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Ein Kamel in Camelot?

Eckhard Tollkühn20. November 2003

Bush ist ausser Landes, die Amerikaner ehren in diesen Tagen einen anderen Präsidenten. Kein Fernseh- oder Radiosender, keine Zeitung, die nicht mit Specials über John F. Kennedy aufwartet.

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Die, die sie erlebt haben, erinnern sich mit einer wehmütigen Nostalgie an die Ära Kennedy. Vor 40 Jahren wurde sie mit dem Anschlag auf John F. Kennedy brutal beendet. Es herrschte Aufbruchstimmung, damals in den USA. Die Wirtschaft boomte, es gab Geld für ehrgeizige Pläne wie den Flug zum Mond. Umfragen von damals zeigten: 77 Prozent aller Amerikaner waren zufrieden mit sich und der Welt - und natürlich mit ihrem Präsidenten.

Jugendliche Frische und französiches Flair

Kennedy brachte Charme und jugendliche Frische ins Weiße Haus, seine Frau Jaqueline französisches Flair. Eine Republik, die Königtum spielte. Camelot hiess das Weiße Haus unter Kennedy in der Öffentlichkeit, angelehnt an das Schloss des legendären König Arthur von England.

Trotz der nur dreijährigen Amtszeit, gilt John F. Kennedy als einer der bedeutendsten Präsidenten in der amerikanischen Geschichte. Doch mit der Zeit mischen sich auch immer mehr kritische Stimmen in den allgemeinen Chor der Bewunderung.

Kennedys Affären

Kennedy war ein Frauenheld ersten Ranges. Seine vielpublizierte Affäre mit Marilyn Monroe ist nur die Spitze des Eisbergs. Der Präsident soll sich fast täglich mit Prostituierten vergnügt haben. Das bestätigten später zig Secret Service-Beamte, die gleichzeitig präsidiale Zuhälter spielen mußten. Statt König Arthurs Tafelrunde in Camelot, Sexparties am Pool des Weissen Hauses.

Bei einem Akt von "rough Sex" am Pool soll sich Kennedy derartig schwer verletzt haben, dass er bis zu seinem Tod an starken Rückenschmerzen litt. Auch dass der Präsident geschlechtskrank war und Dutzende von seinen Gespielinnen angesteckt haben dürfte, kam erst sehr viel später heraus.

Interessant war bei alledem: Die Presse legte sich bei Kennedys Frauengeschichten freiwillig eine Zurückhaltung auf, von der Bill Clinton 35 Jahre später nur hätte träumen können.

Politische Schattenseiten

In neueren Biografien wie Seymour Hershs "The dark side of Camelot", werden nicht nur die menschlich moralischen, sondern auch die politischen Schattenseiten John F. Kennedys beleuchtet.

Dass Kennedys Poker mit Krustschow in der Kubakrise nicht zu einem Atomkrieg führte, sei nicht der Weitsicht des Präsidenten zu verdanken, sondern eher einem glücklichen Zufall. Kennedy sei damals nicht klar gewesen, wie nahe die Welt damals am Rande eines Atomkrieges stand, schreibt Hersh. Der gescheiterte Umsturzversuch des CIA gegen das Castro-Regime in der kubanischen Schweinebucht war ein aussenpolitisches Fiasko. Auch in der Berlinkrise, die im Mauerbau mündete, habe sich der Präsident nicht mit Ruhm bekleckert, schreiben einige Historiker.

Denkmal mit Rissen

Das Denkmal Kennedy zeigt erste Risse. Nicht nur die Amtszeit wird unter die Lupe genommen, auch die Art und Weise wie Kennedy an die Macht gekommen ist. So soll er über Mafia-Verbindungen mindestens in zwei Bundesstaaten Stimmen "gekauft" haben, nur so sei ihm der Einzug ins Weiße Haus gelungen.

Aber eines steht fest: Auch 40 Jahre nach seinem Tod ist die Faszination an der Ära Kennedy ungebrochen. Auch über den Mord kursieren immer noch Verschwörungsgerüchte. Der CIA weigert sich weiter, die Akten offenzulegen. Vielleicht nicht verwunderlich, denn eine Verschwörungstheorie besagt, dass es der amerikanische Geheimdienst auf Geheiß seines Chefs Hoover war, der das Mordkomplott angezettelt hat.

"Stadt des Hasses"

Am meisten litten die Bewohner des Tatort Dallas wurde bekannt als die "Stadt des Hasses." Ihr Bürgermeister erhielt Todesdrohungen und umgab sich mit Bodyguards. Telefonistinnen in den Schaltzentralen weigerten sich, Gespräche aus Dallas durchzustellen, Reisende aus der Stadt des Hasses wurden in der Fremde mitunter wie Aussätzige behandelt. Es dauerte lange bis Dallas sich von diesem Stigma erholte. Das Attentats-Museum an der Dealey Plaza öffnete erst 1989 seine Tore.