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Pressefreiheit in Gefahr

Das Interview führte Luna Bolívar Manaut (ina)29. Mai 2007

Nach der Schließung eines oppositionellen Senders visiert Venezuelas Präsident Chávez schon den nächsten an. Gibt es dort noch Pressefreiheit? Ein DW-WORLD.DE-Gespräch mit Mercedes Arancibia von "Reporter ohne Grenzen".

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Oppositionelle protestieren gegen die Schließung des Senders RCTV, Foto: P
Trotz Einschüchterung: Es gibt noch eine Opposition in VenezuelaBild: AP

DW-WORLD.DE: Nach 20 Jahren lief am Sonntag um Mitternacht die Lizenz des unabhängigen Senders "Radio Caracas Televisión" (RCTV) aus und wurde nicht erneuert. An seine Stelle tritt ein neuer, staatlicher Sender namens "TVes" ("Soziales Venezolanisches Fernsehen"). Globovisión könnte der nächste Sender sein, der sein Programm einstellen muss. Ist das der Beginn einer Kampagne gegen die Pressefreiheit?

Mercedes Arancibia: Diese Kampagne gegen Presse- und Meinungsfreiheit hat nicht erst jetzt mit der Schließung des Senders begonnen. Präsident Chávez versucht schon lange, die venezolanische Medienlandschaft zu kontrollieren. In den letzten Monaten wurden allein 63 neue Zeitungen gegründet, die man als regierungsnah bezeichnen kann. Zusammen mit denen, die es sowieso schon gibt und dem Rundfunk, ist das eine beachtliche Machtkonzentration.

Dem Sender RCTV hat man vorgeworfen, den Putschversuch gegen Chávez im Jahr 2002 unterstützt zu haben. Globovisión beschuldigt man der Anstiftung zum Mord an Chávez. Leidet der venezolanische Präsident an Paranoia oder gibt es wirklich eine Verschwörung zwischen den Medien und der politischen Opposition?

RCTV hat, wie andere Medien auch, den Staatsstreich 2002 befürwortet. Aber er scheiterte ja letzten Endes, Chávez blieb im Amt und auch durch die letzten Wahlen im Amt bestätigt. Darum hat Chávez von der Opposition nichts zu fürchten. Aber es sollte immer noch das Recht auf Kritik geben und außerdem rechtfertigt das nicht fünf Jahre später die Schließung eines Fernsehsenders.

Und im Fall Globovisión wird sich so schnell nichts tun. Ausgehend von deren Berichterstattung über die Schließung von RCTV hat der venezolanische Kulturminister William Lara verfügt, dass Rechtsanwälte und Sprachwissenschaftler die Sendungen nicht nur auf regierungskritische Botschaften untersuchen sollen, sondern auch, ob sie zu Angriffen auf Chávez aufrufen. Ich hoffe, dass das ein langwieriger Prozess werden wird, der irgendwann im Sande verläuft.

Gibt es denn in Venezuela noch kritische Medien?

Doch, es gibt noch unabhängige Medien in Venezuela, sowohl in der Presse als auch im Rundfunk. Allerdings unterwandert das Chávez, indem er einerseits immer mehr regierungsnahe Medien einrichtet und andererseits die unabhängigen immer häufiger mit Restriktionen rechnen müssen, wie jetzt im Fall der Nicht-Verlängerung von Lizenzen bei RCTV.

"Reporter ohne Grenzen" hat die internationale Gemeinschaft dazu aufgerufen, gegen diese Machtdemonstration von Chávez zu protestieren. Welche Aktionen planen Sie?

Wir werden den Fall vor die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen bringen, wo "Reporter ohne Grenzen" einen Konsultativstatus hat. In der vergangenen Woche haben wir den Fall auch schon ins Europäische Parlament eingebracht. Und wir wollen eine Mobilisierungskampagne starten: Es ist nicht unser Ziel, dass RCTV wieder sendent - ich glaube, daran können wir nichts mehr ändern - sondern wir wollen die Medien, die in Venezuela noch unabhängig sind und immer weniger werden verteidigen und schützen.

Es scheint aber, dass Hugo Chávez die internationale Kritik und die europäischen Resolutionen nicht besonders ernst nimmt. Glauben sie, dass diese Verurteilungen durch internationale Institutionen irgendwas bringen?

Das hoffe ich doch! Natürlich werden sie weniger Chávez beeinflussen, der diese autoritäre Entscheidung gefällt hat, als vielmehr die Menschen: Der Teil der Bevölkerung Venezuelas, der nicht mit den Entscheidungen von Chávez einverstanden ist, wird sich durch unsere Kritik und unsere Kampagnen unterstützt fühlen. Sie sehen, dass sie nicht alleine sind in ihrem Kampf für Meinungsfreiheit und Informationsvielfalt. Und ich denke, das ist sehr wichtig!

Landesweit gab es Demonstrationen gegen die Schließung von RCTV. Könnten diese Proteste Chávez in ernsthafte Schwierigkeiten bringen?

Hugo Chávez hat immer noch mehr als die Hälfte seines Landes hinter sich. Es war zwar eine bemerkenswerte Zahl an Menschen, die auf die Straße gegangen ist, um gegen ihn zu protestierten, aber ich glaube nicht, dass das Chávez' Amt ernsthaft in Gefahr bringen könnte. Aber ich glaube schon, dass er sich damit einen gewaltigen Fehltritt geleistet hat und dass er sich das beim nächsten Mal sehr gut überlegen wird.

Aber er hält sich für unabhängig, und er ist überzeugt, dass er durch die Akzeptanz, die er für seine Sozialpolitik hat, tun und lassen kann, was er will. Aber die internationale Kritik, die ihm nach dieser letzten Maßnahme entgegen geschlagen ist, wird ihn hoffentlich zum Nachdenken bringen. Darum glaube ich, dass er dieses Mal wirklich zu weit gegangen ist.

Wie sehen Sie die Zukunft Venezuelas?

Ich weiß es nicht. Immerhin ist die Mehrheit der Venezolaner zufrieden mit Chávez, und wenn er keine weiteren großen Dummheiten oder Fehler macht, werden sie ihn auch wieder wählen.

Und was wird aus der Pressfreiheit in dem Land?

Wenn er so weiter macht wie bisher, sehe ich schwarz. Dann könnte Venezuelas Medienlandschaft so enden wie die auf Kuba – was ich nicht hoffe - wo es nur noch eine einzige Stimme gibt.