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Das koz

16. Juni 2011

Endlich hat die Bundesregierung ein neues Afrika-Konzept erarbeitet. Eine schöne Geste. Doch ein Konzept allein macht noch keine Politik, zumal es mit bisherigen Widersprüchen nicht aufräumt, meint Ute Schaeffer.

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Bild: DW

Das Afrika-Konzept der Bundesregierung hat lange auf sich warten lassen – eigentlich hätte es schon im letzten Jahr am Start sein sollen. Herausgekommen aber ist kein politisches Strategiepapier, sondern ein Marketingartikel deutscher Außenpolitik. Von "A" wie Armutsbekämpfung, über "R" wie Rohstoffpartnerschaften bis "W" wie Waldschutz lässt sich alles finden. Es ist alles drin im Afrika-Konzept – und wenig klar. Jedes Ministerium, jede Entwicklungsagentur findet sich wieder. Doch ob der Leser Antworten auf seine Fragen findet, das darf bezweifelt werden.

Mehr Anspruch als Wirklichkeit

Ute Schaeffer - Leiterin der Afrika- und Nahostprogramme der DW (Foto: DW)
Ute Schaeffer ist Leiterin der Afrika- und Nahostprogramme der DW

Absichtserklärungen und Hochglanzaussagen müssen sich stets an der Realität messen lassen: Wo auf seinem Weg in Richtung Sahara geht eigentlich der im Konzept formulierte Anspruch verloren, Deutschland setze sich für den Schutz internationaler Flüchtlinge ein? Realität ist doch eine unerträgliche Abschottungspolitik Libyens oder Marokkos, die in Europas Auftrag afrikanische Flüchtlinge mit allen Mitteln zurückdrängen. Wo bleibt die Einbindung der lokalen Zivilgesellschaft im Ostkongo? Wo ist der entschiedene Einsatz für Demokratie, für den Aufbau der Zivilgesellschaft? Zum Beispiel in Simbabwe, wo der greise Diktator Mugabe seine Schlägertrupps wieder formiert, um die Menschen vor der Wahl in Angst und Schrecken zu setzen? Und wenn behauptet wird, die wichtigsten Partnerländer in Afrika seien in erster Linie jene, die unsere Ansichten und Interessen teilten, warum zählen dann gerade autoritäre Regime wie Äthiopien und Ruanda zu eben jenen wichtigsten Partnern?

Es ist der alte Widerspruch zwischen unseren Werten und unseren Interessen, der hier sichtbar wird. Das neue Afrika-Konzept stellt die Behauptung auf, dass unsere Afrika-Politik beides miteinander verbinde. Das aber ist oft nicht der Fall.

An einer Stelle allerdings liegen Interessen und Werte unmittelbar zusammen: beim Thema Sicherheit. Deutschland engagiert sich gerade hier sehr, zum Beispiel, wenn es um die Abwehr von Piraten am Horn von Afrika geht, oder um den Aufbau und die Ausbildung der Sicherheitsarchitektur der Afrikanischen Union. Und das passt gut mit dem erklärten Ziel zusammen, gute Regierungsführung und Demokratie zu fördern.

Frieden und Stabilität auf dem Nachbarkontinent – das haben sowohl Kenia als auch die Elfenbeinküste erst vor kurzem gezeigt – lassen sich nur erreichen durch Demokratie, staatliche Ordnung, politische Beteiligung. Hier hat Deutschland einen sehr guten Ruf. Und das Engagement beim Staatsaufbau im Südsudan zeigt, dass deutsche Erfahrungen und Leistungen gefragt sind. Wäre es nicht besser gewesen, aus einem solchen Schwerpunkt auch eine klare Priorität zu machen?

Kaum klare Antworten

Der vor einem Jahr zurückgetretene Bundespräsident Köhler hat vorgemacht, wie sich Afrika-Politik gestalten lässt: durch Engagement und Kontinuität. Bei seinen Afrikabesuchen konnte er auf gewachsene persönliche Beziehungen setzen. Dementsprechend vertrauensvoll sind ihm seine afrikanischen Gesprächspartner auch bei schwierigen Themen begegnet. Köhler war glaubwürdig, eben weil er sich nachhaltig und persönlich für Afrika eingesetzt hat. Das lässt sich über die Bundeskanzlerin oder den deutschen Außenminister nicht so ohne weiteres sagen. Doch davon wird der Erfolg der Afrika-Politik weit mehr abhängen als von vielen Seiten gedrucktem Papier.

Man mag sagen: Gut, dass ein solch umfassendes Konzept endlich da ist. Gut, dass auch die gemeinsamen Interessen mit Afrika endlich beschrieben sind. Gut, dass keine Botschaften und Kulturinstitute in Afrika mehr geschlossen werden wie noch in den neunziger Jahren. Langfristig und klar muss unsere Politik mit Afrika sein. Ob das Konzept bedeutet, dass wir endlich eine nachhaltige Politik in Gang setzen? Ich habe meine Zweifel. Gut laufende Projekte – wie der Austausch von Wissenschaftlern und Führungskräften, von Bildungsprogrammen – mussten in diesem Jahr um ihre Fortsetzung fürchten. Und auch wenn es sich gut liest, wenn im Konzept eine "Transformationspartnerschaft" für Nordafrika angekündigt wird – so ist das zumindest nicht die vollständige Information. Denn das dafür mobilisierte Geld in diesem Jahr ging zu Lasten von Projekten und Programmen für Subsahara-Afrika.

"Warum seid ihr Deutschen nicht klarer und präsenter auf unserem Kontinent, und warum nutzt ihr eigentlich den guten Ruf Eures Landes so wenig?", hat mich ein afrikanischer Kollege vor kurzem gefragt. Das neue Afrika-Konzept gibt auf diese Fragen kaum Antwort.

Autorin: Ute Schaeffer
Redaktion: Jan-Philipp Scholz