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Zum Geburtstag zwei Goldmedaillen

Joscha Weber31. Juli 2012

Sie hatten die Favoritenbürde und hielten dem Druck stand: Die deutschen Vielseitigkeitsreiter holen am vierten Olympiatag gleich drei Medaillen. Grund dafür scheint die besondere Atmosphäre im Team zu sein.

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Michael Jung auf Sam an einem Hindernis (Foto: Cameron Spencer/Getty Images)
Bild: Getty Images

Es war eine Eruption der Gefühle, die da auf Nullmeridian des Greenwich Parks stattfand. Erleichtert und voller Freue reckte Michael Jung nach seinem Goldritt die Siegerfaust in den Himmel, während Bundestrainer Hans Melzer Jubelsprünge machte und Jungs Teamkollegen frenetisch feierten. Was war geschehen? Die deutsche Vielseitigkeits-Equipe mit Welt- und Europameister Michael Jung, Ingrid Klimke, Sandra Auffarth, Dirk Schrade und Peter Thomsen dominierte den olympischen Mannschaftswettbewerb mit einer nahezu fehlerlosen Leistung: 133,70 Punkte vor Großbritannien (138,20) und Neuseeland (144,40) waren ein erneuter eindrucksvoller Beweis der hervorragenden Arbeit im deutschen Reitsport, die kurz darauf noch vom Einzeltitel von Michael Jung und der Bronzemedaille von Sandra Auffahrt gekrönt wurde.

Sieg im "Mutterland der Vielseitigkeit"

Da wäre zum Beispiel der Bundestrainer: Hans Melzer sorgte mit den richtigen Trainingsreizen bereits 2008 in Peking für zwei und 2004 in Athen für eine Goldmedaille. Immer freundlich, stets sachlich und enorm erfolgreich leitet er die deutschen Vielseitigkeitsreiter und konnte den erneuten Triumph kaum fassen. "Hier im Mutterland der Vielseitigkeit zu gewinnen, ist gigantisch", meinte Melzer in Anspielung auf die knapp unterlegenen Briten. Längst gilt der 61-Jährige, der als Aktiver in den 70er Jahren EM-Teilnehmer war, als "Goldschmied" im deutschen Reitsport und sorgt mit seiner fürsorglichen Art für eine familiäre Atmosphäre im Team. Sowohl der Reit-Verband als auch Melzer deuteten bereits an, die Zusammenarbeit zumindest bis zu den nächsten Spielen von Rio de Janeiro fortzusetzen.

Sandra Auffarth auf Opgun Louvo an einem Hindernis (Foto: Reuters)
Sandra Auffarth erwischte wie Jung einen Klassetag: Gold im Team und Bronze im EinzelBild: Reuters

Dort könnte auch er noch einmal antreten: Michael Jung, der sich mit seinen beiden Olympiasiegen selbst das größte Geburtstagsgeschenk machte. "Das ist einfach fantastisch. Die Anspannung war sehr groß. Sam war in einer unglaublichen Verfassung", lobte Jung sein Pferd, das ihn zuvor vor 23.000 Zuschauern im Stadion gleich zweimal zum Sieg getragen hatte: im Team und im Einzel – eine eindrucksvolle Demonstration seiner Nervenstärke. Dem voraus ging eine Bilderbuchkarriere. Jung saß schon früh im Sattel, gefördert von seinem Vater Joachim, der bis heute sein Trainer und Manager ist. In der Folge wurde er bereits in der Jugend Europameister und entwickelte sich bei den Herren zum absoluten Top-Reiter. In London nennen ihn die Konkurrenten ehrfurchtsvoll nur "the one to beat", der, den es zu schlagen gilt.

Jeden Abend in den Pub

Kaum zu schlagen waren vor den Augen des britischen Thronfolgers Prince William und seiner Frau Kate auch die anderen deutschen Reiter. So zauberte der deutsche Vielseitigkeits-Shootingstar Sandra Auffarth eine hervorragende Leistung auf den Parcours. Mit ihrem Pferd Opgun Louvo ritt die 25-Jährige im Teamwettbewerb ebenso schnell wie präzise und übersprang alle Hindernisse mühelos. Gleiches gelang Dirk Schrade mit King Artus. Der Routinier im Team hatte seine Laufbahn als Ponyreiter begonnen und machte neben Ausbildungen zum Bankkaufmann und Pferdewirtschaftsmeister Karriere bei den Reitern.

Nicht mehr ins Gewicht fielen im Mannschaftswettbewerb die neun Strafpunkte von Schlussreiterin Ingrid Klimke mit Abraxxas sowie die zwei Abwürfe, die Peter Thomsen mit Barny auf dem engen Parcours unterliefen. Auch bei solchen Fehlern blieb das deutsche Team locker. Vielleicht liegt das ja an der besonderen Atmosphäre, die in dieser Mannschaft und ihrem Umfeld herrscht. Bestes Beispiel: Nach jedem Wettkampf-Tag trafen sich die Reiter und ihre mitgereisten Angehörigen in einem Pub um die Ecke zu einem kleinen Umtrunk. Später am Abend gab es im olympischen Dorf noch ein letztes Bier. Geschadet hat es ihnen ganz offensichtlich nicht.