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Ein Fall für den Eheberater

13. November 2009

Es sollte eine Liebesheirat sein, doch schon kriselt es in der schwarz-gelben Koalition. Haben da wirklich zwei Wunschpartner zusammengefunden? Oder haben sie nur so getan?

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Bild: DW

Das war sie also, die erste Sitzungswoche im Deutschen Bundestag mit der neuen, der schwarz-gelben Regierung. Das ist auch für uns Journalisten erst einmal gewöhnungsbedürftig. Neue Gesichter, neue Funktionen, veränderte Zuständigkeiten. Der frühere Außenminister ist jetzt Fraktionsvorsitzender, ein bisheriger Fraktionsvorsitzender ist Außenminister. Der bisherige Wirtschaftsminister ist Verteidigungsminister, der frühere Innenminister kümmert sich um die Finanzen. Die SPD regiert nicht mehr, sondern kritisiert. Die FDP kritisiert nicht mehr, sondern regiert. Doch Stopp! Im letzten Satz stimmt etwas nicht. Also noch einmal ganz langsam: Die FDP kritisiert nicht mehr, sondern regiert. Genau genommen stimmt zwar der zweite Teil des Satzes, aber der erste nicht. Jedenfalls standen in dieser Woche im Bundestag FDP-Politiker am Rednerpult und griffen die Regierung an. Haben die etwa noch nicht mitbekommen, dass ihre Partei jetzt auch regiert?

Zoff in der jungen Ehe

Es ist viel schlimmer. Gerade erst den Flitterwochen entstiegen (gab es die überhaupt, Flitterwochen?), gibt es in der noch jungen Polit-Ehe bereits einen bösen Streit. Es geht um Grundsätzliches, um einen zentralen Punkt aus dem Ehevertrag, in der Politik nennt man den Koalitionsvereinbarung. Da steht nämlich drin, dass es zum 1. Januar 2011 eine Steuerreform geben wird. Das hat die FDP in den Vertrag schreiben lassen. Die Union, also CDU und CSU haben den einschränkenden Begriff "möglichst" hinzugefügt. Ein kleines Wort mit sehr viel Sprengkraft. Das war den Liberalen bei der Formulierung des Ehevertrags vielleicht nicht so klar, oder sie haben nicht so genau hingeschaut vor lauter Begierde, nun endlich auch mal wieder regieren zu dürfen. Eine Unachtsamkeit mit weitreichenden Folgen.

Ein CDU-Minister als Spielverderber

Denn dummerweise bestimmt ein CDU-Minister, ob es möglich sein wird, den von den Liberalen im Wahlkampf versprochenen Stufentarif in der Steuer einzuführen. Ein Finanzminister, der als nüchterner Mann der Fakten bekannt ist; als ein Politiker, der hart in der Sache und unnachgiebig in Auseinandersetzungen ist; als einer, der sich noch nie vor Konflikten gescheut hat und der in einem Alter ist, in dem man nicht mehr darauf schielt, was die Karriereleiter vielleicht noch bereit halten könnte. Genau dieser Minister hat von Anfang an und nun noch einmal laut und deutlich gesagt, dass die von der FDP gewünschte Steuerreform unmöglich sei, weil der Staat hoch verschuldet ist. Das ist übrigens nicht nur die Meinung des CDU-Ministers, sondern auch führender Wirtschaftsexperten.

Was klappt besser: Liebesheirat oder Vernunftehe?

Doch die FDP lässt sich nicht beirren. Sie ist jetzt bockig. Wenn die CDU kein Gesetz für eine Steuerreform vorlegen will, dann legt die FDP eben selbst eins vor. Gedroht hat damit jedenfalls bereits ein liberaler Politiker. Vielleicht sollte er sich das noch einmal überlegen. Ohne die Union hätte das Gesetz im Bundestag keine Chance, aber wenn die FDP die CDU derart düpieren würde, dann kämen auf das junge Eheglück harte Zeiten zu. Aber Moment. In diesem Satz stimmt ja auch wieder etwas nicht. Der Begriff Eheglück. Glücklich sind die Koalitionäre nämlich nie gewesen. Sie haben nur so getan. Wunschpartner seien Union und FDP, haben beide Seiten nach der Wahl beteuert. Aber man wird das Gefühl nicht los, als hätten sie sich das nur eingeredet. Wer sich an das Jahr 2005 erinnert, als sich Union und SPD zur Großen Koalition zusammenfanden, der muss feststellen: Damals lief der Start in die Regierungsarbeit harmonischer ab. Vielleicht sind Vernunftehen, bei denen sich beide so richtig viel Mühe geben, manchmal etwas einfacher zu gestalten als Liebesheiraten, bei denen die Partner denken, es klappe alles von ganz allein. Mit dieser Einstellung sind sie nämlich ganz schnell ein Fall für den Eheberater - oder für den Scheidungsrichter.

Autorin: Sabine Kinkartz
Redaktion: Dеnnis Stute