1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Ein Album voller Klingeltöne

Kerstin Hilt 18. April 2005

Handy-Musik kann man überall hören. Wenig weiß man über die Komponisten der mobilen Töne. DW-WORLD klärt auf.

https://p.dw.com/p/6W66
Die Musik macht den Ton

Handy-Klingeltöne verfolgen einen bekanntlich an die unmöglichsten Orte und können arg lästig werden. Es gibt allerdings ein paar Leute, für deren Ohren das aufdringliche Gepiepe aus dem Mobiltelefon die schönste Musik ist: zum Beispiel für die Münchener Band SuperSmart. Klingeltöne sind Kunst in deren Ohren.

Kompositionen mobil

SuperSmart sind die erste Band in Deutschland, die nur für das Handy komponiert: Klingeltöne von höchstens einer halben Minute Länge, zum Herunterladen aus dem Internet - ein ganzes Klingelton-Album für 1 Euro 99. "Wir sind eine Combo, die Spaß an Musik hat und nicht den Labels nachlaufen will", sagt Good Cut von SuperSmart. "Wir bringen nicht das, was uns in Schablonenform vorgelegt wird."

Freiraum schaffen

Die übermächtigen Plattenlabels der Musikindustrie haben SuperSmart den Spaß an ihrer Musik gründlich verleidet. Songs sind heute Konsensprodukte, mitgeschrieben von Marktforschern und Trendberatern - keiner länger als 3 Minuten 30, der erste Refrain nicht nach Sekunde 45, und dann bitte noch ein paar Streicher für die Romantik.

Musikmesse in Frankfurt
Es geht auch offlineBild: AP

Die vier Jungs von SuperSmart haben das selbst erlebt: Einige von ihnen spielen auch in anderen, bekannteren Bands. Weil ihnen ihre Verträge Nebenprojekte eigentlich verbieten, wollen sie als SuperSmart unerkannt bleiben: Die Band existiert nur im Internet - und auf dem Handy. Ihre Klingelton-Kompositionen sind ein Stück kreativer Freiheit jenseits der Musikindustrie.

Sinfonien fürs Handy

Künstlerisch ist es jedenfalls ziemlich anspruchsvoll, Musik fürs Handy zu schreiben - das wissen auch die kommerziellen Klingelton-Anbieter. Zum Beispiel Hubert Weid von der Mobile Entertainment Factory in Köln, einem Unternehmen, das für den Klingelton-Marktführer Jamba produziert. "In dem Bereich arbeiten wir ausschließlich mit Musikern zusammen, die in der Regel auch eine klassische Ausbildung haben", umreißt er die Ansprüche.

Ludwig van Beethoven Denkmal in Wien
Grummelig wie immer: Beethoven-Denkmal in WienBild: dpa

In Hubert Weids Firma ist Musikstudent Andreas der Chefkomponist. Seine Aufgabe: aus den aktuellen Charts-Hits Klingeltöne machen - also nicht kreatives Neu-Komponieren wie bei SuperSmart, sondern möglichst originalgetreues Reproduzieren. Schwierig ist das für ihn deswegen, weil Handys - zumindest die polyphonen, die im Moment am weitesten verbreitet sind - Musik nicht einfach abspielen können wie ein CD-Player.

Vielmehr muss Andreas für die begrenzte Zahl der Handy-Tonspuren jeden Song gleichsam herunterkomprimieren - und das ist ähnlich diffizil, als wenn man von einem Sinfoniekonzert eine Klavierversion erstellt. Meistens entscheidet er sich für den Refrain als Klingelton. Dann wird es mühsam: Jede einzelne Stimme - Gesang, Bass, Streicher - muss er genau heraushören und Note für Note in den Rechner eingeben. Statt Gesang nimmt er meistens eine künstliche Computer-Oboe. Nach etwa eineinhalb Stunden ist das Lied komplett nachkomponiert, der Klingelton fertig.

Mit Hilfe der Community

Musik aus dem Computer
Noten aus dem Computer, jetzt auch für Handy-KlingeltöneBild: dpa

Bei SuperSmart ist das anders. Jeder mit einem Laptop auf den Knien sitzen sie oft bis tief in die Nacht zusammen. Jammen, gemeinsames Improvisieren, wie bei jeder anderen Band auch - nur eben am Rechner statt mit der Gitarre in der Hand. Und wenn der Klingelton dann online geht, wird sogar im Netz noch weitergefrickelt. "Wir lernen von unseren Fans. Da gibt's so eine kleine Community, die unglaublich kreativ ist und uns hilft", erzählt Good Cut. "Da kriegen wir Anregungen wie 'Ich habe in Eurem Track das-und-das gehört, da könnt ihr noch ein bisschen hochpitchen, das Siemens-Handy, das erlaubt da noch ein paar mehr Möglichkeiten.'"

In wenigen Wochen gibt es ein neues Klingelton-Album von SuperSmart - dann auch mit Videos zu jedem Track, gefilmt für den Handy-Bildschirm. Denn irgendwann, da sind sich SuperSmart sicher, wird das Handy nicht nur Plattenspieler und CD-Player abgelöst haben. Sondern auch den Fernseher.