karlsruhe klagt.

Die Ankündigung der AfD, eine Klage beim Verfassungsgericht zu prüfen, läuft hingegen ins Leere. Die Partei ist nicht klageberechtigt. Weder ist die AfD im Bundestag vertreten, noch ist sie Teil einer Landesregierung.

Seehofer lässt eine Klage prüfen

Ob die Karlsruher Richter am Ende wirklich über die Ehe für alle entscheiden, ist fraglich. Einerseits sprechen sich zahlreiche Schwergewichte in der Union dafür aus. Andererseits ist eine klare Bevölkerungsmehrheit für die Ehe für alle. Jeder Bundestagsabgeordnete wird sich im Bundestagswahlkampf daher genau überlegen, ob er den in diesem Fall eher unpopulären Gang nach Karlsruhe unterstützt. Auch die Kanzlerin wird wenig Interesse daran haben. Am wahrscheinlichsten ist, dass sich ein unionsgeführtes Bundesland an das Verfassungsgericht wendet.

Die bayerische Landesregierung lässt eine Klage gegen die "Ehe für alle" zumindest prüfen. CSU-Chef Horst Seehofer habe dies bei der gemeinsamen Vorstandssitzung von CDU und CSU in Berlin verkündet, berichtet die in Düsseldorf erscheinende "Rheinische Post". Man wolle Rechtsgutachten einholen, erklärte Bayerns Ministerpräsident demnach. Ob es vor der Bundestagswahl noch eine Entscheidung gebe, sei offen. Eine Prüfung könne "einige Monate" dauern.