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Politik

Was Trump aus den USA macht

Konstantin Klein
8. November 2017

Tweets und undiplomatische Reden bestimmen den Eindruck, den die Welt nicht erst seit seiner Wahl vor einem Jahr von Donald Trump hat. Das kann Absicht sein - denn hinter dieser Nebelwand baut Donald Trump sein Land um.

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USA Trump
Bild: imago/ZUMAPRESS/S. Thewx

Der 8. November 2016 kann als der Tag der Zwei Großen Irrtümer in die Geschichte der USA eingehen. Bis zu diesem Tag glaubten Meinungsforscher, Journalisten, alle Demokraten und auch einige Republikaner fest, dass Hillary Clinton zur nächsten Präsidentin gewählt würde, und dass damit der schmutzigste Präsidentschaftswahlkampf von allen zu Ende sei. Stattdessen wurde Donald Trump zum 45. Präsidenten der USA gewählt, und der Wahlkampf geht unverändert weiter - bis heute.

Trump zugeneigte Medien, darunter der TV-Kanal Fox News, aber auch rechtslastige Online-Medien, prügeln weiterhin verbal auf Trumps Vorgänger Barack Obama und Trumps Gegenkandidatin Clinton ein, als seien sie verantwortlich für alles, was in den USA und der Welt vor sich geht. Der eigentliche Präsident fühlt sich unterdessen am wohlsten auf für ihn veranstalteten "rallies", die sich in nichts von Trump-Veranstaltungen aus der Wahlkampf-Zeit unterscheiden. Politik, also das Organisieren von Mehrheiten und das Schließen von Kompromissen, sind Trumps Sache nicht - entsprechend sieht seine Bilanz ein Jahr nach seiner Wahl auf den ersten Blick aus.

USA Präsident Donald Trump in Phoenix
Wie im Wahlkampf: Donald Trump auf einer Veranstaltung in Phoenix, Arizona, am 22. August 2017Bild: Reuters/R. Roberts

Obamacare und andere gebrochene Versprechen

Obamacare - mit diesem Wort bezeichnen Republikaner den ihnen verhassten "Affordable Care Act" (ACA), das Gesetz der Obama-Administration, das allen US-Amerikanern eine bezahlbare Krankenversicherung ermöglichen soll. Im Wahlkampf versprach Trump wiederholt, er wolle gleich nach Amtsantritt dafür sorgen, dass Obamacare widerrufen und durch "etwas viel Besseres" ersetzt würde. Bis heute konnten sich Trumps Parteifreunde im Kongress jedoch nicht auf eine Gesundheitsreform einigen. Republikanern, die um ihre Wiederwahl fürchten, waren alle Gesetzentwürfe zu scharf, die ihren Wählern den Versicherungsschutz genommen hätten; anderen gingen die gleichen Gesetzentwürfe nicht weit genug, weil darin das Gesundheitswesen nicht den ungebändigten Kräften eines freien Marktes ausgeliefert würde.

Die Demokraten im Kongress wollen mit dem Versuch, ACA abzuschaffen, ohnehin nichts zu tun haben. Nach mehreren gescheiterten Versuchen finden sich die Republikaner damit ab, vorerst ohne Gesundheitsreform weiterzumachen; der Präsident streicht unterdessen Finanzhilfen für ACA und gefährdet auf diese Weise den Erfolg des Gesetzes.

USA San Diego - Prototyp geplanter Mauer zu Mexiko
Trumps "wunderschöne" Mauer: Ein Prototyp wird am 25. Oktober vorgestelltBild: picture-alliance-/Zuma/San Diego Union-Tribune/J. Gibbins

Der zweite Dauerbrenner im Wahlkampf Trumps war der Bau einer "wunderschönen" Mauer an der Grenze zu Mexiko, um den angeblichen Strom von "bad hombres" (üblen Burschen) in die USA zu unterbinden. Die Rechnung dafür sollte Mexiko übernehmen. Im August veröffentlichte die Washington Post das Protokoll eines Gesprächs, das Trump mit seinem mexikanischen Kollegen Enrique Peña Nieto am 27. Januar geführt hatte. Darin gab Trump zu, dass er natürlich wisse, dass Mexiko nicht für den Bau der Mauer zahlen würde, bat seinen Gesprächspartner aber, das nicht zu erwähnen, weil ihm das in der amerikanischen Öffentlichkeit schaden würde. Die 1,5 Milliarden Dollar, die Trump allein für den Beginn des Mauerbaus braucht, hat der Kongress bisher nicht bewilligt - und wird es wohl auch nicht tun.

"Drain the swamp" - den Washingtoner Sumpf trockenzulegen war ein weiteres Versprechen. Trump zeigte sich gerne als Außenseiter, der den jahrzehntealten Filz der Hauptstadt beseitigen wolle; tatsächlich hat Trump bei seiner Regierungsbildung viele Washington-Insider ersetzt - durch Multimillionäre aus Industrie, der Bankenwelt und Lobbyfirmen. Sein widerwillig abgegebenes Versprechen, sich als Präsident von seinen Geschäften fernzuhalten, setzte er um, indem er seinen Söhnen die Leitung des Trump-Imperiums übertrug.

Politik per Federstrich

Die Amtszeit Trumps als Sammlung gebrochener Versprechen anzusehen, wäre jedoch eine gewaltige Fehleinschätzung. Zwar gibt es noch Verbesserungspotential in der Zusammenarbeit mit dem Kongress, der in den USA für neue Gesetze und ihre Finanzierung zuständig ist. Die versprochene Steuersenkung "für alle" ist immer noch in der Diskussion und wird voraussichtlich vor allem ein Steuergeschenk für die Superreichen. Jedoch hat der Präsident die Möglichkeit, mit sogenannten "executive orders" zu arbeiten. Das sind Dekrete, die zwar nicht Gesetzesrang haben, aber für die Bundesverwaltung und ihre Mitarbeiter absolut bindend wirken.

USA Trump Obamacare
Starker Federstrich: Donald Trump mit einem Dekret, das den ACA schwächen sollBild: Reuters/K. Lamarque

Auch Trumps Vorgänger haben viel Gebrauch von Dekreten gemacht. Umso einfacher ist es für Trump, Entscheidungen seiner Vorgänger mit einer Unterschrift rückgängig zu machen - mehr als 800 bisher. Gleichzeitig hat Trump in der bisherigen Amtszeit 50 eigene Dekrete erlassen. Für die Trump-Regierung gilt das als entschlossene Politik.

Mit Dekreten versucht Trump beispielsweise, ein weiteres zentrales Wahlversprechen umzusetzen: die Einschränkung der Immigration. Seine verschiedenen "travel bans" (Reisesperren), die erste unterschrieben gerade mal eine Woche nach Amtsantritt, wurden zwar jeweils innerhalb kurzer Zeit von verschiedenen Gerichten für ungültig erklärt; der "Trump Promise Tracker" der Washington Post sieht das Thema jedoch auf dem Weg zu einem Kompromiss. Unabhängig davon geht die Trump-Administration entschieden gegen Menschen vor, die sich schon illegal im Land aufhalten. Mehr als 28.000 von ihnen wurden bis August festgenommen, obwohl sie - außer gegen das Immigrationsgesetz - gegen keine Gesetze verstoßen hatten.

Screenshot Twitter: Donald Trump
Das Handwerkszeug des Präsidenten: Donald Trumps Twitter-AccountBild: Twitter/realdonaldtrump

Darüber hinaus arbeitet Trump gerne mit Ankündigungen: Der Austritt aus dem Pariser Klimaschutzabkommen gehört ebenso dazu wie die Neuverhandlungen von Handelsabkommen oder die Zukunft des Atomabkommens mit dem Iran. Die Wirklichkeit ist aber oft komplizierter und langwieriger als schwungvolle Wahlkampfreden. Und die Chancen, dass das Wahlvolk eines dieser unangenehm komplexen Themen im täglichen Twittersturm des Präsidenten vergisst, sind groß. Ebenso wie Trumps Hoffnung, dass der Verdacht der Zusammenarbeit mit Russland auch in Vergessenheit gerät.

Der leise Umbau

Als großen Erfolg kann die Trump-Regierung die Besetzung eines freien Sitzes im Supreme Court feiern. Der Sitz war durch den Tod von Richter Antonin Scalia freigeworden. Die republikanische Mehrheit im Kongress hatte vor Trumps Wahl über ein Jahr lang den Versuch Barack Obamas blockiert, den Sitz mit einem gemäßigten Kandidaten zu besetzen. Schließlich waren sie begeistert, als Trump den Juristen Neil Gorsuch nominierte. Gorsuch ist nicht nur erzkonservativ, er ist mit gerade mal 50 Jahren auch sehr jung für das Gremium. Im Supreme Court, in dem Richter im allgemeinen auf Lebenszeit amtieren, wird er die Rechtsprechung - und damit indirekt die Politik - voraussichtlich auf Jahrzehnte hinaus mitbestimmen.

USA Vereidigung Richter Neil Gorsuch in Washington
Unter Trumps Augen: Neil Gorsuch wird als Richter am Obersten Gerichtshof der USA vereidigtBild: Getty Images/AFP/M. Ngan

Aber auch unterhalb des Supreme Court baut Trump die USA erfolgreich zu einem Staat um, in dem Konservative das Sagen haben und Firmen und Unternehmer tun und lassen können, was sie wollen. Reihenweise kippt Trump Bestimmungen, die als Hemmschuh für die Wirtschaft angesehen wurden. Richterposten gehen vor allem an konservative Juristen, und Justizminister Jeff Sessions tut alles, um bei der Verbrechensbekämpfung hart durchzugreifen und die Rechte der Polizeibehörden zu stärken.

Am deutlichsten zeigt sich jedoch eine Entwicklung, die im Wahlkampf keine Rolle spielte, die aber schon seit der Mitte der 1990er Jahre zu spüren ist: Ein Jahr nach Trumps Wahl sind die Vereinigten Staaten tiefer gespalten, sind Bürger gegenüber Politik und Medien misstrauischer als je zuvor, scheinen die USA im Inneren wie nach außen so unfähig zu Kompromissen zu sein wie nie zuvor.