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Eichel: "Die G20 sind ein großer Fortschritt"

Roman Goncharenko30. Dezember 2012

Seit Dezember hat Russland den Vorsitz der G20 inne, der Gruppe der 20 bedeutendsten Industrie- und Schwellenländer. Hans Eichel, früherer Bundesfinanzminister, gibt Empfehlungen für die anstehenden Aufgaben.

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Der ehemalige Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) spricht am Sonntag (04.12.11) in Berlin beim Bundesparteitag der SPD (Foto: Michael Gottschalk/dapd)
Hans Eichel, ehemaliger BundesfinanzministerBild: dapd

Deutsche Welle: Russland hat im Dezember 2012 für ein Jahr den Vorsitz der G20 übernommen. In deutschen Medien ist das kaum wahrgenommen worden. Wie ist das zu erklären? Ist die G20 nicht wichtig genug?

Hans Eichel: Im Moment offenbar wieder weniger. Sie war ausgesprochen wichtig, als die Weltwirtschaftskrise auf dem Höhepunkt war und gemeinsames wirtschaftliches Verhandeln und Verhalten dort verabredet worden ist. Da haben von Peking über Washington bis Europa alle Regierungen gegen den wirtschaftlichen Absturz gegengesteuert. Und das mit großem Erfolg. Wesentlich schwieriger gestaltet es sich für die G20, die Finanzmärkte gemeinsam zu regulieren, obwohl inzwischen mit dem Financial Stability Board eine gemeinsame Organisation, in der alle wesentlichen Länder vertreten sind, vorhanden ist, die auch Vorschläge macht. Vielleicht ist das der Grund, warum die G20 im Augenblick nicht so in der öffentlichen Wahrnehmung sind.

Worin sehen Sie die größten Schwierigkeiten?

Ich glaube, dass mit der Regulierung der Finanzmärkte es deswegen für die G20 schwierig wird, weil die Interessen und die Betroffenheit unterschiedlich sind. Die Finanzmarktkrise war und ist vor allem eine amerikanisch-europäische. Die Schwellenländer und auch Russland sind wesentlich weniger betroffen, weil sie ihre Finanzmärkte noch gar nicht so geöffnet haben, weil dort auch dieser Turbo-Kapitalismus bisher nicht Einzug gehalten hat. Deswegen ist die notwenige harte Regulierung für diese Länder gar nicht ohne weiteres einsichtig, weil sie sagen: Unsere Banken haben damit wenig zu tun und müssen deswegen auch nicht so reguliert werden. Da liegt gegenwärtig eine Schwierigkeit. Aber es haben sich die G20 gemeinsam darauf verständigt, kein einziges Produkt, keinen einzigen Teilnehmer und keinen einzigen Ort im Weltfinanzsystem unreguliert zu lassen. Daran wird man sich messen lassen müssen.

Sie waren 1999 Bundesfinanzminister, als das Gründungtreffen der G20 in Berlin stattfand. Welche Bilanz würden Sie heute ziehen?

Die G20 sind insgesamt ein großer Fortschritt. Es war schon damals klar, dass die G7 beziehungsweise G8, also die Industrieländer allein, in der Weltwirtschaft nicht mehr das Sagen haben können. Die Schwellenländer waren im Aufstieg, und inzwischen weiß das jeder. Ohne China, ohne Indien, ohne Brasilien, perspektivisch ohne Indonesien und einer Reihe anderer Länder kann man keine Verabredungen - was die Weltwirtschaft und die Weltfinanzmärkte betrifft - mehr treffen. Deswegen ist es gut und wichtig, dass es die G20 gibt, weil sich dort nach und nach ein gemeinsames Verständnis von Wirtschaftspolitik in der Welt und von Ordnung der Finanzmärkte herausbildet, auch wenn es dauert.

Was würden sie Präsident Wladimir Putin empfehlen, während des russischen G20-Vorsitzes voranzutreiben?

Er sollte auf jeden Fall die Finanzmarktregulierung vorantreiben. Dazu machen jetzt die Mitglieder des Financial Stability Board ihre Vorschläge. Damit könnte er der Welt insgesamt einen großen Dienst erweisen. Ich würde ihm nicht raten - weil er da zu sehr Partei ist - das Energiethema voranzutreiben. An der Stelle müsste er mehr Zurückhaltung zeigen.

Wie stark wird Russlands Stimme in der G20 wahrgenommen?

Die Stimme Russlands wird, nachdem es in den 1990er Jahren sehr schwach war, wieder sehr deutlich wahrgenommen und zwar gerade als Rohstoff- und insbesondere als Energielieferant. Man weiß inzwischen wieder auch sehr genau, dass zum Beispiel die Konflikte im Nahen Osten ohne Russland und gegen Russland nicht zu lösen sind.

Das Gespräch führte Roman Goncharenko.

Hans Eichel war von 1999 bis 2005 Bundesfinanzminister. Unter seinem Vorsitz wurde 1999 in Berlin die G20 als Dialogforum der Finanzminister und Notenbankgouverneure der 20 größten Industrie- und Schwellenländer gegründet.