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Deutschland und Obama

19. Januar 2010

Mit dem Versprechen "Yes we can" zog Barack Obama erst in den Wahlkampf und dann im Januar 2009 ins Weiße Haus ein. Ein Jahr später ist klar, dass selbst ein Hoffnungsträger wie Obama nicht alle Probleme lösen kann.

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Barack Obama am 24.7.2008 bei seiner Rede an der Berliner Siegessäule (Foto: Mike Wolff)
Barack Obama am 24.7.2008 bei seiner Rede an der Berliner SiegessäuleBild: dpa / tagesspiegel

Die Vergleiche sind Legende. Lange bevor Barack Obama die Präsidentschaftswahl gewann, wurde er bereits in einem Atemzug mit John F. Kennedy, Martin Luther King oder Abraham Lincoln genannt. Bei einem Auftritt an der Berliner Siegessäule jubelten ihm zehntausende Deutsche zu und seine Autobiografie wurde ein weltweiter Bestseller.

Entsprechend hoch war die Fallhöhe für den neuen Präsidenten. Obama, so die internationale Erwartung, sollte die aggressive Außenpolitik George W. Bushs so schnell und umfassend wie möglich ungeschehen machen. Die Amerikaner hingegen erhofften sich, dass sich der neue Präsident inmitten der Wirtschaftskrise statt um globale Konflikte endlich wieder um die Innenpolitik kümmern würde.

Diese teilweise gegensätzlichen Erwartungen zu erfüllen, ist selbst für einen rhetorisch so begabten Politiker wie Barack Obama schwer. Und tatsächlich, konstatiert Reinhard Rode, US-Experte an der Universität Halle, ist der Glanz des Kandidaten Obama nach einem Jahr im Amt etwas verblasst: "Der ist ja gerade auch in Europa und bei einem Teil seiner Wählerklientel aus Frustration über den Vorgänger so hoch gehandelt worden, dass er ja fast zum politischen Heiligen erklärt worden ist. Und da kommt natürlich irgendwann die Ernüchterung durch die Realität."

Nachlassendes Vertrauen

In den USA ist die Zustimmungsrate für Obamas Amtsführung von anfangs über 70 auf mittlerweile rund 50 Prozent gesunken. Und auch in Europa wird Obama nicht mehr nur positiv bewertet, denn die Erwartung vieler Europäer, der neue US-Präsident könne die zahlreichen internationalen Probleme quasi im Alleingang lösen, haben sich im Laufe des ersten Amtsjahrs zerschlagen, erklärt Michael Zürn, Amerika-Experte am Wissenschaftszentrum Berlin. "Vieles von dem, was man sich optimalerweise erhofft hat, ist nicht erreicht worden, da gibt es keine Frage. Wir haben nichts in der Hand, was die Regelung der Finanzmärkte und die Klimapolitik betrifft, auch in den verschiedenen Fragen des mittleren Ostens haben wir keine großen Fortschritte erzielen können."

US-Flagge auf Häusern (Foto: AP)
Die USA haben unter Obama dazugelerntBild: AP

Zwar hat Obama noch keinen großen außenpolitischen Erfolg vorzuweisen, aber er hat nicht nur mit dem Stil Bushs, sondern in vielen Bereichen auch mit dessen Politik gebrochen. So hat Obama die Ära des Unilateralismus nicht nur rhetorisch für beendet erklärt, sondern hat ganz praktisch beispielsweise den Iran zum Dialog aufgerufen, das Handelsembargo gegen Kuba gelockert, den Abzug aus dem Irak eingeleitet und den Raketenschutzschirm in Osteuropa gestoppt. Dass die Reaktion auf diese Maßnahmen nicht immer so ausfiel wie erhofft, verdeutlicht nur, dass in einer globalisierten Welt selbst ein US-Präsident Konflikte nicht mehr allein beenden kann. Das gilt auch für das wohl schwierigste Problem Afghanistan, wo sich Obama nach langem Zögern für eine deutliche Aufstockung der Truppen entschieden hat.

Multilateralismus ist kein Schimpfwort mehr

Obamas wichtigste außenpolitische Maßnahme lässt sich denn auch nicht geografisch oder vertraglich verorten, sondern besteht vielmehr in der Öffnung der USA. Unter Obama ist ein neuer Ton in die internationale Politik gekommen und die US-Regierung verfährt nun nicht mehr nach dem Motto "Mit uns oder gegen uns", erklärt Zürn: "Der Begriff Multilateralismus ist wieder ein Begriff, über den man reden kann. Auch internationale Normen werden als solche anerkannt und insofern hat sich doch einiges getan."

Plakette mit Aufschrift "Krankenversicherung für alle" (Foto: AP)
Obama kämpft dafür, dass alle US-Amerikaner eine Krankenversicherung bekommenBild: AP

Während ein klarer Erfolg außenpolitisch noch auf sich warten lässt, konnte Obama innenpolitisch ausgerechnet mit einem Thema punkten, an dem sich der letzte demokratische US-Präsident Bill Clinton noch die Zähne ausgebissen hatte: der Gesundheitsreform. Natürlich ist das Projekt für alle Amerikanern eine Krankenversicherung einzuführen noch längst nicht endgültig beschlossen. Aber die Gesundheitsreform hat nach zähen Verhandlungen schon wichtige Hürden im Kongress genommen und die Chancen stehen gut, dass Obamas Prestigeprojekt noch vor der nächsten Kongresswahl im November verabschiedet wird.

Vergleich mit den Alternativen

Angesichts der schwierigen Ausgangslage und des hohen Erwartungsdrucks hat Barack Obama seine Sache im ersten Jahr seiner Präsidentschaft insgesamt gut gemacht, findet denn auch Rode: "Ich würde ihm in der Innenpolitik und in der Außenpolitik eine Zwei geben. Sicher keine eins, aber das war auch kein Jahr, in dem Einser zu gewinnen waren."

Zürn bewertet das Jahr eins unter Obama insgesamt ebenfalls positiv, auch wenn viele Erwartungen nicht erfüllt werden konnten. Für die Deutschen, die laut Umfragen regelmäßig zu den größten Bewunderern von Obama gehören, hat der Experte noch einen speziellen Tipp. Wem die Neuausrichtung der Politik unter Obama und seinem Vizepräsidenten Joe Biden nicht schnell und radikal genug ist, sollte sich einfach manchmal an George W. Bush und Dick Cheney erinnern oder sich vorstellen wie die US-Außenpolitik unter John McCain und Sarah Palin aussehen würde.

Autor: Michael Knigge

Redaktion: Kay-Alexander Scholz