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Ein Jahr EU-Mitglied: Positive Bilanz in Polen

4. Mai 2005

Vor dem Beitritt am 1. Mai 2004 kämpften die Polen noch mit der Devise "Nizza oder Tod" für ihre Stimmrechte. Ein Jahr später haben sich Ängste und Sorgen nicht bestätigt. Der EU-Beitritt Polens ist eine Erfolgsstory.

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Stimmungsumschwung vor allem bei polnischen BauernBild: EPA PHOTO / STANISLAW CIOK

Der frühere polnische Außenminister und heutige Europaparlamentarier Bronislaw Geremek bewertet das erste Jahr der polnischen EU-Mitgliedschaft so: "Dieses erste Jahr Polens in der EU ist ziemlich positiv verlaufen, sogar erstaunlich positiv verlaufen." Damit meint Geremek die Zustimmung zur EU in der eigenen Bevölkerung. Im August letzten Jahres standen laut einer Umfrage knapp 50 Prozent der Polen der EU-Mitgliedschaft positiv gegenüber. Inzwischen ist ihre Zahl auf nahezu 80 Prozent gestiegen.

Dramatische Trendwende bei den Bauern

Die Zahlen zeigen, dass die Mehrheit der polnischen Bevölkerung mittlerweile von der Mitgliedschaft in der EU überzeugt ist. Vor allem bei den polnischen Bauern, die mehrheitlich gegen den Beitritt waren, gibt es eine dramatische Trendwende. Barbara Fedyszak vom Institut für Land- und Agrarentwicklung der Polnischen Akademie der Wissenschaften: "Das war die einzige und zahlenmäßig auch große Berufsgruppe, die noch einige Monate vor dem Referendum über den EU-Beitritt häufiger Nein als Ja gesagt hat. Jetzt bilden die Bauern die größte Gruppe, die mit Optimismus in Richtung EU schaut. Zum ersten Mal befinden sich die Landwirte in einer guten Lage, denn sie sind einer neuen Agrarpolitik beigetreten und damit begannen sie die Landwirtschaft neu zu strukturieren."

70 Prozent der Landwirte bewerten die EU-Mitgliedschaft heute als gut. Im Vorjahr waren es nur 20 Prozent. Seit dem EU-Beitritt Polens flossen aus Brüssel umgerechnet 1,8 Milliarden Euro auf die Konten der einst europa-skeptischen Landwirte. Außerdem freuen sie sich über einen Exportboom und über den Preisanstieg ihrer Agrarprodukte.

Besonders begehrt sind im Ausland polnisches Fleisch und Milchprodukte. Für polnische Verbraucher keine gute Nachricht, denn sie müssen seitdem tiefer in die Tasche greifen. Um acht Prozent sind die Preise für Nahrungsmittel im vergangenen Jahr gestiegen. Für Rindfleisch und Zucker muss man in Polen heute doppelt so viel zahlen wie vor dem EU-Beitritt.

Neue Chancen für die Jugend

Aber nicht nur Landwirte profitieren von der Mitgliedschaft in der EU. Wieslaw Perdeus, Vizepräsiden der Stadt Lublin, nennt noch andere EU-Gewinner: "Ich sehe große Veränderungen für Jugendliche und Studenten. Die EU-Mitgliedschaft hat die polnischen Jugendlichen optimistischer gemacht. Ich meine damit, sie können mehr reisen, mehr sehen und haben die Möglichkeit, in anderen europäischen Ländern zu studieren."

Für die gute Stimmungslage im Lande sorgen auch die großen blauen Schilder mit dem EU-Sternenkranz, auf denen zu lesen ist: Hier entsteht mit Hilfe der EU eine Kläranlage, eine Landstrasse oder ein neuer Kindergarten.

Erfolgreiche Vermittlung in der Ukraine

Bei seiner positiven Bilanz des ersten polnischen EU-Jahres meinte Ex-Außenminister und Europaparlamentarier Geremek aber nicht nur die gute Aufnahme der EU bei den Polen, sondern durchaus auch die Bereicherung, die der Beitritt Polens für die EU bedeute. Polen bringe andere historische Erfahrungen, einen anderen Blick mit ein. Und der habe zum bislang größten politischen Erfolg Polens innerhalb der EU geführt, nämlich durch die Vermittlertätigkeit des polnischen Präsidenten Kwasniewski in der Ukraine, die dort mit zur Wende und zum Sieg der orangefarbenen Revolution beigetragen habe.

Justina Bronska
DW-RADIO/Europa, 1.5.2005, Fokus Ost-Südost