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Wohnen auf dem Wasser

Kerstin Schweighöfer19. Februar 2009

Wohnen auf dem Wasser ist für die Niederländer mit ihren Hausbooten nichts Neues. Doch inzwischen entstehen schwimmende Wasservillen. Aus Angst vor dem steigenden Meeresspiegel flüchten viele Niederländer aufs Wasser.

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Wandmalerei Insel Reichenau, Bodensee;
Leben wir in Zukunft alle auf dem Wasser? Eine Zukunftsvision, die auch schon im Mittelalter geträumt wurde.Bild: picture-alliance / HB Verlag

Wenn seine kleine Enkelin nach draußen geht, dann nur mit Schwimmweste.Denn Cees Huijing lebt mit seiner Frau Anneke auf einer eleganten Wasservilla zwischen Hilversum und Utrecht. Sein Haus sieht aus wie ein ganz normales Haus, doch es treibt auf dem Wasser. Es ist ein Amphibienhaus.

Der See, auf dem das Haus der Huijings liegt, heißt "Wijde Blik" - weiter Blick – und den genießen Cees und Anneke jeden Tag aufs Neue: Der dem Wasser zugewandte Teil der Villa mit dem Wohnbereich ist verglast. "Es ist die Freiheit, die man auf dem Wasser hat.", schwärmt Cees. Der 62-jährige Geschäftsmann ist ein echter Wassermensch. "Ich surfe, ich segle, fische und schwimme – und im Winter, sobald es friert, stehe ich auf den Schlittschuhen."

Für den Klimawandel gewappnet

Amsterdam; Quelle: (AP Photo/Peter Dejong)
Schon heute ist Amsterdam die Stadt am Wasser. In Zukunft könnte Sie sogar die Stadt im Wasser sein.Bild: AP

Die Amphibienhäuser sind die Antwort der Niederländer auf den steigenden Meeresspiegel. Bis zu vier Meter könnten es bis zum Jahr 2200 sein. Höhere Deiche alleine helfen da nicht. "Nicht mehr gegen das Wasser kämpfen, sondern mit oder auf dem Wasser leben", lautet die neue Devise. Denn: "Dort sind wir sicher", erklärt Cees. Seine Wasservilla ist mit einem dicken Stahlring an einem Pfosten festgemacht. So könne sich das Haus dem Wasserspiegel anpassen – wie die Arche Noah, sagt er.

Die Amphibienhäuser können sich je nach Wasserstand bis zu vier Meter nach oben oder unten bewegen. Die Versorgung mit Wasser und Strom – und auch die Entsorgung von Abwässern – erfolgt über Schläuche und Kabel. Man muss allerdings für genügend Spielraum sorgen, damit sie bei steigendem oder sinkendem Wasserspiegel nicht reißen.

Ganze Viertel schwimmen auf dem Wasser

Als Immobilie kann man diese Häuser, die rund 240.000 Kilogramm wiegen, im Grunde genommen nicht mehr bezeichnen. Mit einem Hausboot oder dessen Nachfolger, der Wohnarche, lassen sie sich aber auch nicht mehr vergleichen. Dazu sind sie viel zu solide. "Selbst bei Sturm kommen sie kaum ins Schwanken", versichert Cees. Das Fundament bestehe aus einer mit Styropor gefüllten Betonwanne und sei unsinkbar.

Noch gehören Cees und seine Frau zu den Pionieren des so genannten Aquawohnens. Doch längst haben sich Städteplaner, Architekten und Bauunternehmen auf diese Entwicklungen eingestellt: Überall in den Niederlanden entstehen Wasservillen, manche Gemeinden bauen sogar ganze treibende Wohnviertel. In Almere etwa entstehen 500 waterwoningen, Groningen leistet sich eine Blaue Stadt, Leeuwarden ein Blaues Herz. Und Amsterdam realisiert nordöstlich vom Hauptbahnhof im Ij-Gewässer auf künstlichen Inseln und auf dem Wasser das neue Stadtviertel Ijburg.

Hausboot auf der Havel bei Berlin
Das Hausboot ist den Niederländern zu klein geworden. Jetzt entstehen schwimmende Siedlungen.Bild: picture-alliance /dpa/dpaweb

Der See vor der Haustür

"Aquawohnen ist in", sagt Cees, als er die Treppe ins Untergeschoss hinuntersteigt. Das Untergeschoss mit Bad, Gäste- und Arbeitszimmer liegt 2,5 Meter unter der Wasseroberfläche. Raffinierte Lichtschächte und Fenster in der Decke sorgen für ausreichend Tageslicht. Küche und Esszimmer liegen oben, gleich neben dem großen Wohnzimmer.

Vor der Schiebetür, die direkt ans Wasser grenzt, hat sich eine Schar schneeweißer Enten versammelt. Fehlt nur noch, dass sie über den dicken Wollteppich ins Wohnzimmer watscheln!

Aber so weit sei es noch nie gekommen, sagt Cees. Noch nie sei das Leben auf dem Wasser so sicher und komfortabel gewesen. Und noch nie habe es so viel Spaß gemacht, lacht er und deutet auf den Flatscreen über dem Kamin: "Wenn Holland gegen Deutschland ein Tor macht, brauche ich nur kurz Anlauf zu nehmen, und kann vor Freude ins Wasser springen."