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Ehrgeizige Ziele von Volkswagen Argentinien

Steffen Leidel8. März 2005

Der argentinische Standort von Volkswagen steht in Lateinamerika im Schatten der großen Werke in Mexiko oder Brasilien. Dennoch spielt er eine Schlüsselrolle. Ein Gespräch mit dem Chef von VW-Argentina, Viktor Klima.

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VW-Fox aus dem Werk in CordobaBild: Steffen Leidel

Als Viktor Klima im Oktober 2000 Präsident von VW-Argentinien wurde, dachten viele, der ehemalige Bundeskanzler von Österreich (1997-2000) würde nun in der Versenkung veschwinden. Buenos Aires ist nicht nur mehr als 10.000 Kilometer von Wien entfernt. Es gilt zudem nicht gerade als das Zentrum der internationalen Automobilindustrie. Auch im Volkswagen-Konzern selbst spielt Argentinien eher die zweite Geige, steht im Schatten Brasiliens.

Herausforderung Argentinien

Victor Klima
Viktor Klima, österreichischer Ex-Bundeskanzler und VW-ManagerBild: Steffen Leidel

Dennoch beschwert sich der 57-jährige Klima nicht, im Gegenteil. Als Politiker auf dem Abstellgleis sieht er sich nicht und Langeweile kam in seinem Manager-Posten fernab der Heimat auch nicht auf. Kaum war er angetreten, stürzte Argentinien in die schwerste Wirtschaftskrise seiner Geschichte. "Ich habe auf dem Höhepunkt der Krise zu Herrn Piech (Anmerkung der Red.: damals VW-Chef) einmal gesagt: Herr Piech, ich hatte Sie um eine Herausfoderung gebeten, aber dass sie gleich so groß sein muss," sagt der österreichische Sozialdemokrat heute scherzhaft.

Getriebe für den Export

Als Argentinien sich Ende 2001 zahlungsunfähig erklärte, zogen viele ausländische Unternehmen ab. VW blieb, hatte man doch kurz zuvor noch 160 Millionen Dollar in das Werk in der Stadt Cordoba, 700 Kilometer westlich der Hauptstadt, investiert. Dort stellt der Konzern Getriebe für alle möglichen VW-Modelle her, 2004 waren es mehr als 500.000, Tendenz steigend. Das Werk dort kam bei der Krise eher glimpflich davon, sind doch 95 Prozent der Getriebe für den Export bestimmt, für die Fabriken in Brasilien, Mexiko, Südafrika, Spanien oder Deutschland. Export ist derzeitig die einzige Möglichkeit in Argentinien, Geld zu verdienen. Hier wirkte sich die Abwertung des Peso gegenüber dem Dollar um rund 70 Prozent positiv aus.

Allerdings musste auch VW durch ein tiefes Tal schreiten: Klima spricht von einem "sehr engagierten" Restrukturierungsprogramm zur Bewältigung der Wirtschaftskrise. 52 Prozent des so genannten "indirekten Personals" sei entlassen worden, eine kryptische VW-interne Umschreibung für jene Mitarbeiter, die nicht direkt bei der Herstellung eines Automobils beschäftigt sind, also zum Beispiel Personal in der Verwaltung und Buchhaltung.

Neues Auto kommt

Anfangs musste Klima die verschreckten Automanager in Wolfsburg beruhigen. "Da gab es schon die Sorge, dass es zu Produktionsausfällen kommen könnte", erzählt er. "Uns ist es aber gelungen, unsere Liefertreue unter Beweis zu stellen. Das hat dazu geführt, dass wir als Vertrauensbeweis die Genehmigung bekommen haben hier wieder zu investieren." Ende 2005 will VW Argentinien in seinem zweiten Werk, in Pacheco nahe Buenos Aires, ein neues Auto zu fertigen. Einzelheiten sind noch nicht bekannt.

Lesen Sie weiter, warum VW ausgerechnet in Argentinien investiert und was Viktor Klima persönlich an dem Land schätzt.

Wichtigster Arbeitgeber

Inzwischen sei die Krise überwunden, heute werde wieder eingestellt, betont Klima. VW ist mit seinen zwei Werken inzwischen im Automobilbereich mit insgesamt 2700 Mitarbeitern der größte Arbeitgeber in Argentinien. "Wir hatten im Jahr 2004 außerdem das beste Jahr in der Geschichte von VW Argentinien. Wir hatten mit 30 Prozent den größten Marktanteil im PKW-Bereich".

Die Fabrik in Cordoba gilt als Vorzeigewerk. Hier präsentiert die Geschäftsleitung nicht nur gerne die hochmoderne Fertigungsstraße, die neuste Umweltstandards einhält, sondern spricht auch stolz vom sozialen Engagement von VW. Das reicht von Praktikantenprogrammen bis hin zu Spendensammlungen für Straßenkinder.

Dennoch fragen sich viele, warum VW nicht gleich ganz nach Brasilien oder Mexiko geht. Engagiert, mit viel Herzblut trägt Klima die positiven Standortfaktoren Argentiniens vor. Er lobt die "ausgezeichnete Qualität" der Arbeitnehmer, die oft besser seien im Vergleich zu anderen lateinamerikanischen Ländern. "Das wird oft unterschätzt". Gleichzeitig seien die Energiepreise und Arbeitskosten niedrig. "Wir haben in etwa Arbeitskosten von 4,50 Euro pro Stunde." Tatsächlich geht es in Argentinien wieder aufwärts, dafür sprechen die acht Prozent Wirtschaftswachstum 2004 und die aus Sicht der argentinischen Regierung erfolgreiche Umschuldung.

Gute Beziehung zu Präsident Kirchner

Auch für andere Autokonzerne wird Argentinien wieder interessanter. Toyota, General Motors oder Peugot haben Millionen-Investitionen angekündigt. Es sei dabei auch das Verdienst von Präsident Nestor Kirchner wieder für relativ stabile politische Verhältnisse gesorgt zu haben, glaubt Klima. Die zuvor von vielen Beobachtern geäußerten Negativszenarien des als international unerfahren geltenden und brüsk agierenden Peronisten Kirchner seien nicht eingetreten.

So sei er glaubwürdig gegen das "Grundübel" des Landes vorgegangen, die Korruption. "Er hat die Erwartungen positiv übertroffen." Er habe sich als "sachlicher Fiskalpolitiker" dargestellt, der einen Haushalt aufgestellt habe, der eher als "konservativ" und nicht als "links-revolutionär" angesehen werden könne. Er habe auch der in tiefer Armut lebenden Bevölkerung zumindest das Gefühl vermittelt, dass die Regierung etwas für den sozialen Frieden tue.

Ein Liebhaber Argentiniens

Wer Klima länger zuhört spürt, dass der Österreicher nicht nur beruflich Gefallen an Buenos Aires gefunden hat. Der argentinische Tourismusverband hätte seine Freude an ihm. Klima schwärmt vom übersprudelnden kulturellen Leben in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires und der kontrastreichen Landschaft Argentiniens. Jetzt will er zusammen mit anderen europäischen Unternehmer bei der EU um mehr Beachtung des Standortes Argentinien werben. Ob ihm das gelingt, ist ungewiss. Viele Beobachter sehen Lateinamerika als Verlierer der Globalisierung und langfristig nicht wettbewerbesfähig mit den aufstrebenden Wirtschaftsregionen in Asien. Doch Klima liebt ja, wie gesagt, Herausforderungen und deshalb hat er kürzlich seinen Vertrag mit VW bis 2010 erst einmal verlängert.