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Ein Emir tritt ab

Nils Naumann25. Juni 2013

Katar ist ein geographischer Zwerg. Politisch und wirtschaftlich aber ist das reiche Golfemirat immer einflussreicher geworden. Jetzt hat der Urheber des Aufstiegs, Emir Hamad al-Thani, seinen Rücktritt erklärt.

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Hamad bin Khalifa al-Thani (Foto: AFP/Getty Images)
Bild: AFP/Getty Images

Gerade mal sieben Minuten dauerte der Auftritt von Hamad bin Chalifa al-Thani im katarischen Staatsfernsehen. Vor der rot-weißen Flagge Katars las der 61-Jährige eine vorgefertigte Erklärung. "Die Zeit ist gekommen", erklärte al-Thani, "um ein neues Blatt in der Geschichte unserer Nation aufzuschlagen, wo eine neue Generation mit ihrem dynamischen Potential und ihren kreativen Gedanken die Verantwortung übernimmt". Auf die Gerüchte über seinen angeblich schlechten Gesundheitszustand ging al-Thani nicht ein. Neuer Führer des Landes wird al-Thanis 33-jähriger Sohn Tamim. "Ich bin mir absolut sicher", sagte der scheidende Emir, "dass er qualifiziert ist und dass er Vertrauen verdient".

Putschist modernisiert Katar

Nicht immer klappt die Machtübergabe in Katar so reibungslos. Hamad bin Chalifa al-Thani musste seinen Vater noch mit Hilfe eines - wenn auch unblutigen - Putsches von der Macht verdrängen. Das war 1995. Seitdem hat das kleine Land am Persischen Golf - es ist gerade mal halb so groß wie das deutsche Bundesland Hessen - einen rasanten wirtschaftlichen und politischen Aufstieg erlebt. Mit Hamad bin Chalifa al-Thani als Architekt und Strippenzieher. Der Emir krempelte sein Land um. Geld war genug da. Denn Katar besitzt die drittgrößten Ergasreserven der Welt.

Skyline von Doha (Foto: imago/imagebroker)
Die futuristische Skyline von DohaBild: imago/imagebroker

Al-Thani begann mit der Diversifizierung der Wirtschaft, förderte Katar als Bildungsstandort. Heute wird die Skyline des Wüstenemirats von Wolkenkratzern bestimmt. Viele internationale Unternehmen haben hier ihren regionalen Sitz. Unter al-Thanis Herrschaft stieg das Bruttosozialprodukt von acht Milliarden auf 174 Milliarden US-Dollar. Das Pro-Kopf-Einkommen der Katarer ist heute das höchste der Welt. Der Emir holte internationale Konferenzen und Mega-Projekte, wie die Fußballweltmeisterschaft 2022, ins Land.

Einfluss durch Geld

Einfluss in der Medienwelt erkaufte sich der Emir mit der Gründung des TV-Senders Al-Dschasira, heute eine der wichtigsten Informationsquellen der Arabischen Welt.

Außerdem nutzte Al-Thani die Einnahmen aus den Gasvorkommen, um sich weltweit bei Firmen einzukaufen. Der staatliche Fonds des Landes besitzt Beteiligungen an der Credit Suisse, der Barclays Bank und Louis Vuitton. Auch beim deutschen Autobauer Porsche war der Staatsfonds zeitweise beteiligt.

Politisch betätigte sich der Emir zunächst vor allem als unparteiischer Vermittler in Regionalkonflikten, im Sudan und im Libanon. Mit Beginn des Arabischen Frühlings aber begann Katar, aktiv Partei zu ergreifen. Im Libyen-Konflikt stellte sich Katar schon früh auf die Seite der Gaddafi-Gegner. Im syrischen Bürgerkrieg unterstützt Katar die Regimegegner, mit Geld aber auch mit Waffen.

Auch die palästinensische Hamas bekommt Geld aus Katar. Die afghanischen Taliban haben ein Verbindungsbüro in dem Emirat. Gleichzeitig aber pflegte der Emir die Beziehungen zu den USA. Die Amerikaner betreiben einen Luftwaffenstützpunkt im katarischen Udaid.

Rücktritt aber keine Demokratisierung

Jetzt hat der Emir mit seinem Rückzug ein neues Zeichen gesetzt. "Es ist ein einmaliger Vorgang, dass der Emir freiwillig zurücktritt", erklärt Oliver Borszik, Katar-Experte des GIGA-Instituts für Nahost-Studien. Ein Zeichen für eine Demokratisierung Katars sei das allerdings nicht: "Das darf man nicht falsch verstehen. Der Machtwechsel heißt zunächst nur, dass die Aussichten auf eine Ausweitung der Führungselite und damit auf eine weitere Stabilisierung der Monarchie gestiegen sind."

Tamim bin Hamad al-Thani (Foto: Reuters)
Die Jugend: Katars neuer Emir Tamim bin Hamad al-ThaniBild: Reuters

Denn Mitbestimmung der Bevölkerung ist in Katar nicht vorgesehen. Wahlen wurden zwar angekündigt, aber immer wieder verschoben. Kritik am Emir ist verboten und wird mit harten Gefängnisstrafen geahndet. "Katar ist das Land, in dem am wenigsten politischer Wandel stattgefunden hat", sagt Gidon Windecker. Er ist Projektmanager der Konrad-Adenauer Stiftung in den Golfstaaten.

Allerdings scheinen die meisten Katarer recht zufrieden mit ihrem System. "Die Bevölkerung steht hinter dem Emir", glaubt Windecker. Borszik sieht das ähnlich. Er führt das auf die gute Versorgung der Bevölkerung mit staatlichen Wohlfahrtsleistungen und das hohe Pro-Kopf-Einkommen zurück. Ein Problem, so Borszik, könnte allerdings durch die hohe Zahl der ausländischen Arbeiter in Katar entstehen. Von den rund 1,7 Millionen Einwohnern des Landes sind nur 300.000 katarische Staatsbürger. Die Gastarbeiter haben aber kaum Rechte. "Wenn die eines Tages aufbegehren sollten, dann könnte das eine Herausforderung werden", sagt der Katar-Experte Borszik.

Ein 33-Jähriger als neuer Emir

Eine Herausforderung, mit der dann der neue Mann an der Spitze Katars umgehen müsste. Der neue Emir, Scheich Tamim bin Hamad al-Thani, wurde 1980 geboren. Er ist der zweite Sohn von Hamad bin Chalifa al-Thani. Tamim studierte in Großbritannien und wurde an der Militärakademie Sandhurst ausgebildet. Zuletzt war er Vize-Kommandeur der Streitkräfte Katars. Außerdem leitete er das Olympische Komitee, das für die Organisation der Fußballweltmeisterschaft 2022 verantwortlich ist.

Der neue Mann gilt politisch als unbeschriebenes Blatt. Bisher, so Borszik, sei Tamim "noch nicht besonders in Erscheinung getreten". Borszik glaubt aber nicht, dass sich durch den Machtwechsel viel an der Politik Katars ändert. Innenpolitisch seien die Weichen gestellt. Und auch außenpolitisch dürfte Katar versuchen, weiter aktiv an der Neuordnung der Region mitzuwirken.