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Ein abwegiger Vergleich

Peter Philipp3. Juni 2004

US-Präsident George W. Bush hat in seiner zweiten Grundsatzrede zur Zukunft des Irak eine Parallele zwischen dem Kampf gegen den Terrorismus und dem Zweiten Weltkrieg gezogen. Peter Philipp hält dies für abwegig.

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Da ist er wieder - der Vergleich, den George W. Bush schon vor dem Irakkrieg angewandt hatte: Der Kampf gegen Saddam Hussein und gegen den Terrorismus sei vergleichbar mit dem Zweiten Weltkrieg. Damals wie heute glaubten die Feinde der Vereinigten Staaten, diese seien schwach und besiegbar, heute wie damals aber würden die USA beweisen, dass dies nicht so ist. Man werde entschlossen kämpfen und nicht ruhen, bevor die Feinde geschlagen seien.

Kämpferische Töne, die so recht in die Zeit des "D-Day Memorials" passen und auch in den Präsidentschaftswahlkampf. Aber nicht in die politische Wirklichkeit, in der dieser US-Präsident seine Militäreinsätze anordnet. Der 11. September war und ist nicht zu vergleichen mit Pearl Harbour, die Terrorgruppen um Osama Bin Laden nicht mit Nazideutschland. Auch das Regime Saddam Husseins kann und darf nicht mit dem Hitlers verglichen werden.

Bei aller Ablehnung des blutigen Terrors von El Qaida: Diese Gruppen erobern keine fremden Staaten, sie betreiben keinen Völkermord und sie führen keinen konventionellen Krieg gegen die USA oder irgendein anderes Land. Noch nicht einmal gegen Israel, das sie immerhin zu ihrem Erzfeind erklärt haben. El Qaida betreibt Terror. So, wie andere Gruppen anderswo es vor ihr getan haben und andere nach ihr es wohl wieder tun werden. Nur mit mehr verbrecherischer Effizienz als bisher. Dies ist gewiss eine Herausforderung nicht nur an die USA. Aber es ist noch lange kein "Krieg". Und mit militärischen Mitteln ist dem Terrorismus auch nicht (oder nur unzulänglich) beizukommen. Afghanistan hat das mehr als deutlich demonstriert.

Und das Regime Saddam Husseins? Bush Vater hätte sich noch eher an den Zweiten Weltkrieg erinnern können, als er Kuwait befreien ließ. Bush Sohn führte Krieg, ohne dass der Irak andere Länder besetzt hatte und ohne jeden Beweis für die ihm unterstellten bösen Pläne – von Massenvernichtungswaffen bis hin zu neuen Aggressionen. Dass es keine solchen Beweise gibt, wissen inzwischen auch die amerikanischen Offiziere, vor denen Bush an den Zweiten Weltkrieg erinnerte. Schwer vorstellbar, dass sie seinem Wort von der Heiligen Mission glauben.

Bleibt die Frage der Demokratie und Freiheit. Natürlich war der "D-Day" der Auftakt zur Befreiung Europas. Eines von Nazideutschland besetzten Europas. Mit dem Nahen Osten ist dies nicht vergleichbar. Der einzige Besatzer dort heißt Israel und ist – zumindest auf dem eigenen Staatsgebiet – die einzige Demokratie der Region. Die anderen Länder werden von ihren eigenen Machthabern unterdrückt. Und die denken nicht daran, ihren Völkern mehr Freiheit zu geben. Auf jeden Fall nicht, weil Saddam Hussein gestürzt wurde. Was seit dessen Sturz im Irak geschieht, dürfte ihnen Garantie genug sein, dass Washington keinen weiteren Krieg in der Region will.

Die Demokratie im Irak schließlich ist ein Jahr nach dem Krieg und auch nach Berufung der Übergangsregierung noch weit entfernt. Auch da irrt George W. Bush. Oder er führt in die Irre, wenn er "Befreiung" mit "Demokratisierung" gleichsetzt. Und hier wäre nicht nur ihm ein Blick in die Geschichtsbücher angeraten: In Deutschland spricht man bis heute nicht vom "Tag der Befreiung", sondern von "Niederlage", "Kapitulation" und ähnlichem. Und das, obwohl wir längst eine Demokratie geworden sind. Aber auch dieser Prozess dauerte seine Zeit: Vier Jahre bis zum Grundgesetz und den ersten freien Wahlen, zehn Jahre gar bis zur Souveränität. Und im Irak soll das nun alles von heute auf morgen geschehen? Ohne jede demokratische Vergangenheit, ohne erfahrene und nicht vorbelastete Politiker? Der US-Präsident sollte wissen, dass manche Dinge nicht zu vergleichen sind.