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99 Prozent Erfolgsquote

2. September 2009

Ausländer, die Deutsche werden wollen, müssen seit dem 1. September 2008 einen Einbürgerungstest bestehen. Sie müssen Fragen über Deutschland beantworten. Die Erfolgsquote ist hoch. Woran liegt das?

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Meldebogen fuer den Einbuergerungstest (Foto AP)
Bild: dpa

Die Vorbereitungskurse der Volkshochschulen für den Einbürgerungstest werden so gut wie nicht genutzt - aus mangelndem Interesse klagen die Anbieter. In der Bundesstadt Bonn hat bisher kaum ein Kurs stattgefunden, weil es nicht genügend Anmeldungen gegeben hat. Scheinbar nutzen die Ausländer andere Möglichkeiten wie das Internet. Dort können sie sich ebenfalls auf den Einbürgerungstest vorbereiten. 300 mögliche Prüfungsfragen zur deutschen Geschichte und Gesellschaft sind öffentlich im Netz zugänglich. Dazu kommen zehn Fragen zum jeweiligen Bundesland, in dem der Einwanderer lebt. Ausländer aus Nordrhein-Westfalen sollten beispielsweise wissen, wie das Landeswappen aussieht, für wie viele Jahre der Landtag gewählt wird und wie man den Regierungschef nennt.

Puppenleicht oder zu schwer?

Die Teilnahme am Test kostet 25 Euro. Er kann beliebig oft wiederholt werden. Zu den Tests können sich Einbürgerungswillige bei einer von 500 Volkshochschulen in Deutschland anmelden. Auf der Internetseite des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge steht, wo die entsprechenden Volkshochschulen zu finden sind.

Während des Tests haben die Einwanderer 60 Minuten Zeit, um 33 Fragen zu beantworten. Dazu müssen sie, wie im Multiple Choice Tests üblich, unter vier Antwortmöglichkeiten eine Antwort ankreuzen. Haben sie 17 von 33 Fragen richtig beantwortet, haben sie den Test bestanden. 98,9 Prozent der Migranten schaffen den Test im ersten Anlauf.

Der Fragenkatalog wurde vom Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen der Berliner Humboldt-Universität entwickelt. Aus 1000 Fragen, die an 5000 Personen getestet wurden, wählten die Wissenschaftler 310 Fragen aus. Für die jeweiligen Einbürgerungstests werden daraus immer neue Kombinationen bestehend aus 33 Fragen zusammengestellt.

Erfolg oder nur Scheinerfolg?

Ein Ehepaar aus Ghana stellt einen Antrag auf Einbürgerung (Foto: AP)
Sie möchten Deutsche werdenBild: AP

Nach Einschätzung des Bundesinnenministeriums hat sich der Einbürgerungstest bewährt. Er sei ein Erfolg, den die wenigsten vorausgesehen hätten, und keine hohe Hürde auf dem Weg zur deutschen Staatsbürgerschaft. Lob kam auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Der neue Einbürgerungstest sei eine "wirkliche Erfolgsstory".

Das sieht die Integrationsbeauftragte des Landes Brandenburg, Karin Weiss, anders. Sie stellt infrage, dass bei dieser Erfolgsquote Aufwand und Nutzen in einem guten Verhältnis zu einander stünden. Spätestens 2010 müsse der Test überprüft werden. Nur wenn dabei herauskomme, dass er dazu animiert, sich mit der deutschen Geschichte auseinanderzusetzen, sei er sinnvoll, sagte Weiss.

Allerdings ist die hohe Erfolgsquote der Tests nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite glänzt ganz und gar nicht. Die Einbürgerungszahlen sind rückläufig. Im Jahr 2008 wurden nur rund 94.500 Ausländer eingebürgert, das waren gut 16.800 weniger als im Vorjahr.

Für die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer, sind diese Zahlen ein Ansporn, verstärkt die Vorteile einer Einbürgerung in den Blick zu rücken. "So wirkt sich der Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft positiv auf die wirtschaftliche Situation des Einzelnen aus. Zudem ermöglicht eine Einbürgerung die gleichberechtigte Teilhabe und die vollständige politische Partizipation." Ihrer Meinung nach haben die zurückgehenden Zahlen vielfältige Ursachen, die sie noch analysieren müssen. Zum Teil lasse sich der Rückgang mit Verzögerungen bei der administrativen Abwicklung einer großen Zahl von Einbürgerungstests seit dem 1. September 2008 erklären. Schon für 2009 rechnet die Staatsministerin wieder mit einem signifikanten Anstieg. Zwei Millionen Ausländer lebten lange genug in Deutschland, um eine Einbürgerung zu beantragen.

Der Test ist umstritten

Der Teilnehmer Meldebogen für den Einbürgerungstest (Foto: AP)
Einige Fragen sind kniffligBild: AP

Aus der Opposition kommen kritische Anmerkungen zum Fragenkatalog. Die FDP und die Grünen verweisen einerseits auf die Möglichkeit des schnöden Auswendiglernens. Doch die Kritik geht weiter, denn manche Fragen sind durchaus komplizierter: Was war der Grund für den Kniefall des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt 1970 im früheren jüdischen Ghetto in Warschau? Wollte er - so die Antwort-Alternativen - sich den Alliierten unterwerfen, die polnischen Juden und die Polen um Vergebung bitten, Demut vor dem Warschauer Pakt zeigen oder ein Gebet vor dem Grab des unbekannten Soldaten sprechen? Der Grünen-Fraktionsvize Hans Christian Ströbele hält die Frage nach der genauen Bedeutung des Kniefalls von Brandt in Warschau für sehr schwierig und glaubt nicht, dass viele Bundesbürger ohne weiteres diese Fragen beantworten könnten.

Kritisch äußert sich auch die integrationspolitische Sprecherin der hessischen Grünen, Mürved Öztürk. Sie warnt gemeinsam mit ihren Parteifreunden vor einer Zwei-Klassen-Gesellschaft von Ausländern: Den gut Ausgebildeten, die den Test ohne Mühen bestehen und denjenigen, die wegen einer weniger guten Ausbildung davor zurückschreckten. Dazu gehörten durchaus Ausländer, die seit langem in Deutschland lebten, arbeiteten, Steuern zahlten und inzwischen ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland hätten, so Öztürk.

Viele Voraussetzungen für eine Einbürgerung

Bundeskanzlerin Angela Merkel mit europäischen Migranten vor der deutschen und europäischen Flagge (Fotomontage: DW)
Die Kanzlerin ist zufriedenBild: DW/AP

Der Einbürgerungstest ist nur eine Hürde auf dem Weg zu deutschen Staatsbürgerschaft. Migranten müssen ebenfalls eine unbefristetes Aufenthaltsrecht haben, seit sechs bis acht Jahren in Deutschland leben, ihren Lebensunterhalt bestreiten können, über ausreichende deutsche Sprachkenntnisse verfügen, keine Verurteilung wegen einer Straftat haben und sie müssen entweder die alte Staatsangehörigkeit verloren haben oder bereit sein, sie zugunsten der deutschen Staatsangehörigkeit aufzugeben. Der Weg zu deutschen Staatsbürgerschaft ist lang.

Autorin: Anja Fähnle

Redaktion: Kay-Alexander Scholz