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Expertenanhörung im Haushaltsausschuss

19. Mai 2010

Die Euro-Krise fordert den Bundestagsabgeordneten viel ab. Sie müssen ein Milliardenpaket zur Stabilisierung verabschieden. Heiner Kiesel hat die Beratungen dazu besucht.

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Euro-Münzen (Foto: DPA)
Der Euro ist in GefahrBild: picture alliance/dpa

Es gibt eine gute Nachricht. Ulrich Häde hat sie in den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages mitgebracht. Mit dem Gesetz, mit dem Deutschland zu einem europäischen 750-Milliarden-Euro-Rettungsschirm beitragen soll, so urteilt der Finanzrechtsprofessor aus Frankfurt am Main, sei alles in Ordnung. 123 Milliarden Euro soll der deutsche Staat an Kreditgarantien schultern, damit überschuldete Euro-Staaten vor Spekulanten geschützt werden. Bis zum Freitag soll das Gesetz - so der Plan der Bundesregierung - den Bundestag passiert haben.

Es ist niemandem Wohl dabei. Das zweite Mal innerhalb kurzer Zeit sind die Parlamentarier gezwungen, schnell über schmerzhaft hohe Summen zu entscheiden. Das letzte Mal, kurz vor der wichtigen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai ging es um die Rettung Griechenlands. Das werde ein Einzelfall bleiben, gaben sich damals noch deutsche und europäische Finanzpolitiker zuversichtlich.

Laues Lüftchen Lehmann-Pleite

Jochen Sanio, Chef der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Foto: AP)
Jochen Sanio, Chef der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)Bild: AP

Nun ist es wieder soweit. Wieder muss gerettet werden. In einem Anhörungssaal schräg unterhalb der Reichstagskuppel sitzen die Mitglieder des Haushaltsausschusses und hören den Finanzexperten zu, die sie in ihre Sitzung eingeladen haben.

Wie schlimm ist die Krise und was passiert an den Kapitalmärkten, wird Jochen Sanio gefragt. Der Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wundert sich darüber, dass der jüngste Beschluss für das EU-Hilfspaket nicht ausgereicht hat, die Situation zu beruhigen: "Ich bin erstaunt, dass die Märkte das Paket nicht gekauft haben." Dennoch rät der Finanzwächter den deutschen Parlamentariern, dem anstehenden Gesetz zuzustimmen. Im Vergleich zu dem was sonst passieren könnte, wäre die Lehmann-Pleite "nur ein laues Lüftchen gewesen." Laut Sanio habe der Bundestag keine Wahl.

Alternativlos zu sein ist unangenehm für einen gewählten Volksvertreter. Doch das Vertrauen im Finanzsektor muss wieder hergestellt werden, das wissen die Abgeordneten. Aber wie geht das, ohne sich preiszugeben? Der Markt ist misstrauisch, schnell beleidigt und ebenso nachtragend. Am Vortag verbietet die Bundesregierung eine Reihe von Leerverkäufen und der Euro gerät unter Druck, der DAX knickt ein. Die Bundeskanzlerin spricht in einer Regierungserklärung davon spricht, dass "die gegenwärtige Krise des Euro die größte Bewährungsprobe ist, die Europa seit Jahrzehnten zu bestehen hat".

Weber macht Druck

Der FDP-Abgeordnete Otto Fricke will wissen, wie sehr sich der Bundestag mit dem Gesetz beeilen muss. Darauf erklärt der Chef der Bundesbank, Axel Weber, trocken: "Eine Eilbedürftigkeit ist durchaus gegeben." Dann macht er Druck. "Diese Woche ist bei den Märkten schon eingepreist", gesteht er zu, aber mehr Zeit bleibe nicht. Wenn Weber über die Zwänge des Augenblicks spricht, verlieren viele Ausschussmitglieder die Displays ihrer iPhones und Blackberrys aus den Augen und schauen gebannt auf ihn. Nicht wenige haben die flache Hand auf das Kinn oder die Wange gelegt. Die Worte des Bundesbankchefs vermitteln ein Gefühl von Kontrollverlust.

Axel Weber, Präsident der Deutschen Bundesbank (Foto: AP)
Axel Weber, Präsident der Deutschen BundesbankBild: AP

"Es entsteht der Eindruck, dass man Getriebener der Märkte und nicht Handelnder ist", sagt Weber. Er lässt diesen Satz einfach stehen und versucht Mitgefühl zu zeigen. Er sei ja selbst ganz bestürzt, zum dritten Mal innerhalb kurzer wieder im Bundestag zu einem Finanzrettungspaket befragt zu werden.

Wenig Chancen für Mitbestimmung

Der CSU-Abgeordnete Bartholomäus Kalb fragt, wie die Märkte denn darauf reagieren würden, wenn sich der Bundestag eine Mitbestimmung bei den einzelnen Tranchen des Hilfspakets ausbedingen würde. Noch am Vortag hatte der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Hans-Peter Friedrich betont, dass bei jeder Freigabe von Mitteln aus dem Rettungspaket der Wille der Wähler eine Rolle spielt.

"Die würden glauben, das Gesetz wäre schwebend unwirksam", rät Weber ab und lehnt seinen Oberkörper vor, die Ellenbogen aufgestützt. Außerdem würde das dazu führen, dass die Abgeordneten ständig zu eilig einberufenen Wochenendsitzungen zusammenkommen müssten. "Ich sage ihnen", scherzt er, "solche Entscheidungen müssen immer Sonnabend um zwei Uhr nachts getroffen werden". Die Abgeordneten finden das nicht lustig. Das Gemurmel im Saal ist eher ärgerlich. "Das Parlament ist immer wach", fährt die Ausschussvorsitzende Petra Merkel von der SPD dazwischen. Es klingt trotzig, die Märkte werden wenig mit dieser Regung anfangen können.

Autor: Heiner Kiesel
Redaktion: Kay-Alexander Scholz