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Eheringe für den Staat

Andreas Becker3. April 2015

Privaten Goldschmuck abgeben, um staatliche Schulden abzubauen - wer macht denn so etwas? Die Südkoreaner. Wäre das auch in Griechenland möglich?

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Eheringe (Foto: picture alliance)
Bild: picture alliance/Lehtikuva/M. Stig

Die Vorstellung, wertvolle Familienerbstücke herzugeben, um dem Staat bei der Rückzahlung seiner Schulden zu helfen, ist für viele Menschen unvorstellbar. Und doch haben viele Koreaner genau das getan - während der Asienkrise, die das Land 1997 an den Rand des Staatsbankrotts brachte.

Die Währung stürzte ab, Spekulationsblasen platzten, Unternehmen und Banken brachen unter der Last ihrer Schulden zusammen, Millionen Menschen verloren ihre Arbeit.

"Die Regierung hat uns im November über die Medien informiert, dass wir ein großes finanzielles Problem haben und uns dringend Geld leihen müssen", erinnert sich Kyoung-Suk Sung, damals Studentin und heute Gastprofessorin für Koreanistik an der Universität Bonn.

Kurz darauf gab der Internationale Währungsfonds (IWF) grünes Licht für den zu diesem Zeitpunkt größten Hilfskredit in seiner Geschichte: 58 Milliarden US-Dollar. Das Geld war mit harten Auflagen verbunden: Zinserhöhungen, Sparprogramme und Strukturreformen. Die Arbeitslosigkeit verdreifachte sich.

Erbstücke, Eheringe und Goldmedaillen

Die Koreaner sollten die Krise aber nicht nur erdulden. Die Regierung bat die Bürger, ab Januar 1998 privaten Goldschmuck abzugeben, um den Kredit schneller zurückzahlen zu können.

Millionen folgten dem Aufruf und gaben Erbstücke, Eheringe oder kleine Goldfiguren, wie sie in Korea traditionell zum ersten Geburtstag eines Kindes verschenkt werden, in den extra eingerichteten Sammelstellen ab. Sportler brachten Goldmedaillen und Trophäen.

"Diese Dinge sind ja mit schönen Erinnerung verbunden und sehr kostbar", sagt Sung. "Auch meine Eltern haben den Goldschmuck, den sie zu meinem ersten Geburtstag erhalten hatten, dort abgegeben." Die Familie ihrer Freundin habe den gesamten Inhalt der häuslichen Schmuckvitrine zur Sammelstelle getragen.

Das Ergebnis war beeindruckend. Innerhalb weniger Monate wurden 227 Tonnen Gold eingesammelt, im Wert von mehr als drei Milliarden US-Dollar, berichtete die Zeitung Hankyoreh. Die freiwillige Aktion trug dazu bei, dass Korea seinen Kredit beim IWF schon nach drei Jahren vorzeitig tilgen konnte.

Lehren für Athen

Taugt das koreanische Beispiel als Vorbild für das verschuldete Griechenland? Bedingt, glaubt der Ökonom Rolf Langhammer, der während der Asienkrise Vizepräsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft war. Schließlich habe Griechenland, im Gegensatz zu Korea, kein Problem mit den Devisenreserven.

"Aber der Kerngedanke ist schon richtig", sagt Langhammer. "Wir müssen Mittel aus dem privaten Sektor an den Staat übertragen, damit der Staat seinen Verpflichtungen nachkommen kann."

Das könne auf verschiedene Weisen geschehen. "Die beste Form ist die normale, nämlich Steuern zu zahlen", sagt Langhammer. Eine andere Möglichkeit wäre, dass sich der griechische Staat bei seinen Bürgern verschuldet, indem er ihnen Anleihen verkauft.

In Japan ist genau das der Fall, nur deshalb ist die gewaltige Schuldenlast dort überhaupt tragbar. Voraussetzung sei allerdings ein Vertrauen in den Staat. "Ich habe Zweifel, ob die griechischen Bürger dieses Vertrauen haben", sagt Langhammer. Hätten sie es, würden sie ihre Steuern bezahlen und nicht jeden Tag so viel Geld ins Ausland bringen.

Die Reformanstrengungen in Griechenland seien "eine nationale Aufgabe", so Langhammer. Hierbei gebe es ein großes Defizit: "Viele Menschen leben vom Staat, aber sie sind nicht bereit, dem Staat die entsprechenden Mittel zu geben. Das ist in Griechenland ein uraltes Problem."

Gemeinschaftsgefühl und Nationalismus

Die Koreanerin Sung hält es dennoch nicht für ausgeschlossen, dass sich die Griechen für die gemeinsame Sache ins Zeug legen. "Wenn alle Generationen in Griechenland dazu bereit sind, das Problem aus eigener Kraft zu lösen, dann schaffen sie das auf jeden Fall."

Kyoung-Suk Sung (Foto: DW)
Kyoung-Suk SungBild: DW/A. Becker

Die Bereitschaft ihrer Landsleute, im Notfall sogar privaten Goldschmuck abzugeben, führt sie auf das große Gemeinschaftsgefühl in Korea zurück. "Wir müssen unsere Probleme immer selbst lösen", sagt Sung.

Sie begründet das mit der Geschichte des kleinen Landes, das von weit stärkeren Mächten wie China und Japan umgeben ist. Dadurch habe sich eine besondere "Stärke und Energie" entwickelt, die allerdings nah am Nationalismus liege.

Die Goldsammel-Aktion während der Asienkrise war nicht die erste ihrer Art. Schon 90 Jahre zuvor, als Korea unter japanischer Herrschaft stand, sammelten Bürger Goldschmuck, um einen Kredit an die Kolonialmacht zurückzuzahlen.

Auch in Deutschland wurde das Goldsammeln zu dieser Zeit populär. Im Ersten Weltkrieg wurden die Bürger aufgefordert, Schmuck zur Finanzierung von Rüstungsprojekten abzugeben. "Gold gab ich für Eisen" lautete die Parole.

Der Spruch selbst ist noch älter. Er stammt aus dem Krieg der Preußen gegen Frankreich im Jahr 1813.