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"Ein Haufen Schutt": Die Statuen von Bamiyan

18. April 2010

2001 sprengten die Taliban zwei riesige Buddha-Statuen. Seit dem Sturz der Taliban beteiligt sich auch Deutschland an den Aufräumarbeiten. Wie steht es heute um die Statuen?

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Die leeren Nischen der monumentalen Buddha-Statuen im Bamiyan-Tal, Afghanistan (Foto: AP)
Die leeren Buddha-Nischen im Bamiyan-TalBild: AP

Übrig geblieben ist nur ein riesiger Haufen Sand und Schutt. Die nischenartigen Höhlen, in denen das Team vom Internationalen Rat für Denkmalpflege die Überreste der gesprengten Statuen aufsammelt, haben in etwa die Größe der Dresdener Frauenkirche. Und auch die Steinbrocken, mit denen es die Denkmalpfleger zu tun haben, sind teilweise riesig. "Bei dem größeren Buddha geht es um gewaltige Stücke von bis zu 60 oder 70 Tonnen", sagt Michael Petzet vom Internationalen Rat für Denkmalpflege (ICOMOS).

Die Aufräumarbeiten der Denkmalpfleger sind gefährlich: Neben Munitionsresten aus der sowjetischen Besatzungszeit ist auch die Statik ein Problem. Vor allem die Nische des kleineren Buddhas drohte lange Zeit komplett einzustürzen. "Durch die Explosion war das ganze Untergeschoss weggeblasen", sagt Petzet. "Da kann man nur mit kleinen Dübeln und Nadeln versuchen, den die Statue wieder zusammen zu flicken. Vom kleineren Buddha ist aber sehr viel mehr Originaloberfläche übrig, als man ursprünglich nach dem Desaster von 2001 hätte vermuten können."

Ein Arbeiter im Bamiyan-Tal konserviert die Reste der gesprengten Buddha-Statuen (Foto: AP)
Ein Arbeiter im Bamiyan-Tal konserviert die Reste der gesprengten Buddha-StatuenBild: AP

Puzzeln unter Zeitdruck

Bei den Aufräumarbeiten drängt die Zeit. Früher waren die Buddhas geschützt durch ihre Höhle und eine Schicht von altertümlichem Putz aus Wasser, Lehm und Ziegenhaaren. Nach der Sprengung sind die Trümmer des empfindlichen Steines nun Wind und Wetter schutzlos ausgeliefert, sagt Petzet. "Der Stein ist sehr salzhaltig. Wenn wir nichts getan hätten, würde das alles zu Sand zerfallen." Das Team um Petzet hat große Schutzhütten errichtet und fast alle Steine geborgen. "Nur bei ein paar ganz Mächtigen ging das nicht - weil die Kräne nicht groß genug sind."

Es gleicht einem gigantischen Puzzlespiel: Nachdem die Trümmerteile geborgen und durch Konservierung haltbar gemacht werden, beginnt die Identifizierung. Wo hat dieser Brocken hingehört? Ist es ein Teil des Kopfes oder des Arms? Das ICOMOS-Team, das bei seiner Arbeit vom Auswärtigen Amt unterstützt wird, greift für diese Fragen auf modernste Technik zurück: "Durch Magnetfeldmessungen der Erde ist es uns gelungen, alle Blöcke zu identifizieren. Selbst wenn es nur formloses Gestein ist, kann man sagen, was die Rückseite ist, was oben und was unten."

Bevölkerung unterstützt die deutschen Arbeiten - noch

Doch selbst nachdem klar ist, welcher Stein auf welchen gehört, ist unklar, ob die Statuen je wieder aufgebaut werden. Die Taliban hatten die Buddhas von Bamiyan gesprengt, weil sie in ihren Augen "unislamische Idole" darstellten. Die afghanische Regierung will dagegen beide Statuen komplett restaurieren, auch über den Zustand vor ihrer Sprengung hinaus.

Michael Petzet (Foto: dpa)
Michael Petzet, der deutsche Vertreter im Internationalen Denkmalrat (ICOMOS)Bild: picture-alliance/ dpa

Petzet geht das aber gegen die Ehre des Denkmalpflegers, schließlich seien die Buddhas schon lange nur ein Fragment gewesen - ihre Gesichter fehlen zum Beispiel schon seit Jahrhunderten. Mittlerweile sei ihr religiöser Nutzen aber geringer. "Auch wenn die Buddhas wieder perfekt restauriert werden: Es wird immer in erster Linie eine archäologische Stätte sein, nie ein 'Buddha im Dienst' wie beispielsweise in Sri Lanka." Petzet favorisiert deshalb den Bau eines Museums, das mit ausgewählten Exponaten die Geschichte des gesamten Bamyian-Tals erzählt.

Die Sprengung durch die Taliban ist für Petzet ein Teil der Geschichte der Statuen. Einer Geschichte, die mehrfach mit motiviertem Vandalismus verknüpft war. "Schon als Dschingis Khan durch das Tal geritten ist, haben ihm die Statuen nicht gefallen". Im 17. Jahrhundert wurden die Buddhas dann von Kanonen des Großmoguls Aurangzeb beschossen, später dienten die Höhlen den Sowjets und anschließend den Taliban als Munitionslager.

Die Bevölkerung stehe der Bergung und Konservierung positiv gegenüber, sagt Petzet. Ob das auch so bleibt, wenn in einer der ärmsten Region Afghanistans Millionen für einen Wiederaufbau ausgegeben werden, ist dagegen fraglich. Das Tal mit seinen hunderten Höhlen, Wandmalereien und kleineren Buddhastatuen ist Weltkulturerbe der UNESCO. Zusammen mit der afghanischen Regierung wird die UNESCO nun entscheiden wie es weitergeht, mit dem großen, aber wertvollen Haufen Schutt in Afghanistan.

Autor: Samuel Jackisch
Redaktion: Esther Broders