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Ein aufrechter Kerl

Udo Bauer4. Dezember 2003

Der deutsche Botschafter in Washington begab sich freiwillig in die Höhle des Löwen. Im Live-Interview mit einem der konservativsten US-Fernsehmoderatoren zog er dann auch den Kürzeren. Beobachtungen von Udo Bauer.

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"Wann helfen die Deutschen uns endlich im Irak?" So simpel und eingängig sind Bill O’Reillys Fragen und Statements typischerweise. "Straight talking" nennt er das selber, reden ohne Umschweife, einer einfachen Logik folgend. Das gefällt den Amerikanern, Differenzierungen machen ein Thema ohnehin zu schwer verdaulich, ergo unattraktiv. Nicht zuletzt deshalb ist O’Reilly der beliebteste Moderator des konservativen Nachrichtenkanals Fox.

O’Reilly selbst macht aus seinem rechtskonservativen Herzen keine Mördergrube, er kokettiert gar ganz offen damit in jeder Sendung. Höflichkeit ist nicht seine Stärke, zur Not unterbricht er seine Talk-Gäste schon nach wenigen Sekunden. Mit Pöbeleien und Polarisierungen holt er seine Gesprächspartner aus der Reserve.

Vorführen und Plattmachen

Der deutsche Botschafter Wolfgang Ischinger hingegen könnte anders nicht sein: Ruhig, analytisch und dennoch persönlich, so kommt er stets daher. Ein historischer Exkurs ab und an rundet das Bild ab von einem sympathischen, weil nachdenklichen deutschen Diplomaten. Ischinger konnte seine Stärken am Mittwoch (3.12.2003) bei der Sendung "O’Reilly Factor" nicht ausspielen. Sein Gastgeber liess ihn keinen Gedanken zu Ende bringen. Er wollte den Deutschen von vornherein vorführen und plattmachen - mithilfe des Mediums Fernsehen und seiner demagogischen Gesprächsführung.

Sichtlich schockiert

Und so lief das PR-Desaster für den Botschafter ab: O’Reilly geht gleich in die Vollen mit seiner Behauptung, dass früher oder später auch Deutschland zu einer Zielscheibe für Terroristen werde. "Warum helft ihr uns jetzt nicht ein bisschen aus?" so der Moderator angriffslustig. Botschafter Ischinger stellt die Tatsache heraus, dass deutsche Auslandseinsätze historisch ein Novum darstellen und … "Moment, Moment!", so O’Reilly, Deutschland sei groß, reich und diszipliniert, 5000 Soldaten seien doch da kein Problem. "Sagen Sie nicht das stimmt nicht! Ich weiss es, Sie wissen es. Ihr tut es nicht, und das schadet uns. Basta!"

Sichtlich schockiert von der Frage, die autoritär wie ein Machtwort des Kanzlers klang, geriet der Botschafter endgültig ins Hintertreffen: In Afghanistan und auf dem Balkan und im Anti-Terror-Kampf helfen wir doch tüchtig, so Ischinger sinngemäß. Wir haben nicht genug Truppen, die für Kampfeinsätze geeignet sind. "Okay, vielleicht tut es auch ein symbolisches Kontingent an deutschen Soldaten", so O’Reilly, die mangelnde Solidarität aber schade den USA.

Rhetorischer Knockout

An der Antwort seines Gastes war der stets mit drohendem Zeigefinger bewaffnete Moderator gar nicht interessiert und kam gleich zu seinem Schluss-Statement: Die Amerikaner hätten Deutschland vor den Sowjets beschützt, mit Dollarmilliarden nach dem Krieg wieder aufgebaut und die Wiedervereinigung ermöglicht. Und schliesslich mit erhobener Stimme: "Ihr schuldet uns was! Ihr schuldet uns Hilfe im Irak!"

Nur mit Mühe gelang es Wolfgang Ischinger daraufhin, in 20 Sekunden einen Bogen zu schlagen von "ewiger deutscher Dankbarkeit" zum Thema Schuldenerlass für den Irak, da lief die Zeit ab, Werbebloecke sind unerbittlich.

O’Reilly, gnädig geworden angesichts seines rhetorischen K.O.-Sieges, beendete das Gespräch mit den Worten: "Herr Botschafter, vielen Dank für’s Kommen. Ich weiss, Sie sind ein aufrechter Kerl." Wolfgang Ischinger muss diesen Werbeblock herbeigesehnt haben wie ein angeschlagener Boxer den Schlussgong der letzten Runde. Bill O’Reilly hingegen hat sich sichtlich gut gefühlt in seiner Haut: Hat er doch nur ausgesprochen, was viele amerikanische Politiker denken, aber mit Rücksicht auf die fragilen transatlantischen Beziehungen lieber für sich behalten: Deutschland verweigert Amerika in der Stunde der Not die Hilfe. Basta!