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Global Player der Kultur: 60 Jahre "Goethe"

8. Juli 2011

Es begann mit einem kleinen Verein zur Förderung der deutschen Sprache. Heute arbeiten 3000 Mitarbeiter des Goethe-Instituts rund um die Welt an internationalen Kulturprojekten. Eine Erfolgsgeschichte aus Deutschland.

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###Bitte beachten Sie, dass die hier zum Download angebotenen Abbildungen urheberrechtlich geschützt sind und ausschließlich zur aktuellen Berichterstattung über 60 Jahre Goethe-Institut verwendet werden dürfen.### 1976 Lomé/Togo 2 Frauen mit Goethe-Büste und Kopfhörern Die Arbeit in Afrika hat im 21. Jahrhundert wieder stark an Bedeutung zugenommen. Nur zur Berichterstattung über 60 Jahre Goethe-Institut verwenden!
60 Jahre Goethe-Institut JubiläumBild: Goethe-Institut/Michael Friedel

Das jüngste Institut auf der Goethe-Weltkarte wurde gerade erst eröffnet. Es liegt an einem Ort, der spektakulärer kaum sein könnte: mitten im militärischen Sperrgebiet, das den Norden und den Süden des geteilten Landes Zypern voneinander trennt. Bewacht von UNO-Blauhelmsoldaten und umgeben von Stacheldraht-Zäunen. Es ist das 150. Goethe-Institut weltweit. Die Eröffnung ist nicht zuletzt ein symbolischer Akt in dem Jahr, in dem "Goethe" sein 60-jähriges Jubiläum feiert. Vor elf Jahren war das Institut in Nikosia geschlossen worden. Ein unhaltbarer Zustand, fand Klaus-Dieter Lehmann, Präsident des Goethe-Instituts seit 2008. "Da muss etwas passieren", beschloss er: "Die letzte geteilte Hauptstadt Europas, Goethe in der Mitte – das ist einzigartig! Das kann eine Botschaft Europas sein."

Alternative Wege: Kultur statt Politik

Das Goethe-Institut Nikosia im Spiegel der Grenzanlagen (Copyright: DW/Aya Bach)
Im Spiegel der Grenzanlagen: Goethe-Institut ZypernBild: DW

Doch dieser Neustart ist weit mehr als eine Botschaft oder ein Symbol. Denn in Nikosia zeigt sich wie in vielen anderen Instituten auch, dass sich die Arbeit der "Goethe"-Mitarbeiter weltweit keineswegs auf schlichten Sprachunterricht oder schöngeistigen Kulturaustausch beschränkt. Längst gehört es zu den Aufgaben des Instituts, in Konfliktsituationen mit den Mitteln der Kultur Verständigung zu suchen. Wo die Politik nicht weiterkommt, kann und muss es darum gehen, andere Wege zu finden - im Falle Nikosia um Wege der Aussöhnung zwischen den griechischen und türkischen Zyprern, die noch immer unter den Folgen des Bürgerkriegs leiden.

Revolution und Geheimakten: ein Erfahrungsaustausch

Wie sehr die kulturelle Arbeit inzwischen in den politischen Bereich hineinreicht, zeigt auch die Entwicklung in der arabischen Welt – eine Region, in der sich "Goethe" zur Zeit besonders engagiert. In Ägypten und Tunesien beispielsweise, wo das Institut arabische Künstler oder Filmemacher mit deutschen Kollegen zusammenbringt und gemeinsame Projekte initiiert. Oder indem man in der so genannten "Tahrir-Lounge", die rasch in Kairo eingerichtet wurde, einen Erfahrungsaustausch über politische Umbruchs-Situationen ermöglicht. "Wir haben Mitarbeiter der Gauck-Behörde nach Kairo gebracht, um zu darüber zu sprechen, wie man mit geheimen Akten umgehen kann und wie das in Deutschland nach der Wiedervereinigung gemacht wurde", erzählt Klaus-Dieter Lehmann. "Unsere Arbeit reicht vom Künstlerischen und Kulturellen bis in gesellschaftspolitische Bereiche."

Die "Tahrir-Lounge" des Goethe-Instituts Kairo. (Copyright: Mohamed Elmaymony)
Diskussionsforum: die 'Tahrir-Lounge' des Instituts KairoBild: Mohamed Elmaymony

Als das Institut vor 60 Jahren gegründet wurde, war an solche kulturpolitischen Aktionen noch nicht zu denken: Nach dem Zweiten Weltkrieg und den Verbrechen der Nationalsozialisten hatte Deutschland international jeden Kredit verspielt. Die Bundesrepublik war gerade einmal zwei Jahre alt. Es galt, neues Vertrauen in der Welt zu gewinnen. Mit kleinen, bescheidenen Schritten statt mit großen Sprüngen.

Deutsche Idylle

Einer dieser Schritte ist die Gründung des "Goethe e.V. zur Fortbildung ausländischer Deutschlehrer" am 9. August 1951 in München. Und die Lehrer, die ins Land des Namenspatrons reisen, sollen ein Deutschland kennenlernen, das die Schrecken des Zweiten Weltkriegs vergessen machen will: Die ersten Sprachkurse finden in kleinen, idyllischen Orten wie Bad Reichenhall oder Murnau statt.

Sprachschüler in Murnau 1953 (Foto: Goethe-Institut / Michael Friedel)
Sprachschüler 1953 in MurnauBild: Goethe-Institut / Michael Friedel

Schon 1952 entsteht das erste Auslands-Institut in Athen, zehn Jahre später hat "Goethe" bereits 54 Vertretungen im Ausland und 17 Institute in Deutschland - alles in Eigenregie. Denn das Goethe-Institut hatte sich als selbständiger Verein konstituiert, der in eigener Verantwortung handelt. Das Zauberwort, mit dem sich Vertrauen gewinnen lässt, heißt damals wie heute: Unabhängigkeit von der Politik. "Wir sind kein Staatsunternehmen", betont Klaus-Dieter Lehmann, "sondern eine unabhängige Rechtspersönlichkeit, die zwei Drittel ihres Etats vom Parlament genehmigt bekommt und ein Drittel selbst verdient. Aber wir sind unabhängig in der Programmgestaltung. Das wird in der Welt ganz aufmerksam wahrgenommen, und daraus beziehen wir unsere Glaubwürdigkeit."

Klassik nach dem Krieg

In den Anfangsjahren des Goethe-Instituts knüpfen die Kulturprogramme bewusst an die Klassik an. Namen wie Goethe und Schiller, Bach oder Beethoven haben auch nach Krieg und Holocaust im Ausland einen guten Klang. Doch die Schwerpunkte ändern sich bald mit der Aufbruchsstimmung der 1968er Generation, die auch die Bundesrepublik erfasst. Flower-Power, Studentenproteste und die Politisierung der Gesellschaft gehen am Goethe-Institut nicht vorbei und prägen die Kulturprogramme.

Klaus Doldinger war bereits Ende der 60er Jahre für das Goethe-Institut in Asien unterwegs. Wie hier in Lahore/Pakistan jazzte er mit den örtlichen Musikern. © Goethe-Institut / Michael Friedel
Jazzmusiker Klaus Doldinger war Ende der 60er Jahre für das Goethe-Insitut in Asien unterwegs.Bild: Goethe-Institut/Michael Friedel

Es ist eine Zeit, in der sich die Bundesrepublik neu definiert, die Zeit der Reformpolitik unter dem sozialdemokratischen Bundeskanzler Willy Brandt. 1970 entwickelt der Soziologe Ralf Dahrendorf, damals Parlamentarischer Staatssekretär im Auswärtigen Amt, seine berühmt gewordenen Leitsätze, die in eine neue Richtung weisen: Kulturpolitik wird zur "Dritten Säule der Außenpolitik". Doch Dahrendorf geht es nicht nur um eine Aufwertung, sondern um ein verändertes Denken. "Was wir geben, ist nur so viel wert wie unsere Bereitschaft zu nehmen", heißt es da, "Offenheit für andere ist daher ein Prinzip unserer Auswärtigen Kulturpolitik."

Vom Kulturexport zum Dialog

Das größte Institut: 'Goethe' in Moskau (Copyright: Goethe-Institut)
Das größte Goethe-Institut weltweit: MoskauBild: Goethe Institut in Moskau

Nicht Kulturexport, wie er auch bei "Goethe" lange betrieben wurde, sondern Austausch, Dialog, gemeinsames Arbeiten auf Augenhöhe hieß Dahrendorfs Forderung. Inzwischen ist das Alltag für die rund 3000 Instituts-Mitarbeiter, die sich weltweit mit lokalen Partnern vernetzen. Eine große Sensibilität ist bei ihnen entstanden, viel Wissen und Respekt voreinander. Und immer stärker strahlt dieser kulturelle Reichtum auch nach Deutschland zurück.

In weiten Teilen der Welt indes hat sich das Goethe-Institut erst spät so umfassend aufstellen können wie es heute selbstverständlich erscheint: Erst nach dem Fall der Mauer und dem Ende des Kalten Krieges war eine Neuorientierung nach Osteuropa möglich. Sie ging in atemberaubendem Tempo vonstatten. Allein im Jahr 1991 gab es fünf Neueröffnungen von Instituten – in Warschau, Prag und Krakau, in Budapest und Moskau. Inzwischen hat sich in Osteuropa und Zentralasien die Arbeit konsolidiert.

Internationale Glaubwürdigkeit

Heute, mehr als zwei Jahrzehnte nach dem Mauerfall, sieht Präsident Klaus-Dieter Lehmann die größten Herausforderungen in Nahost und Nordafrika, in Afrika südlich der Sahara und in Südostasien, insbesondere im rasant sich entwickelnden China. "Wir sind dort nicht nur präsent mit Kulturveranstaltungen, sondern bauen Strukturen auf", erklärt er: "Das ist derzeit unsere große Aufgabe in der Welt. Indem wir unsere Arbeit nicht vordergründig mit wirtschaftlichen Interessen verbinden, sondern uneigennützig über die Kultur agieren, wird das auch angenommen. Das ist glaubwürdig und langfristig gesichert."

TeilnehmerInnen eines Kulturmanagement-Workshops am Goethe-Institut Johannesburg (Foto: Aya Bach)
Workshop für Kulturmanagement am Goethe-Institut JohannesburgBild: DW

Für neue Institutsgründungen aber gibt es derzeit keine Pläne. Bei den 150 Häusern soll es erst einmal bleiben. Auch die Debatten vergangener Jahre, ob Goethe-Institute in einem friedlichen und leidlich vereinten Europa vielleicht überflüssig seien, ist inzwischen vom Tisch, wie schon der Blick auf das neueröffnete Institut in Zypern zeigt. Und wie fragil auch die europäische Harmonie sein kann, erweist sich jetzt schon angesichts der Diskussion um griechische Schulden und europäische Hilfe: Für "Goethe" bleibt auch vor der eigenen Haustür nach 60 Jahren noch immer genug zu tun.

Autorin: Aya Bach
Redaktion: Marlis Schaum