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Ein Besuch bei Freunden: Erdogan in Tripolis

16. September 2011

Es ist die letzte Station auf der Reise des türkischen Regierungschefs durch die Länder des arabischen Frühlings. Nach Ägypten und Tunesien besucht er nun Libyen. Derweil toben die Kämpfe um Gaddafis letzte Bastionen.

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Der türkische Ministerpräsident Erdogan (Mitte) und der Chef des Übergangsrats Dschalil (r.) in Tripolis (Foto: dpa)
Der Chef des Übergangsrats Dschalil (r.) empfängt ErdoganBild: picture-alliance/dpa

Kairo, Tunis und schließlich Tripolis – der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat das letzte Ziel seiner Nordafrika-Tour erreicht. Am Freitag (16.09.2011) traf er in Libyen ein. Der Chef des libyschen Übergangsrates, Mustafa Abdul Dschalil, empfing Erdogan am Flughafen der Hauptstadt. Bei seinem Besuch wollte Erdogan mit der Führung des Übergangsrats darüber sprechen, wie in Zukunft die politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Ankara und Tripolis intensiviert werden kann.

Erdogan nahm zunächst am muslimischen Freitagsgebet auf dem so genannten Märtyrer-Platz im Zentrum Tripolis teil. Augenzeugen berichteten, er habe dort zusammen mit Mitgliedern des Übergangsrates und einfachen Bürgern gebetet. Auch eine Reise in die einstigen Rebellenhochburgen Bengasi und Misrata war geplant.

Übergangsrat nimmt Türkei als Vorbild

Der türkische Ministerpräsident Erdogan (l.) und der Chef des Übergangsrats Dschalil
Erdogan und Dschalil wollen über eine stärkere Zusammenarbeit sprechenBild: picture-alliance/dpa

Erdogan präsentiert auf seiner Reise die Türkei als erfolgreiches Demokratie-Modell für die Länder des arabischen Frühlings. Und er scheint zu überzeugen. "Wir wollen ein demokratisches, islamisches Land nach dem Vorbild der Türkei werden", sagte der Übergangsrat-Chef Dschalil beim Treffen mit Erdogan. Er dankte der Türkei für wirtschaftliche und medizinische Hilfe während der Monate der Revolution.

Der türkische Regierungschef sagte dem Übergangsrat seinerseits weitere Unterstützung seines Landes zu. Türkische Hilfsteams würden bald eintreffen, um "Hand in Hand, Seite an Seite" mit den Libyern zu arbeiten. Die türkische Botschaft in Tripolis hat ihre Arbeit bereits am 2. September wieder aufgenommen. Bald werde Turkish Airlines den regulären Flugbetrieb nach Tripolis wieder aufnehmen. Erdogan rief die letzten Anhänger des gestürzten Machthaber Muammar al-Gaddafi auf, den Kampf aufzugeben, um weiteres Blutvergießen zu vermeiden. Widerstand, der sich gegen den mehrheitlichen Willen der Bevölkerung richte, sei zum Scheitern verurteilt. "Das ist ein Kampf für Freiheit und Demokratie", sagte Erdogan.

Erdogan zeigt Einfluss der Türkei

Erdogans ist der erste Regierungschef eines muslimisch geprägten Landes, der seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi Libyen besucht. Fast wäre es der erste Besuch ausländischer Staats- und Regierungschefs seit Beginn des Umbruchs im Februar überhaupt gewesen. Doch am Donnerstag waren ihm der französische Präsident Nicolas Sarkozy und der britische Premier David Cameron zuvorgekommen.

Sarkozy und Cameron am Donnerstag in Tripolis (Foto: picture alliance/abaca)
Sarkozy und Cameron waren Erdogan mit dem Libyenbesuch zuvorgekommenBild: picture alliance/abaca

Die Reise des türkischen Regierungschefs wird als ein weiteres Zeichen für die internationale Unterstützung für die neue Führung in Libyen gewertet. Erdogan hat damit alle Staaten bereist, in denen die arabischen Revolutionen nach jahrzehntelanger Herrschaft der Despoten einen Machtwechsel hervorgebracht haben. Bei seinen Besuchen hat er den Ländern die Hilfe der Türkei angeboten und zugleich auch verdeutlicht, dass Ankara bei der Neugestaltung der Region mitwirken will. Erdogan hat unterstrichen, dass die Türkei ihre Beziehungen zu den nordafrikanischen Staaten ausbauen will.

Doch bei der Reise geht es auch um wirtschaftliche Interessen der Türkei und darum, neue Märkte zu sichern. Fast 300 türkische Unternehmer begleiten den türkischen Regierungschef. Zu erwarten ist daher, dass Erdogan im ölreichen Libyen auch Gespräche über wirtschaftliche Kooperationen führt und über Investitionen im Land verhandelt. Vor Beginn des Aufstands waren türkische Firmen in dem nordafrikanischen Land an über 200 Bauprojekten im Wert von mehr als 15 Milliarden Dollar (rund elf Milliarden Euro) beteiligt.

Rebellen dringen auf Gaddafi-Bastionen vor

Libysche Rebellen auf dem Weg in Gaddafis Heimatstadt Sirte (Fotos: dpa)
Die Aufständischen rücken verstärkt auf Gaddafis Heimatstadt Sirte vorBild: picture alliance/dpa

Während die Führung des libyschen Übergangsrats inzwischen aus der Hauptstadt Tripolis regiert und dort die ausländischen Staatsmänner empfängt, gehen in einigen Teilen des Landes die Kämpfe noch weiter. Insbesondere die Gaddafi-treuen Städte Sirte und Bani Walid sind noch umkämpft. Dort sind die bisherigen Vorstöße der Aufständischen auf heftigen Widerstand gestoßen. Trotz mehrerer Ultimaten des Übergangsrats, friedlich die Waffen niederzulegen, haben dortigen Gaddafi-Anhänger noch nicht aufgegeben.

Die Kämpfer der Rebellen versuchen schon seit Wochen die Küstenstadt Sirte unter ihre Kontrolle zu bringen – dies ist nach Angaben des Übergangsrats nun gelungen. Ihre Kämpfer seien am Donnerstagmorgen von Misrata aus mit hunderten Fahrzeugen aufgebrochen, "um die Stadt zu befreien". Vor Sirte habe sich der Konvoi aufgeteilt, um die Stadt von mehreren Seiten aus anzugreifen. Nach eigenen Angaben haben die Aufständischen inzwischen den Flughafen von Sirte eingenommen. Allerdings berichten Augenzeugen von heftigen Gefechten in der Nähe des Airports. Die Rebellen koordinierten ihre Angriffe in Sirte nach eigenen Angaben mit der NATO.

Übergangsrat erhält UN-Sitz

Außerdem seien die Rebellen-Truppen am Freitag in Bani Walid eingedrungen, sagte der Sprecher des Übergangsrats, Mahmud Schammam. Details könne er nicht nennen. Doch sei er sicher, dass die die Situation in der Wüstenstadt rund 170 Kilometer südöstlich von Tripolis bis zum Abend "geregelt" sein werde. Seit zwei Wochen belagern die Rebellen die Stadt nun, den ganzen Tag waren Schüsse und Explosionen zu hören. Doch die Rebellen zeigen sich optimistisch: "Der Weg ins Zentrum ist frei", sagte einer der Kämpfer. "Die Stadt wird heute befreit".

Auf internationalem Parkett feierte die neue libysche führung einen weiteren Erfolg: Die UN-Vollversammlung übertrug dem Nationalen Übergangsrat den Sitz Libyens bei den Vereinten Nationen. Bislang wurde dieser noch von der Regierung des früheren Machthabers Gaddafi gehalten.

Autorin: Naima El Moussaoui (mit afp, dpa, rtr, dapd)

Redaktion: Martin Muno