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Ein Fels für die Ewigkeit

7. September 2009

In der schwedischen Ostseekommune Östhammar soll bis 2020 Europas erstes Endlager für hochradioaktiven Atommüll bereitstehen. Die Anwohner bleiben merkwürdig gelassen.

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Zwischenlager CLAB für verbrauchte Brennstäbe bei Oskarshamn (Foto: SKB)
Atomare Endlager sind in schwedischen Gemeinden begehrtBild: SKB

Jacob Spangenberg genießt das Wochenende im Garten vor seinem Sommerhaus. Dass man 12.000 Tonnen Strahlenmüll unter seinen Füßen begraben will, scheint den Bürgermeister der Gemeinde Östhammar kaum zu beunruhigen. Um das Endlager hatte man sich einen Konkurrenzkampf mit dem langjährigen Atomstandort Oskarshamn geliefert. "Ich freue mich über den Zuschlag" triumphiert Spangenberg. "Das Projekt wird neues Interesse an Östhammar wecken." Die strukturschwache Gemeinde, rund 130 Kilometer nördlich von Stockholm an der Ostsee gelegen, erhofft sich 700 neue Arbeitsplätze und Investitionen von rund drei Milliarden Euro in Anlage und Infrastruktur.

Vertrauensvolle Symbiose

Das schwedische Atomkraftwerk Forsmark (Foto: dpa)
Das schwedische Atomkraftwerk ForsmarkBild: picture alliance / dpa

Die 23.000 Einwohner von Östhammar leben seit Jahrzehnten von und mit der Kernenergie. Der Stromversorger Vattenfall betreibt hier seit 1980 das AKW Forsmark mit seinen drei Siedewasserreaktoren. In den letzten Jahren haben die Meiler vor allem Zwischenfälle und Skandale produziert. Bürgermeister Spangenberg spricht jedoch lieber über den vertrauensvollen Umgang, den er mit dem Betreiber pflege.

Im nächsten Jahr will die Atomfirma SKB, an der Vattenfall beteiligt ist, den Bauantrag bei den Behörden einreichen. Nach Prüfung der geologischen Eignung und der Einlagermethode, der Anhörung der Anwohner und einem Regierungsbeschluss könnte 2013 mit dem Bau begonnen werden. Schweden und der Nachbar Finnland, wo man bereits an einer Deponie baut, wären dann weltweit die ersten Länder mit einem Endlager für hochradioaktiven Atommüll.

Alter Fels mit wenig Spalten

Zwischenlager CLAB für verbrauchte Brennstäbe bei Oskarshamn (Foto: SKB)
Auch Oskarshamn, wo das Zwischenlager CLAB steht, hatte sich als Standort für das neue Endlager beworbenBild: SKB

Als Vorbild dient eine Versuchsanlage, die SKB unter einer Halbinsel bei Oskarshamn betreibt. SKB-Sprecherin Jenny Rees führt durch den Stollen mit seinen gewaltigen Katakomben. Eingeschweißt in bis zu 25 Tonnen schwere Kupferkapseln und von einem Betonitpuffer wasserdicht umhüllt soll das hochgiftige Material 500 Meter tief im Granitgestein für alle Ewigkeit ruhen. "Es ist ein sehr alter Fels, fast zwei Milliarden Jahre alt", sagt Rees. Am geplanten Standort des Endlagers unter dem Werksgelände des AKW Forsmark sei die geologische Struktur noch günstiger, nämlich frei von Rissen und Spalten. "100.000 Jahre müssten wir verbrauchte Brennstäbe sicher verwahren. Für die Menschheit ist das eine extrem lange Zeit, wir reden von 4000 Generationen. Aber geologisch betrachtet ist es doch nur ein kurzer Augenblick."

Die stets freundlich lächelnde Schwedin versichert, dass sie in ihrem Versuchsstollen alle nur denkbaren Szenarien - von der Sturmflut bis zur Eiszeit - in Erwägung ziehen. Darauf weist Rees alle ihre Besucher hin. Zehntausend kamen allein im letzten Jahr. "Ich denke, ein Grund, warum wir keine Proteste hier in Schweden haben, ist, dass wir so offen sind. Wir betreiben unsere Forschung nicht hinter verschlossenen Türen."

Zweifel an der Kupfer-Kapsel

Kupferkapseln für die Endlagerung verbrauchter Brennstäbe (Foto: SKB)
In solchen Kupferkapseln werden die Brennstäbe gelagertBild: SKB

Doch so sicher, wie die sorgsame Inszenierung glauben macht, ist die Methode nicht. Peter Szakalos, Materialforscher an der Königlich-Technischen Hochschule in Stockholm, stellt fest, dass die Betreiber bislang keinerlei Studien nachweisen können, dass sich die Kupferkapseln tatsächlich für die Endlagerung eignen. "Kupfer reagiert mit Chloriden und Sulfiden, aber auch mit dem Wassermolekül an sich. Es löst sich im Grundwasser auf“, behauptet der Forscher. „In unseren Experimenten können wir zeigen, dass die Korrosion 1000 oder gar 10.000 Mal schneller abläuft, als SKB in ihrer so genannten Sicherheitsanalyse angibt."

Auch Arno Unge, der für die Grünen im Gemeinderat von Östhammar sitzt, bemängelt, dass die Pläne nicht ausgereift sind. Vor der Platzwahl habe es zwar unentwegte Lobbyarbeit, aber keine gründliche Einschätzung der Risiken und Kosten gegeben: "Unserer Forderung, alternative Methoden und Standorte im Inland zu untersuchen, hat man sich verweigert." Dabei gebe es genug Anlass, auch über eine Verwahrung in tieferen Formationen nachdenken: "Im schlimmsten Fall würden freigesetzte Nuklide mit dem Grundwasser sehr schnell an die Oberfläche und dann auch in die Nahrungskette gelangen." Gleichwohl sieht der Grüne sich und seine Mitbürger in der Pflicht. In Schweden werde der Abfall produziert, dort müsse er auch beseitigt werden.

Pioniere der Endlagerung

Bislang konnten sich lediglich die Finnen für die schwedische Kapseltechnologie erwärmen. Die Nachbarn haben bereits die Vorbereitungen für ein eigenes Endlager am Standort Olkiluoto an der Südwestküste des Landes begonnen, es könnte 2020 fertig sein. Doch während die beiden atomfreundlichen Länder voranschreiten, sieht es im Rest der Welt düster aus. In mehr als 400 Reaktoren weltweit haben sich bislang über 100.000 Tonnen hochaktiven Kernabfalls angehäuft. Nicht einmal die USA, der größte Erzeuger von Atommüll, haben ein greifbares Konzept für dessen Beseitigung.

Autor: Alexander Budde
Redaktion: Andreas Ziemons