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Politik

Ein bekannter Gefährder hinter den Anschlägen in Teheran?

Shabnam von Hein
14. Juni 2017

Einer der Attentäter von Teheran war ein bekannter IS-Anhänger. Über seine Aktivitäten in Kurdistan waren die Behörden informiert. Sicherheitsdienste sind dort aktiv - auch aus anderen Gründen.

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Verdächtige IS-Anhänger in Iran getötet
Bild: Isna

Latif Safari ist immer noch aufgewühlt. Der ehemalige Abgeordnete im iranischen Parlament ist Kurde. Er macht sich Sorgen, weil ein Kurde zu den Attentätern von Teheran gehörte. Die hatten bei einem Doppelanschlag auf das Parlament und das Grabmal von Ajatollah Chomeini am 7. Juni 17 Menschen getötet.

Der reformorientierte Latif Safari erklärt im DW-Gespräch: "Kurden sind keine Terroristen. Terrorismus hat nichts mit der nationalen Identität zu tun. Ich finde es sehr traurig, dass sich Kurden-Feindlichkeit in der Gesellschaft verbreiten wird". Über den kurdischen Attentäter des iranischen Parlaments kann Safari nicht viel sagen: "Ich habe durch die Medien erfahren, dass er ein bekannter IS-Anhänger gewesen sein soll. Was die Behörden über ihn wussten und warum er frei herumlaufen konnte, weiß ich auch nicht". 

Einen Tag nach dem Doppelanschlag in Teheran hatten die iranischen Behörden die Attentäter identifiziert. Es waren von der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) rekrutierte Iraner. Ihre Vornamen und die Leichenbilder wurden in den Medien veröffentlicht. Binnen Stunden verbreitete sich die vollständige Identität eines der Attentäter im Netz: Saryas Sadeghi. Ein Kurde aus der Kleinstadt Javanro an der Grenze zum Irak. Und laut konservativen Medien: Seit drei Jahren ein den Behörden bekannter IS-Anhänger.

Kurdische Journalisten weisen in sozialen Netzwerken auf einen Artikel hin, der vor anderthalb Jahren auf der Webseite der Demokratischen Partei des Iranischen Kurdistans (kurz DPK-I) veröffentlicht wurde. In diesem Beitrag wurde ausführlich über Saryas Sadeghis Aktivitäten in den Moscheen kleiner Dörfer an der Grenze zum Irak berichtet - und seine Versuche, junge Leute für den IS zu rekrutieren.

Kurdenfeindlichkeit alarmiert Menschenrechtsaktivisten 

Saryas Sadeghi wurde aber nicht verhaftet. Nicht einmal verhört. Eine offizielle Antwort oder Stellungnahme dazu gibt es nicht. Es ist auch nicht geklärt, ob und wenn ja wie viele Unterstützer er in Kurdistan hatte. Trotzdem verbreiten sich Hass-Kommentare und kurdenfeindliche Äußerungen in den sozialen Netzwerken. So heftig, dass zwölf namhafte Menschenrechtsaktivisten in einem offenen Brief vor den Folgen der verbalen Gewalt gegen Minderheiten und einem Generalverdacht gegen die iranischen Kurden warnen - darunter auch die renommierte Anwältin Nasrin Sotoudeh.

"Mit Hasskommentaren gießen sie nur Öl ins Feuer und ermutigen zu Gewalt in der Gesellschaft. Sie stärken radikale Kräfte." In sozialen Netzwerken weisen viele Journalisten auf  Kämpfe zwischen iranischen Kurden gegen den IS hin. Die Fotojournalistin Newsha Tavakolian postete ein Foto, das sie vor zwei Jahren von einer iranischen Kurdin aufgenommen hatte: Sie kämpfte an der Front gegen den IS.

Die Menschenrechtsaktivisten warnen vor verschärfter Überwachung und Repressalien im iranischen Kurdistan.

Wenig Sympathien für IS 

"Der IS hat nicht viele Sympathisanten unter den iranischen Kurden", ist sich Heman Seyyedi sicher. Der kurdische Aktivist lebt im Londoner Exil. In einem Interview mit der Deutschen Welle sagt Seyyedi: "Wenn der IS vor drei Jahren die iranische Grenze erreicht hätte- sie waren nur 40 Kilometer von der Westgrenze entfernt - hätten sich möglicherweise viele sunnitische Kurden dem IS angeschlossen. Damals sahen die Kurden in der  Zusammenarbeit mit dem IS eine Möglichkeit, sich für eine Unabhängigkeit Kurdistans stark zu machen."

Im Iran leben sieben Millionen Kurden. Ein Teil von Ihnen träumt von der Schaffung eines unabhängigen Kurdistan, das Teile der Türkei, Syriens und des Iraks umfassen soll. "Der IS hat aber in den letzten drei Jahren so viel Verbrechen begangen, vor allem an den Jesiden, den nicht-muslimischen Kurden, dass sie kaum noch Sympathisanten im iranischen Kurdistan haben".

Benachteiligte Minderheiten und strenge Sicherheitspolitik

Dennoch gebe es einige wenige IS-Anhänger unter den Kurden im Iran. "Ich kann nicht genau sagen wie viele, aber einige von ihnen haben sich in den iranischen Gefängnissen radikalisiert. Die Sunniten im Iran fühlen sich von Teheran diskriminiert. Und das sind nicht nur Kurden", fügt Heman Seyyedi hinzu.

Die iranische Kurden fordern mehr sprachliche und kulturelle Rechte
Die iranische Kurden fordern mehr sprachliche und kulturelle RechteBild: Getty Images/AFP/S. Hamed

Iran besitzt größere sunnitische Minderheiten, insbesondere entlang der knapp 1.500 Kilometer langen Grenze zum Irak. Während im Norden vor allem sunnitische Kurden beheimatet sind, leben im ölreichen Süd-Iran eher arabisch-stämmige Minderheiten. Die Regionen entlang der Grenze gelten offiziell im Iran als benachteiligte Gebiete. Der Grund: Marode Infrastrukturen und ein Mangel an medizinischen- und Bildungseinrichtungen. Die Zentralregierung in Teheran ist besorgt über Unruhen entlang der Grenze. Auch deshalb ist ihre Minderheitenpolitik untrennbar mit der Sicherheitspolitik verknüpft.

Nur 72 Stunden nach den Anschlägen in Teheran melden die Behörden 41 Festnahmen landesweit. Wie viel von ihnen in Kurdistan verhaftet wurden, ist nicht bekannt. Kurdische Journalisten vor Ort wollen ausländischen Medien keine Interviews geben. Sie stehen unter Generalverdacht, gegen die nationale Sicherheit zu agieren.